OGH 2Ob253/06d

OGH2Ob253/06d30.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sch*****, vertreten durch Dr. Rüdiger Hanifle, Rechtsanwalt in Zell am See, gegen die beklagte Partei Ernestine M*****, vertreten durch Dr. Christian Obrist, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen (restlich) EUR 6.131,19 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 4. Juli 2006, GZ 4 R 114/06x-78, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Endurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 2. März 2006, GZ 3 Cg 203/97b-74, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Sowohl die Revision der beklagten Partei als auch die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Beklagte unterfertigte am 9. 10. 1995 ein Kaufvertragsformular der klagenden Partei über den Kauf einer Kaffee- und einer Mahlmaschine um einen Gesamtkaufpreis von (brutto) S 186.516 (EUR 13.554,65). Die Urkunde weist als Käufer die „Firma Cafe Sch*****" auf, wobei sich in der für den Käufer vorgesehenen Rubrik auch ein Firmenstempel einer „Tabak-Trafik M***** OHG" befand. Die klagende Partei begehrte mit der am 12. 9. 1997 eingebrachten Klage von der Beklagten zunächst die Zahlung des Kaufpreises für diese Maschinen mit der Begründung, mit dieser einen Kaufvertrag abgeschlossen zu haben. In der Folge (ON 4) brachte sie vor, die Beklagte habe als Vertreterin ohne Vollmacht den Kaufvertrag abgeschlossen, der Geschäftsherr habe das Handeln nicht genehmigt. Gemäß §§ 1016 ff ABGB hafte die Beklagte daher als falsus procurator für den Klagsbetrag in Form des „Erfüllungsschadens". Der der klagenden Partei entstandene Schaden betrage durch den Entfall der Handelsspanne rund S 120.000 (EUR 8.720,74), weshalb das Eventualbegehren gestellt wurde, die Beklagte sei schuldig, den Betrag von S 120.000 samt 9,5 % Zinsen ab 2. 3. 1998 zu bezahlen. Schließlich erfolgte mit Schriftsatz ON 6 eine Einschränkung des Zinsenbegehrens (zum Klagehauptbegehren) von ursprünglich 9,5 % seit 31. 12. 1995 auf 9,25 % bis 30. 3. 1996 und 6,5 % seit 31. 3. 1996. Im ersten Rechtsgang wurde vom Obersten Gerichtshof mit Teilurteil vom 11. 3. 1999, 2 Ob 47/99x-18 (RdW 1999, 520), das Hauptklagebegehren abgewiesen. Hinsichtlich des eventualiter erhobenen Zahlungsbegehrens erachtete der Oberste Gerichtshof hingegen in dieser Entscheidung das Begehren auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens nach Art 8 Nr 11 EVHGB dem Grunde nach für berechtigt, sodass im zweiten Rechtsgang nur mehr die Höhe dieses Anspruches zu erörtern und zu prüfen blieb (S 11 und 12 der OGH-Entscheidung). Im Übrigen kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt dieser Vorentscheidung verwiesen werden. Im zweiten Rechtsgang verpflichtete das Erstgericht die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 6.131,19 samt 5 % Zinsen vom 2. 3. 1998 bis 31. 7. 2002, 9,5 % Zinsen vom 1. 8. 2002 bis 30. 6. 2003 sowie 9,47 % Zinsen seit 1. 7. 2003; das Mehrbegehren von EUR 2.589,55 sA sowie das Zinsenmehrbegehren wurden (rechtskräftig) abgewiesen. Das Erstgericht stellte hiezu - ausgehend von den Ausführungen eines beigezogenen Sachverständigen - (zusammengefasst) fest, dass der Schaden für das klägerische Unternehmen durch Entfall der Handelsspanne auf beiden gekauften Maschinen S 84.367 (EUR 6.131,19) betrug. Der Geschädigte habe bei der Berechnung des Nichterfüllungsschadens die Wahl zwischen abstrakter Berechnung (Vergleich mit dem Marktpreis) und konkreter Berechnung (Abschluss eines Deckungsgeschäftes), wobei sich die Klägerin („soweit erkennbar") für die abstrakte Berechnung, wofür § 1332 ABGB und § 376 Abs 2 HGB in Betracht kämen, entschieden habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise, und zwar nur hinsichtlich des Zinsenbegehrens Folge (5 % Zinsen aus EUR 6.131,19 vom 2. 3. 1998 bis 31. 7. 2002 sowie 6,5 % Zinsen seit 1. 8. 2002); das (Zinsen-)Mehrbegehren von weiteren 1,5 % vom 2. 3. 1998 bis 31. 7. 2002 wurde (wiederum rechtskräftig) abgewiesen. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes (insbesondere zur Handelsspanne laut Sachverständigengutachten) als „unbedenklich und fehlerfrei". Dem Einwand der Berufungswerberin, die Klägerin habe keinen Versuch der Verwertung der Kaffeemaschine unternommen und damit ihre Schadensminderungspflicht verletzt, weil bei einem erzielbaren Kaufpreis zwischen EUR 5.000 und EUR 6.300 kein oder nur ein sehr geringer Schaden entstanden wäre, hielt das Berufungsgericht die Rechtssache von Franz Bydlinski in Klang IV/2² 548 entgegen, wonach beim Verkauf gewöhnlicher Handelsware davon auszugehen sei, dass grundsätzlich keine Warenknappheit bestehe und der Kaufmann von seinem Lager oder aufgrund zusätzlicher Bestellung bei seinem Produzenten oder Großhändler an jeden Interessenten liefern könne, der sich wegen der betreffenden Ware an ihn wende, sodass der Verkauf der gegenständlichen Maschinen an einen anderen Käufer den gegenständlichen Schaden nicht gemindert hätte. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten seien kein sachliches Kriterium zur Ermittlung der Handelsspanne der klagenden Partei. Lediglich im Zinsenpunkt gab es der Berufungswerberin insoweit Folge, als die Klägerin ihr Zinsenbegehren bereits im ersten Rechtsgang (Schriftsatz ON 6) auf - soweit für das Eventualbegehren maßgeblich - 6,5 % eingeschränkt und eine Ausdehnung anlässlich des Inkrafttretens des ZinsRÄG BGBl I 2002/118 per 1. 8. 2002 nicht vorgenommen habe.

