OGH 2Ob122/06i

OGH2Ob122/06i31.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Familienrechtssache der klagenden Partei Anna G*****, vertreten durch Dr. Alfred Lind und Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Manfred Ingo E*****, vertreten durch Dr. Manfred Korn, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterhalt (Streitwert EUR 3.600), über den Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 13. März 2006, GZ 2 R 73/06d-27, womit das Teilanerkenntnisurteil des Bezirksgerichts Graz vom 23. Dezember 2005, GZ 35 C 215/04p-22, sowie das vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage in diesem Umfang zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Klage vom 29. 11. 2004 begehrte die Klägerin, den Beklagten, ihren Vater, ab 1. 10. 2004 zu monatlichen Unterhaltszahlungen von EUR 350 an sie zu verpflichten. Sie studiere an der Fachhochschule Joanneum Informationsdesign. Im Jahr 2003 habe sie mit dem Beklagten, der seit jeher seiner Unterhaltsverpflichtung nur unzureichend nachgekommen sei, monatliche Unterhaltsleistungen in der begehrten Höhe außergerichtlich vereinbart. Zwischen den Streitteilen sei weiters vereinbart worden, dass die mit Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 16. 12. 1993, GZ 18 P 196/82-31, mit monatlich EUR 327,03 festgelegte Unterhaltsverpflichtung des Beklagten nach Eintritt ihrer Volljährigkeit keine Geltung mehr habe. Sie sei daher zur Durchsetzung ihres Unterhaltsanspruchs im Rechtsweg gezwungen.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der in der Klage erwähnte Unterhaltstitel über monatlich EUR 327,03 sei wirksam. Zwischen den Streitteilen sei lediglich vereinbart worden, dass von diesem Titel kein Gebrauch gemacht werde, falls der Beklagte weniger als im Unterhaltsbeschluss festgestellt verdiene. Sollte der Beschluss nicht mehr rechtswirksam sein, werde ein Teilbetrag von EUR 300 monatlich ausdrücklich anerkannt; dieser Betrag werde auch laufend bezahlt. Die Klägerin beantragte daraufhin die Fällung eines Teilanerkenntnisurteils über EUR 300 monatlich ab 1. 10. 2004. Der Beklagte sprach sich dagegen aus.

Das Erstgericht erließ das Teilanerkenntnisurteil antragsgemäß. Es stellte fest, dass die Streitteile eine Vereinbarung getroffen haben, dass der Unterhaltsbeschluss „keine Geltung mehr haben und die Höhe des Unterhaltsbeitrages außergerichtlich geregelt werden sollte". Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte es aus, die Parteien hätten übereinstimmend erklärt, „den im Pflegschaftsverfahren 1993 ergangenen Beschluss nicht zu pfänden". Da der Beklagte einen Teil des streitgegenständlichen Anspruchs für den Fall ausdrücklich anerkannt habe, dass das Gericht diesen Beschluss nicht als rechtswirksam ansehe, sei gemäß § 395 ZPO ein Teilanerkenntnisurteil zu fällen gewesen.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichts einschließlich des durchgeführten Verfahrens bis zu einem monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 300 als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang zurück. Da ein während der Minderjährigkeit ergangener Unterhaltstitel über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus wirke und auch die Vereinbarung, vom Titel keinen Gebrauch zu machen, am Bestand der rechtskräftigen Unterhaltsverpflichtung des Beklagten in Titelhöhe nichts ändern könne (dieser Umstand wäre nur gemäß § 36 EO im Exekutionsverfahren geltend zu machen gewesen), liege ein mit Nichtigkeitssanktion zu ahndender Verstoß gegen die Beachtung der Rechtskraft vor. Die Klage wäre im Ausmaß von EUR 327,03 zurückzuweisen, was dem Berufungsgericht aber nur im Ausmaß des angefochtenen Anerkenntnisurteiles möglich sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die materiellrechtliche Entscheidung über die Berufung unter Außerachtlassung des erhobenen Einwands der Nichtigkeit des Verfahrens aufzutragen. Der Beklagte beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben. Er sei 1993 für seine Tochter Anna zu einer Unterhaltsleistung von ATS 5.500 (= EUR 399,70) und nicht, wie vom Erstgericht unbekämpft festgestellt, von ATS 4.500 (= EUR 327,03) verpflichtet worden. Dies sei aber hier ohne Entscheidungsrelevanz, weil der Urteilszuspruch mit EUR 300 jedenfalls unter diesen Beträgen liege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls - ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands und das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage sowie ohne dass es dazu eines Ausspruches des Berufungsgerichts bedurft hätte (4 Ob 528/91) - zulässig, aber nicht berechtigt.

