OGH 6Ob268/06i

OGH6Ob268/06i21.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Eduard W*****, vertreten durch Mag. Thomas di Vora, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die Antragsgegnerin Liselotte L*****, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Pramberger Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, wegen Abberufung eines Geschäftsführers, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 18. August 2006, GZ 1 R 199/06v-8, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 26. Mai 2006, GZ 26 Nc 17/06y-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wieder hergestellt wird.

Text

Begründung

Die Rechtsvorgängerin des Antragstellers und die Antragsgegnerin haben im Jahr 1999 die Seniorenwohnheimstätte S***** Gesellschaft nach bürgerlichem Recht gegründet. Im Gesellschaftsvertrag wurde der Antragsgegnerin die alleinige Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis eingeräumt.

Der Antragsteller begehrt im Verfahren außer Streitsachen die Abberufung der Antragsgegnerin als Geschäftsführerin aus wichtigem Grund und den Ausspruch, dass ihre Alleinvertretungsbefugnis nicht mehr bestehe. Die Antragsgegnerin habe gegen ihre Verpflichtungen als Geschäftsführerin verstoßen, indem sie etwa illegal Arbeitskräfte beschäftigt und bei Umbauarbeiten nicht den Bestbieter beauftragt habe. Sie verwehre außerdem dem Antragsteller Einsicht in die Bücher und insbesondere in die Geldgebarung der Gesellschaft. Die Antragsgegnerin bestritt die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs; ihr sei vertraglich die Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt worden. Im Übrigen lägen die geltend gemachten Enthebungsgründe nicht vor.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurde über das Vermögen des Antragstellers das Konkursverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt.

Das Erstgericht erklärte den außerstreitigen Rechtsweg zur Behandlung dieses Antrags für zulässig und wies den „Antrag, das Verfahren zu unterbrechen", ab. Die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis eines Gesellschafters sei dann, wenn dieses Recht nicht als unentziehbar bezeichnet wurde, aus wichtigem Grund möglich; bei Stimmengleichheit der Gesellschafter habe der Außerstreitrichter zu entscheiden. Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch sei keine vermögensrechtliche Streitigkeit, sondern ein Rechtsgestaltungsanspruch, für den eine Prüfung und Feststellung im Konkurs nicht in Betracht komme. Eine Unterbrechung des Verfahrens sei daher nicht „notwendig".

Das Rekursgericht erklärte den außerstreitigen Rechtsweg für unzulässig, erklärte den angefochtenen Beschluss einschließlich des vorangegangenen Verfahrens für nichtig und wies den verfahrenseinleitenden Antrag zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zulässig sei; Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs für die Abänderung des die Geschäftsführungsbefugnis regelnden Teiles eines Vertrags einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht bestehe nicht. In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, die Rechtsvorgängerin des Antragstellers und die Antragsgegnerin hätten 1999 die Alleingeschäftsführungsbefugnis der Antragsgegnerin vereinbart. Der Antragsteller strebe daher inhaltlich eine Abänderung des Gesellschaftsvertrags an, die aber der Zustimmung der Antragsgegnerin bedürfe. Diese Zustimmung sei nur im streitigen Verfahren erwirkbar. Eine Umdeutung des verfahrenseinleitenden Antrags gemäß § 40a JN in eine Klage sei nicht möglich, weil der Antragsteller sein Begehren nicht bewertet habe und daher die sachliche Zuständigkeit des angerufenen erstinstanzlichen Bezirksgerichts fraglich sei. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Antragstellers berühre dieses Verfahren nicht, weil Gegenstand eine rein gesellschaftsinterne organisatorische Maßnahme sei, die für sich genommen auf die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft keinen Einfluss habe.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses des Rekursgerichts richtet sich nach den Regeln der vom Verfahrenseinleitenden gewählten Verfahrensart. Im Fall der Überweisung vom außerstreitigen in das streitige Verfahren ist der Revisionsrekurs nur bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig, auch wenn erst das Rekursgericht den (allfälligen) Mangel wahrgenommen hat (10 Ob 51/06g mwN). Die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG liegen hier vor, weil das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat.

2. Diese lässt sich zur Frage der Abberufung eines Geschäftsführer-Gesellschafters einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht wie folgt zusammenfassen:

2.1. Mangels eines vertraglichen Rechts des Gesellschafters zur Geschäftsführung - dies wäre etwa bei einer Bestellung nach § 836 ABGB der Fall (Grillberger in Rummel, ABGB³ [2002] § 1190 Rz 11) - kann der Geschäftsführer jederzeit durch Mehrheitsbeschluss der Kapitalgesellschafter im Sinne des § 1020 ABGB abberufen werden (Grillberger in Rummel, ABGB³ [2002] § 1190 Rz 11; Riedler in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB [2005] § 1190 Rz 4;

Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1190 Rz 8; 1 Ob 1052/52 = SZ 26/8; 5 Ob 572/78 = GesRz 1978, 169). Bei Stimmengleichheit entscheidet der Außerstreitrichter (Grillberger, aaO; Riedler, aaO;

Jabornegg/Resch, aaO; 6 Ob 95/64 = JBl 1964, 463).

