OGH 6Ob212/05b

OGH6Ob212/05b21.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****-Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Ludwig Pramer ua Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Mag. Peter W*****, vertreten durch Dr. Rudolf Franzmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Einverleibung einer Dienstbarkeit, infolge der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 16. März 2005, GZ 22 R 430/04y-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Schwanenstadt vom 14. September 2004, GZ 2 C 433/02x-13, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 499,39 EUR (darin 83,23 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei der Zurückweisung des Rechtsmittels auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Parteien sind bücherliche Eigentümer benachbarter Grundstücke. Der Beklagte hatte sein Eigentum durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren am 24. Juli 2001 erworben. In diesem Verfahren war ein Geh- und Fahrrecht über einen auf dem Exekutionsobjekt befindlichen Weg, über den weitere Grundstücke der klagenden Partei erreicht werden können, nicht berücksichtigt worden. Das auf die Zustimmung des Beklagten zur Einverleibung des Geh- und Fahrrechts gerichtete Klagebegehren wurde von den Vorinstanzen abgewiesen. Das Berufungsgericht ging zwar im Sinn der ständigen Rechtsprechung davon aus, dass bei der Teilung und Veräußerung von Grundstücken des selben Eigentümers - hier der Rechtsvorgängerin der Klägerin an einen Rechtsvorgänger des Beklagten am 24. Juni 1975 - auch ohne Vereinbarung und Verbücherung eine Servitut entsteht, wenn diese aufgrund augenfälliger Anlagen den Zweck des Dienens erkennen ließ. Trotz einer solchen Offenkundigkeit sei hier aber aus zwei Gründen von einer schlüssigen Vereinbarung der Parteien des Kaufvertrags aus dem Jahr 1975 auszugehen, dass keine Servitut begründet habe werden sollen:

Im Kaufvertrag sei nicht nur ganz allgemein die Haftung für die Freiheit von bücherlichen Lasten, sondern auch ausdrücklich eine bislang nicht bestandene Dienstbarkeit der Duldung von Bergschäden, also gerade nicht auch eine Geh- und Fahrservitut, begründet worden. Darüber hinaus sei die Verkäuferin (Rechtsvorgängerin der Klägerin) auf eine solche Servitut auch nicht angewiesen gewesen, weil sie Anschluss an das öffentliche Gut über das ihr verbliebene, an die Grundstücke des Beklagten angrenzende Grundstück gehabt habe und so ihre oberliegenden Grundstücke erreichen habe können. Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden nachträglichen Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts (§ 508 ZPO) mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Von der grundsätzlichen Auslegungsregel, dass bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften des selben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient, der faktische Zustand aufrecht bleiben und die bisherige Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll und dass die Servitut schon durch den Übertragungsakt entsteht (RIS-Justiz RS0011643; RS0011618), kann ausdrücklich oder schlüssig abgegangen werden (1 Ob 292/98t mwN). Ob dies hier der Fall war, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beantwortende Auslegungsfrage, deren Bedeutung nicht über den Anlassfall hinausgeht. Schon die Kasuistik des Einzelfalls schließt grundsätzlich die Zulässigkeit der Revision aus, sofern nicht ein geradezu unvertretbares Auslegungsergebnis vorliegt (RS0044358; 1 Ob 58/97d mwN uva). Dies gilt auch für die Frage, ob eine schlüssige Vereinbarung zustande gekommen ist (6 Ob 86/05y uva;RIS-Justiz RS011313, RS 0110698).

Den Revisionsausführungen, das Berufungsgericht hätte nicht ohne Beweiswiederholung allein aus dem Kaufvertrag des Jahres 1975 eine fehlende Parteienabsicht über die Begründung einer Geh- und Fahrservitut feststellen dürfen, zu diesem Thema fehle es an Parteibehauptungen des Beklagten und das Berufungsgericht habe mit seiner Ansicht eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen, ist Folgendes entgegenzuhalten:

Von einem fehlenden Parteivorbringen des Beklagten kann keine Rede sein, folgte das Berufungsgericht doch gerade der schon im Schriftsatz ON 3 vorgetragenen Argumentation des Beklagten. Der gerügte Verfahrensmangel liegt schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht keine ergänzenden Feststellungen getroffen, sondern nur aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt rechtliche Schlussfolgerungen in die Richtung eines schlüssigen Verhaltens gezogen hat. Bei der Auslegung eines bestimmten Verhaltens müssen die Auslegungskriterien dem Vertrag selbst oder den ihn begleitenden maßgeblichen Umständen zu entnehmen sein (8 Ob 21/03a). Die Auslegung einer Vertragsurkunde ist eine Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0017911), dies insbesondere dann, wenn - wie hier - keine Aussagen bei Abschluss der Vereinbarung vorliegen (8 Ob 40/03w). Das Berufungsgericht hat demnach im Ergebnis den Kaufvertrag nur rechtlich im Zusammenhang mit dem unstrittigen Begleitumstand, dass der Verkäufer auf keinen „Notweg" angewiesen war, dahin beurteilt, dass nicht der Regelfall einer „stillschweigenden" Begründung einer Servitut durch Übertragungsakt bei der Teilung des Grundstücks (IS-Justiz RS0011643) vorliegt. Im Hinblick auf das Parteivorbringen des Beklagten geht der Vorwurf einer unzulässigen Überraschungsentscheidung ins Leere.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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