OGH 3Ob229/06g

OGH3Ob229/06g30.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. mj. Michael D*****, geboren am 14. März 1994, und 2. mj. Markus D*****, geboren am 20. Februar 1996, beide Schüler, beide vertreten durch ihre Mutter Britta N***** U.S.A., vertreten durch Dr. Mario Noe-Nordberg, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Thaya als Verfahrenshelfer, wider die verpflichtete Partei Helmut D*****, vertreten durch Dr. Franz Wielander, Rechtsanwalt in Gmünd, wegen Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 18. August 2006, GZ 1 R 171/06m, 172/06h, 173/06f-29, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Waidhofen an der Thaya vom 27. Juni 2005, GZ 1 E 607/04f-13, vom 13. Februar 2006, GZ 1 E 607/04f-19, und vom 20. März 2006, GZ 1 E 607/04f-24, bestätigt wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs betreffend die erstinstanzlichen Beschlüsse ON 13 und 19 wird zurückgewiesen.

Im übrigen Umfang wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der vom Rekursgericht bestätigte erstgerichtliche Beschluss ON 24 aufgehoben. Dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Exekutionsverfahrens.

Text

Begründung

Die durch ihre Mutter vertretenen beiden Betreibenden sind die minderjährigen Kinder des Verpflichteten. Vom Berufungsgericht für den 13. richterlichen Bezirk in und für Hillsborough County, Staat Florida (im Folgenden nur Berufungsgericht Florida) wurde im Verfahren zwischen Britta I. D*****, geborene Britta I. N*****, und dem Verpflichteten zur Geschäftszahl („Case NO.") 98-7150 mit der Gerichtsentscheidung in der „endgültigen Verhandlung" vom 9. November 1998 u.a. entschieden, dass die Ehe aufgelöst ist und die (nun geschiedene) Ehefrau das vorläufige Sorgerecht für die beiden Kinder erhält. Der Beschluss über die „Kinderunterstützung" (Kindesunterhalt) wurde vorbehalten. Am 17. Juni 1999 fasste das Berufungsgericht Florida u.a. den Beschluss, dass der „ehemalige Gatte" 993,01 US-Dollar (USD) monatlich als „Kinderunterstützung" entsprechend den Richtlinien, gegründet in Kapitel 61 der Floridagesetze bezahlen soll, und zwar rückwirkend per 9. Juni 1998 (Beilage E des am 1. April 2004 dem Erstgericht mit einem Ersuchen des BMJ iSd § 10 Abs 3 und 4 Auslandsunterhaltgesetz BGBl 1990/160 idgF [im Folgenden nur AuslandsunterhaltsG] eingelangten Urkundenkonvoluts).

Die Kinder beantragten durch den für sie in der Folge bestellten Verfahrenshelfer am 10. Dezember 2004, das Urteil des Berufungsgerichts Florida vom 17. Juni 1999 in Österreich für vollstreckbar zu erklären.

Das Erstgericht gab diesem Antrag gemäß § 79 Abs 2 EO statt (ON 6). Über Rekurs des Verpflichteten hob das Rekursgericht am 7. Juni 2005 diesen Beschluss zur Verfahrensergänzung auf (ON 12); es bejahte die erforderliche Gegenseitigkeit aufgrund der gemäß § 1 Abs 3 AuslandsunterhaltsG erlassenen Verordnung des BMJ vom 29. Juni 1990 nach § 1 Abs 3 des AuslandunterhaltsG betreffend die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) BGBl 1990/479 (im Folgenden nur GegenseitigkeitsVO BGBl 1990/479) und die Zuständigkeit des amerikanischen Titelgerichts, verneinte somit den Abweisungsgrund nach § 80 Z 1 EO wegen des Aufenthalts der Kinder in Florida und auch den vom Verpflichteten relevierten Versagungsgrund nach § 80 Z 2 EO (fehlende Zustellung der verfahrenseinleitenden Ladung oder Verfügung zu eigenen Handen), weil sich der Verpflichtete in der Folge in das ausländische Verfahren eingelassen habe. Damit sei auch der Mangel des fehlenden Anschlusses von Übersetzungen der fremdsprachigen Schriftstücke geheilt. Schließlich liege in der bekämpften Unterhaltshöhe auch nicht der Versagungsgrund der Verletzung des ordre public vor (§ 81 Z 3 EO). Die Richtigkeit des ausländischen Titels sei nicht zu überprüfen. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung sei aber verbesserungsbedürftig, weil keine Bestätigung des ausländischen Titelgerichts über die Rechtskraft oder Vollstreckbarkeit seiner Entscheidung vorgelegt worden sei. Das Erstgericht stellte mit Beschluss vom 27. Juni 2005 den Exekutionsantrag ohne Fristsetzung zur Verbesserung zurück (ON 13). Am 31. Jänner 2006 legten die Betreibenden das Urteil des Berufungsgerichts Florida vom 9. November 1998 über die Auflösung der Ehe samt Übersetzung sowie eine mit 6. November 2005 datierte Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit des Beschlusses vom 17. Juni 1999 vor. Daraufhin stellte das Erstgericht am 13. Februar 2006 (ON 19) den Antrag auf Vollstreckbarerklärung neuerlich zur Verbesserung (2.Verbesserungsauftrag) zurück, „da die Bestätigung der Vollstreckbarkeit oder Rechtskraft fehle". Denn in der vorgelegten Bescheinigung sei nur die ähnliche Verfahrensnummer „98-DR-007150" enthalten und der Beschluss vom 17. Juni 1999 nicht vorgelegt worden. Am 9. März 2006 legten die Betreibenden neuerlich die Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit unter Anschluss der Entscheidung vom 17. Juni 1999 samt Übersetzung vor (ON 23).