Das Berufungsgericht sprach weiters zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Haftung der Beklagten für den Ersatz des Nichterfüllungsschadens bereits durch das Höchstgericht bindend ausgesprochen sei und für die Schadensberechnung keine Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung entscheidungswesentlich gewesen wären.

Über Abänderungsantrag nach § 508 ZPO änderte das Berufungsgericht diesen Ausspruch dahin ab, dass die Revision doch zulässig sei, weil „zum Anspruch des Kaufmanns auf entgangenen Gewinn gegen einen dadurch in seiner Existenz gefährdeten Nichtkaufmann keine unmittelbar anwendbare oberstgerichtliche Judikatur aufzufinden ist, ebenso zur Rückwirkung des § 1333 Abs 2 ABGB idF ZinsRÄG BGBl I 2002/118 auf streitanhängige Schuldverhältnisse".

In der auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit gestützten ordentlichen Revision begehrt die Klägerin die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, welche jedoch verspätet ist. Gemäß § 507a Abs 3 Z 1 ZPO wäre diese beim Berufungsgericht einzubringen gewesen; tatsächlich wurde sie jedoch an das Erstgericht adressiert (wo sie am 6. 11. 2006 einlangte), von dort „im Nachhang" dem Obersten Gerichtshof übermittelt (wo sie am 8. 11. 2006 einlangte) und von dort schließlich an das Berufungsgericht weitergeleitet, wo sie am 10. 11. 2006, also nach Ablauf der am 3. 11. 2006 endenden Notfrist des § 507a Abs 1 ZPO einlangte. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber diese Frist nur gewahrt, wenn bei einer falschen Adressierung das Rechtsmittel noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht eingelangt wäre (RIS-Justiz RS0041608; RS0041653). Trotz fristgerechter Postaufgabe am letzten Tag kann die Revisionsbeantwortung damit nicht als rechtzeitig angesehen und behandelt werden.