Nach den Behauptungen des Antragstellers, die sich mit dem im Akt erliegenden Gesellschaftsvertrag decken, wurde der Antragsgegnerin bereits mit diesem Gesellschaftsvertrag die Alleingeschäftsführungs- und Alleinvertretungsbefugnis hinsichtlich der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht eingeräumt. Die dargestellten Grundsätze sind hier also nicht anwendbar.

2.2. Wurde dem Geschäftsführer-Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis unentziehbar eingeräumt, kommt seine Ausschließung nach § 1210 ABGB in Betracht (Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht II4 [1993] 60; Riedler, aaO; 1 Ob 1052/52). Allerdings will die herrschende Lehre (Bachofner/Kastner, Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, JBl 1972, 1; Grillberger, aaO Rz 12; Riedler, aaO; Jabornegg/Resch, aaO) bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1210 ABGB und Einverständnis aller übrigen Gesellschafter die bloße Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis als das gelindere Mittel gewähren. Dem ist zu folgen, ein Mehrheitsbeschluss reicht in diesem Fall aber nicht aus (Grillberger, aaO; Riedler, aaO; vgl auch 3 Ob 554/54 = SZ 27/242).

Der Antragsteller behauptet, der Antragsgegnerin sei nicht eine unentziehbare Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt worden. Dies entspricht auch Punkt 5.2. des Gesellschaftsvertrags, wonach die Gesellschafter unter anderem berechtigt sind, die Geschäftsführungsbefugnis (auch) einem Bevollmächtigten zu übertragen. Daher sind diese Grundsätze, die für den Fall gelten, dass einem Geschäftsführer-Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis unentziehbar eingeräumt wurde, hier nicht anwendbar.

2.3. Bei sonst vertraglich eingeräumter Geschäftsführungsbefugnis eines Gesellschafters - dies kann entweder bereits im Gesellschaftsvertrag oder später durch die übrigen Gesellschafter erfolgen (Grillberger, aaO Rz 11) - kommt eine Entziehung (nur) aus wichtigem Grund in Betracht (Bachofner/Kastner, aaO; Grillberger, aaO; Riedler, aaO; Jabornegg/Resch, aaO).

Zur Vorgangsweise in einem solchen Fall hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt (1 Ob 1052/52), dass es bei einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zur Abberufung des Geschäftsführer-Gesellschafters keines Gerichtsurteils mit rechtsgestaltender Wirkung wie im Fall des § 117 HGB bedarf; vielmehr kann die Abberufung durch Beschluss der übrigen Gesellschafter ausgesprochen werden (ebenso Riedler, aaO; Jabornegg/Resch, aaO Rz 9). Dieser Beschluss muss ebenfalls einstimmig erfolgen (Riedler, aaO; Jabornegg/Resch, aaO), eine Entscheidung des Außerstreitrichters kommt hier nicht in Betracht (vgl Jabornegg/Resch, aaO). Durch die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis kommt es zur gesetzlichen Regelung der Geschäftsführung der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht des § 1188 ABGB (Riedler, aaO Rz 5).

Damit bestünde für eine gerichtliche Entscheidung in diesem Zusammenhang aber überhaupt keine Notwendigkeit, und zwar weder im streitigen noch im außerstreitigen Verfahren. Dies setzt aber voraus, dass den übrigen Gesellschaftern insgesamt mehr Gesellschaftsanteile zukommen als dem Geschäftsführer-Gesellschafter; durch deren einstimmigen Beschluss ist dieser dann nämlich überstimmt. Da die Parteien dieses Verfahrens aber die einzigen Gesellschafter der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht sind, liegt kein einstimmiger Beschluss der übrigen Gesellschafter vor. Auch diese Grundsätze kommen daher nicht zur Anwendung.

3. Der Antragsteller macht einen wichtigen Grund für die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis der Antragsgegnerin geltend. Für den hier vorliegenden Fall der Zweipersonengesellschaft nach bürgerlichem Recht, in dem einem der beiden Gesellschafter vertraglich die Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt wurde, ist gemäß § 1190 ABGB auf die Bestimmungen der §§ 833 bis 842 ABGB zurückzugreifen. Nach § 836 ABGB entscheidet über den „Abgang" des Verwalters der „Richter", also auch über seine Enthebung (vgl Sailer in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB [2005] § 836 Rz 4 f; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann, ABGB³ [2006] § 836 Rz 7 ff). Ob dies im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, war bis 31. 12. 2004 strittig (vgl dazu Egglmeier/Gruber/Sprohar, aaO Rz 10 bzw § 835 Rz 32 ff). Durch das FamErbRÄG 2004 wurde nunmehr aber in § 838a ABGB klargestellt, dass „Streitigkeiten zwischen Teilhabern über die mit der Verwaltung ... der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten" im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist. Durch die Verweisung des § 1190 ABGB unter anderem auf § 838a ABGB gilt dies auch für die Enthebung des Geschäftsführer-Gesellschafters einer Zweipersonengesellschaft nach bürgerlichem Recht.

Damit war aber der erstinstanzliche Beschluss wieder herzustellen. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Klägers das vorliegende Verfahren nicht berührt, ist im Revisionsrekursverfahren (zutreffend) nicht mehr strittig.

Über die im Revisionsrekurs verzeichneten Kosten wird das Erstgericht anlässlich der Erledigung der Sache zu entscheiden haben (§ 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG).

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