OGH 7Ob258/06a

OGH7Ob258/06a20.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Constantin D*****, vertreten durch Mag. Kurt Oberleitner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, und der Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers Barbara D*****, vertreten durch Mag. Thomas Di Vora, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dr. Kurt H*****, vertreten durch Huainigg, Dellacher & Partner Rechtsanwälte OEG in Klagenfurt, wegen EUR 26.162,64 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 28.162,64), über die Rekurse des Klägers und des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 11. Juli 2006, GZ 5 R 60/06t-41, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20. Jänner 2006, GZ 25 Cg 4/04h-29, infolge Berufung des Klägers aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

In der Sache wird dahin zu Recht erkannt, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit insgesamt EUR 6.980,11 (darin enthalten EUR 968,70 USt und EUR 1.168,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dem Kläger, der Eigentümer einer Liegenschaft samt Wohnhaus in K***** war, gehörte auch eine Eigentumswohnung in W*****. Am 8. 5. 1991 schloss er mit seiner Ehefrau, der Nebenintervenientin, zur Regelung der ehelichen Lebensverhältnisse einen Notariatsakt unter anderem folgenden Inhaltes:

„1. Wohnverhältnisse:

1.1 Die gemäß § 90 ABGB bestehende Pflicht zum gemeinsamen Wohnen wird - in Ausübung des Gestaltungsrechtes gemäß § 91 ABGB - vorübergehend (siehe Punkt 4.) aufgehoben.

1.2 Frau Barbara D***** [Nebenintervenientin] erhält das Recht, die dem Herrn Constantin D***** [Kläger] gehörige, derzeit bereits von ihr benützte ... [Eigentumswohnung] ausschließlich für sich zu benutzen.

Diese Wohnungsbenützung erfolgt

1.4 Die Betriebs- und Erhaltungskosten der genannten Wohnung, sowie die unterhalb der Höchstgrenze von S 3.000,-- gelegenen Heiz-, Telefon- und Energiekosten werden alleine vom Kläger getragen.

2. Unterhalt:

2.1 Herr Constantin D***** [Kläger] verpflichtet sich, während des aufrechten Fortbestandes der Ehe, Frau Barbara D***** [Nebenintervenientin] einen monatlichen Unterhalt in der Höhe von S 20.000,-- zu bezahlen.

...

4. Befristung:

Die zu Punkt 1. bis 4. getroffenen Regelungen bleiben solange aufrecht, bis

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind zulässig. Sie sind auch berechtigt. Gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz kann der Oberste Gerichtshof im Umfang der Aufhebung durch das Berufungsgericht selbst in der Sache erkennen. Im Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO (§ 496 ZPO) gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (RIS-Justiz RS0043853; RS0043903; RS0043939). Der Umstand, dass der Kläger die gänzliche Stattgebung seines Begehrens, der Beklagte hingegen dessen gänzliche Abweisung (und daher die Wiederherstellung des Ersturteiles) anstrebt, hindert daher eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache nicht.

Die beiden Rekurse können, da sie dieselben Rechtsfragen relevieren, gemeinsam behandelt werden.

Der Kläger betont zunächst zutreffend, dass zu den vom Berufungsgericht hinsichtlich § 5 Abs 3 KO in Verbindung mit § 195 EO angestellten Erwägungen kein Anlass besteht. Abgesehen davon, dass - wie auch im Rekurs des Beklagten betont wird - von keiner der Parteien ein Vorbringen in diese Richtung erstattet und insbesondere ein Wohnbedürfnis der Nebenintervenientin oder ein Konnex mit der Unterhaltsregelung nicht behauptet wurde, steht fest, dass die Nebenintervenientin die Eigentumswohnung bereits seit Jahren nicht mehr selbst benützt, sondern Dritten (entgeltlich) überlassen hat. Aus § 5 Abs 3 KO sind daher keine entscheidungswesentlichen rechtlichen Konsequenzen für den vorliegenden Rechtsstreit abzuleiten.

Der Kläger wendet sich weiters gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, das (obligatorische) Wohnungsbenützungsrecht der Nebenintervenientin sei im Konkurs über das Vermögen des Klägers der Bestimmung des § 14 KO unterlegen. Gegen diese Rechtsansicht, die sich auf oberstgerichtliche Judikatur stützt (7 Ob 6/99d, JBl 2000, 375 = ZIK 2000, 24 = RZ 2000, 69 = wobl 2001, 264; 6 Ob 273/01t, ZIK 2002/80, 60; RIS-Justiz RS0115899), wird im Rekurs im Wesentlichen vorgebracht, es wäre dennoch möglich gewesen, das Wohnungsbenützungsrecht der Nebenintervenientin der Käuferin der Eigentumswohnung zu überbinden. Entscheidungsrelevant ist allerdings nicht diese Möglichkeit, sondern die Frage, ob der Beklagte als Masseverwalter dazu verpflichtet gewesen wäre. Dies ist im Hinblick darauf, dass sich die Nebenintervenientin, der gemäß § 14 Abs 1 KO allenfalls eine Geldforderung in Höhe des Schätzwertes des Wohnungsbenützungsrechtes zustand, am Konkursverfahren nicht beteiligt hat, zu verneinen. Ein nicht verbüchertes Nutzungsrecht (Wohnrecht) ist gegenüber den Konkursgläubigern nicht wirksam (7 Ob 6/99d; 6 Ob 273/01t; RIS-Justiz RS0115899). Zutreffend hat schon das Berufungsgericht erkannt, dass insbesondere mangels einer entsprechenden Forderungsanmeldung der Nebenintervenientin eine Pflichtverletzung des Beklagten im Sinne des § 81 Abs 3 KO nicht in Betracht kommt. Ausgehend von den vom Berufungsgericht gebilligten Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes ist dem Beklagten der