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, an welchen der Obersten Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor; gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof im Falle der Zurückweisung einer ordentlichen Revision auf die Zurückweisungsgründe beschränken.

In der Revision werden folgende Rechtsfragen releviert:

a) Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zur Verneinung einer Schadensminderungspflicht sei unrichtig; die diesbezügliche Lehrmeinung von Franz Bydlinksi „überholt und bedenklich". Eine „gesicherte Rechtsprechung" gebe es hiezu nicht. Insoweit liege auch eine einen wesentlichen Verfahrensmangel begründende Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht sowie Nichtbefassung der Mängelrüge der Berufungswerberin durch das Berufungsgericht vor.

b) Ebenso sei die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten seien kein sachliches Kriterium zur Ermittlung der klägerischen Handelsspanne, unrichtig. Da es sich bei der Anschaffung einer ausschließlich auf einen größeren Gastronomiebetrieb ausgerichteten Kaffeemaschine samt dazugehöriger Mahlmaschine (gemessen am Angestelltenbezug der Beklagten) um ein „unsinniges, unerschwingliches, unverhältnismäßiges und existenzgefährdendes" Rechtsgeschäft gehandelt habe, hätte schon durch das Erstgericht das Mäßigungsrecht des § 1336 Abs 2 ABGB analog angewendet werden müssen, weil nach der Rechtsprechung hiebei auch auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Schuldners Bedacht zu nehmen sei. In der von der Beklagten erfolgten Bestreitung des Anspruches liege auch ein Mäßigungsbegehren nach § 1336 Abs 2

ABGB.

c) Schließlich sei auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass § 1333 Abs 2 ABGB auch auf Schuldverhältnisse anzuwenden sei, die vor dem 1. 8. 2002 begründet worden wären, unrichtig. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätten der klagenden Partei daher nicht mehr als 5 % Zinsen für den gesamten Verzugszeitraum, also auch nach dem 1. 8. 2002 zugesprochen werden dürfen.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

zu a):

Die Frage einer allfälligen Vernachlässigung der Schadensminderungspflicht ist nicht von Amts wegen zu prüfen; sie muss vielmehr durch entsprechende Einwendungen des beklagten Schädigers zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden (RIS-Justiz RS0027156; RS0027129). Eine derartige Einwendung hat die beklagte Partei tatsächlich jedoch nicht erhoben. Im zweiten Rechtsgang hatte die Beklagte lediglich die Anschaffungskosten der Maschinen von einer Tochtergesellschaft der Klägerin an diese als „weit überhöht gerügt", weiters eine „Ausbeutung" der Beklagten durch „dieses Missverhältnis" als „Lockvogelangebot durch wucherisch überhöhte Kaufpreise" seitens des Vertreters der Klägerin, dem „bei seiner Vorgangsweise Arglist vorzuwerfen" sei, sodass das „gegenständliche Rechtsgeschäft nicht nur nichtig wegen Sittenwidrigkeit iSd § 879 Abs 1, sondern auch nichtig wegen Wuchers gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB" sei und „weil es gegen die §§ 1 ff des Wuchergesetzes verstößt"; schließlich sei die Beklagte „vom klägerischen Vertreter über den tatsächlichen Wert von Leistung und Gegenleistung arglistig in Irrtum geführt" bzw „über die Hälfte verkürzt" worden (Protokoll ON 20). Daraus kann jedoch - insgesamt - keinesfalls der bereits (jedoch erstmals) in der Berufung relevierte und nunmehr in der Revision wiederholte Einwand auch einer Verletzung der Schadensminderungspflicht (ausschließlich) dahingehend, die Klägerin habe „keinen Versuch der Verwertung der klagsgegenständlichen Espressomaschine gemacht", herausgelesen und abgeleitet werden. Soweit sie (in der Berufung) diese Feststellung aus der Aussage des klägerischen Geschäftsführers abzuleiten versucht(e), ist ihr entgegenzuhalten, dass nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ein entsprechendes Vorbringen nicht durch Hinweis auf allfällige Beweisergebnisse ersetzt werden kann (8 Ob 19/04h). Dass das Berufungsgericht dennoch auf diesen Einwand einging, ändert nichts am Verstoß desselben gegen das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO; für das Revisionsverfahren § 504 Abs 2 ZPO). Auf die (angebliche) Überholtheit einer Literaturstelle aus dem schadenersatzrechtlichen Fachschrifttum braucht damit ebenso wenig näher eingegangen zu werden wie die daraus abgeleitete Mangelhaftigkeit des Verfahrens schlagend werden kann; dies bedarf im Übrigen gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner weiteren Begründung.