Der allgemein vertretenen Rechtsmeinung, dass die gerichtliche Festsetzung eines Unterhaltsbetrages erst durch eine abändernde richterliche Entscheidung und nicht schon mit erreichter Mündigkeit des Kindes unwirksam wird (RIS-Justiz RS0000342), widerspricht die Klägerin ohnehin nicht mehr. Sie vertritt im Revisionsrekurs aber weiterhin die Auffassung, ihr Anspruch stütze sich auf die mit dem Beklagten außergerichtlich getroffene Vereinbarung, vom Beschluss vom 16. 12. 1993 keinen Gebrauch zu machen. Von einer Identität des Rechtsgrundes, der einerseits dem Außerstreitverfahren 18 P 196/82 BG Graz und andererseits der nunmehrigen Klagsführung zugrunde liege, könne im Hinblick auf diese außergerichtliche Vereinbarung nicht ausgegangen werden.

Entgegen dieser Ansicht hat das Berufungsgericht zutreffend die Nichtbeachtung der Rechtskraft des Beschlusses vom 16. 12. 1993, mit dem der Beklagte zur Leistung monatlicher Unterhaltszahlungen von ATS

5.500 = EUR 399,70 verpflichtet wurde, wahrgenommen. Die auch Beschlüssen im Außerstreitverfahren zukommende materielle Rechtskraft ist in jeder Lage des Verfahrens zu beachten (SZ 44/181 ua). Die materielle Rechtskraft eines Beschlusses über Ansprüche auf Gewährung des gesetzlichen Unterhalts hält später eingetretenen Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhalts zwar nicht stand; eine solche neue Sachlage wird vielmehr von der Rechtskraft des Unterhaltsbeschlusses (ebenso wie eines entsprechenden Urteils) nicht mitumfasst und ermöglicht daher nach ständiger Rechtsprechung eine Klage auf Erhöhung (oder Herabsetzung) der zugesprochenen Unterhaltsbeträge (4 Ob 528/91 mwN; RIS-Justiz RS0018984 und RS0047202). Im vorliegenden Fall hat aber die Klägerin mit ihrem Begehren auf Zuerkennung monatlicher Unterhaltszahlungen ab 1. 10. 2004 mittels Teilanerkenntnisurteiles keine Erhöhung des ihr bereits ab 1993 rechtskräftig zugesprochenen Unterhalts von monatlich EUR 399,70 verlangt, sondern (auch) insoweit die Schaffung eines neuen Unterhaltstitels begehrt, der auf dem identen Rechtsgrund wie der Beschluss vom 16. 12. 1993 basiert. Der von ihr als Begründung dafür angeführte außergerichtlich erklärte Verzicht auf die Geltendmachung des Unterhaltstitels vom 16. 12. 1993, der einen Verzicht auf den betreffenden staatlichen Vollstreckungsschutz bedeutet, berührt entgegen der Meinung der Klägerin den Bestand ihrer Unterhaltsforderung nicht (vgl 3 Ob 97/92). Wie vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 70/92 ausgesprochen wurde, vernichtet selbst ein Urteil auf Ruhen der Unterhaltsverpflichtung den Unterhaltstitel selbst nicht; die betreibende Partei muss in einem solchen Fall daher auch keine Entscheidung erwirken, dass ihr Unterhaltsanspruch wieder aufgelebt sei.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, steht dem Teilanerkenntnisurteil daher die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung vom 16. 12. 1993 entgegen. Da die Nichtbeachtung der Rechtskraft nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einen (in § 477 ZPO nicht aufgezählten) Nichtigkeitsgrund darstellt (SZ 30/48; SZ 47/96 ua; Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² III § 411 ZPO Rz 134), muss der Revisionsrekurs erfolglos bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 51 Abs 1 ZPO.

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