ihm obliegende (8 Ob 110/02p, AnwBl 2003/7858, 101 = RdW 2003/31, 24

= ZIK 2002/238, 170) Beweis, dass er die nach § 1299 ABGB geforderte

objektive Sorgfalt bei der Führung seines Amtes (hier bei der Veräußerung der Eigentumswohnung) eingehalten hat, gelungen. Er kann daher zur Haftung für einen allfälligen Schaden der Nebenintervenientin nicht herangezogen werden.

Die Bedenken des Berufungsgerichtes, diese Rechtsansicht würde den Kläger überraschen, sind aus folgenden Erwägungen nicht begründet:

Wie der Beklagte in seinem Rekurs richtig bemerkt, hat er in erster Instanz ein entsprechendes Vorbringen erstattet und insbesondere ausdrücklich eingewendet, dass die Nebenintervenientin im Konkursverfahren weder eine Forderung angemeldet noch Aus- oder Absonderungsrechte geltend gemacht habe. Dies allein kann zwar, weil die durch die ZVN 2002 eingefügte Bestimmung des § 182a ZPO die Erörterungspflichten der Gerichte erweitert hat (7 Ob 83/05i mwN; RIS-Justiz RS0120056 und RS0120057), eine Überraschungsentscheidung noch nicht ausschließen, da eine Partei auch rechtliche Gesichtspunkte, die von der Gegenseite bereits ins Spiel gebracht worden waren, übersehen oder für unerheblich halten kann. Ein diesbezüglicher Verfahrensmangel ist allerdings nur dann entscheidungserheblich, wenn die betroffene Partei, über die relevante Rechtsansicht informiert, ein Vorbringen erstattet, das - zumindest abstrakt - geeignet ist, zu einem anderen Verfahrensergebnis zu führen (vgl 1 Ob 215/05g, RIS-Justiz RS0120056[T2] . Nun widerspricht der Kläger zwar in seiner Rekursbeantwortung der im Rekurs des Beklagten vertretenen Meinung, die Rechtsansicht, der Anspruch der Nebenintervenientin sei unter § 14 KO zu subsumieren gewesen, habe ihn nicht überraschen können. Er begnügt sich allerdings damit, diese (wie bereits erwähnt, durch oberstgerichtliche Judikatur gedeckte) Ansicht in Frage zu stellen, ohne aber auf tatsächliche Umstände hinzuweisen, die vorzubringen er übersehen hätte. Der Kläger hält demnach offenbar selbst in diesem Zusammenhang keine Verfahrensergänzung für erforderlich. Er bringt aber auch kein rechtliches Argument vor, das die betreffende Rechtsansicht widerlegen könnte. Es besteht daher keine Veranlassung, die Sache unter dem Blickpunkt des § 14 KO ergänzend zu erörtern. Vielmehr erweist sich unter diesem Aspekt der Einwand des Beklagten, die Sache sei im Sinne einer Klagsabweisung spruchreif, als berechtigt.

Damit erübrigt sich die vom Berufungsgericht zur Tatfrage der Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft für erforderlich erachtete Verfahrensergänzung. Auch die weiteren Einwände des Beklagten, insbesondere dass vorrangige Pfandrechte einer Berücksichtigung eines Wohnungsbenützungsrechtes der Nebenintervenientin entgegengestanden seien und diese daher gar nicht geschädigt worden sei sowie die Frage, ob ein „rein familienrechtlich eingeräumtes" Wohnungsbenützungsrecht bei fehlendem Wohnbedarf nicht jedenfalls erlischt, können unerörtert bleiben.

Entsprechend dem Begehren des Beklagten ist daher die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes spruchgemäß dahin abzuändern, dass das klageabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 50 Abs 1 und 41 ZPO. Obgleich (auch) der Kläger eine Beseitigung des aufhebenden Beschlusses des Berufungsgerichtes erreicht hat, ist er letztlich mit seinem Klagebegehren vollständig unterlegen und daher gegenüber dem Beklagten zur Gänze kostenersatzpflichtig.

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