zu b):

Auch die Mäßigung einer Konventionalstrafe nach § 1336 Abs 2 ABGB erfolgt nicht von Amts wegen, sondern bedarf der Einwendung (Danzl in KBB, ABGB Rz 10 zu § 1336 mwN). Eine solche machte die Klägerin hier jedoch ebenfalls nicht geltend. Nur wenn aber eine Konventionalstrafe Gegenstand des Verfahrens gewesen wäre, könnte konsequenterweise das Bestreiten dieses Anspruches (also gerichtet auf Zahlung einer Konventionalstrafe) unter Umständen auch das Verlangen nach Mäßigung beinhalten (vgl RIS-Justiz RS0032161; RS0032167).

zu c):

Berechtigung kommt auch den Ausführungen des Rechtsmittels zum Zinsenpunkt nicht zu. Die Änderungen über die gesetzlichen Zinsen nach §§ 1333 ff ABGB durch das ZinsRÄG BGBl I 2002/118 traten nach dessen Art VI mit 1. 8. 2002 in Kraft. In den Materialien (RV 1167 BlgNR 21. GP, 18) heißt es hiezu näher:

„Übergangsbestimmungen werden nicht vorgesehen, sodass die neuen Regelungen nach ihrem Inkrafttreten auch auf Forderungen Anwendung finden werden, die schon vorher begründet worden sind. Insbesondere sollen ab diesem Datum auch die neuen - höheren - gesetzlichen Zinsen gelten. Ist ein Unternehmer mit der Zahlung einer Geldforderung, für die kein bestimmter Zinssatz vereinbart wurde, schon vor dem 1. August 2002 in Verzug geraten, so ist die Forderung - sofern es sich um ein beiderseitiges Handelsgeschäft handelt (§ 352 HGB in der geltenden Fassung) - vom Eintritt der Fälligkeit an bis einschließlich 31. Juli 2002 mit fünf vom Hundert und ab dem 1. August 2002 mit den gesetzlichen Zinsen des § 1333 Abs 2 ABGB zu verzinsen."

Zu 8 Ob 25/03i (RdW 2004, 20) hat der Oberste Gerichtshof daher unter ausdrücklicher Berufung auf diese Materialien die Anwendung der neuen Zinsenregel auch auf bereits vor dem 1. 8. 2002 entstandene Ansprüche ausdrücklich bejaht. Entgegen dem geänderten Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes kann damit auch nicht davon gesprochen werden, dass keine anwendbare oberstgerichtliche Judikatur hiezu auffindbar gewesen wäre. Die Entscheidung des Berufungsurteils steht mit dieser Rechtslage im Einklang.

Die Revision ist damit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage insgesamt als unzulässig zurückzuweisen. Ein Kostenzuspruch an die klagende Partei für deren Revisionsbeantwortung scheitert an der bereits weiter oben begründeten Verspätung ihrer Rechtsmittelgegenschrift.

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