Mit Beschluss vom 20. März 2006 erklärte das Erstgericht das Urteil des Berufungsgerichts Florida vom 17. Juni 1999 für in Österreich vollstreckbar (ON 24).

Der Verpflichtete erhob gegen die beiden Verbesserungsaufträge ON 13 und 19 sowie gegen den Beschluss ON 24 den gemeinsam ausgeführten Rekurs ON 26.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Zur Bestätigung des 1. Verbesserungsauftrags verwies es auf seine im Aufhebungsbeschluss ON 12 gegebene Begründung. Auch der Rekurs gegen den

2. Verbesserungsauftrag sei nicht berechtigt. Auch wenn in der E 3 Ob 75/01b die Unzulässigkeit weiterer Verbesserungsaufträge ausgesprochen worden sei, gelte dies nur für den Fall der Nichtbefolgung des Verbesserungsauftrags, nicht aber dann, wenn die Betreibenden dem Auftrag ohnehin nachgekommen seien und das Erstgericht aus einem anderen Grund, also aufgrund eines anderen Parteifehlers, einen neuerlichen Verbesserungsauftrag erteilt habe. Zu den relevierten Gründen für eine Versagung der beantragten Vollstreckbarerklärung des ausländischen Exekutionstitels führte die zweite Instanz im Wesentlichen Folgendes aus:

Ungeachtet der unterschiedlichen Geschäftszahlen („98-7150" versus „98-DR-007150") und der verkürzten Bezeichnung des Titelgerichts in der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit sei zur Vermeidung eines nicht gebotenen „allzu hohen Formalismus'" von einem ordnungsgemäßen Nachweis der Vollstreckbarkeit auszugehen. Allfällige Mängel bei der Ladung oder Zustellung der verfahrenseinleitenden Verfügung, wie sie vom Verpflichteten mit der fehlenden Eigenhandzustellung und dem Mangel an Übersetzungen begründet werden, begründeten keinen Versagungsgrund nach § 80 Z 2 EO bzw. § 81 Z 1 und 3 EO, wenn sich die Partei dennoch - wie hier - in das ausländische Verfahren eingelassen habe. Der Rekurswerber behaupte selbst Zustellungen an seinen damaligen österr. Rechtsvertreter. Er habe dem amerikanischen Gericht seinen Rechtsvertreter namhaft gemacht. Damit könne aber auch kein Verstoß gegen den ordre public vorliegen. Eine Unregelmäßigkeit des Verfahrens darin, dass der Verpflichtete nicht durch einen Anwalt des US-Bundesstaates Florida vertreten worden sei, sei nicht ersichtlich. Daraus könne nicht abgeleitet werden, dass in der ursprünglichen Ladung innerhalb von 20 Tagen nach Zustellung eine schriftliche Verteidigung aufgetragen worden sei, widrigenfalls ein Versäumungsurteil ergehe. Das vorliegende Erkenntnis sei kein Versäumungsurteil, sodass offensichtlich die Frist gewahrt worden sei. Im Übrigen habe das amerikanische Gericht für den 9. November 1998 eine „endgültige Verhandlung" anberaumt und schließlich vor dem gegenständlichen Erkenntnis eine Verhandlung am 16. Juni 1999 durchgeführt und die Ladung dazu dem Rechtsvertreter des Verpflichteten am 25. Mai 1999 geschickt. Das Erkenntnis selbst sei mit 17. Juni 1999 datiert. Der Verpflichtete habe also durchaus Gelegenheit gehabt, seinen Standpunkt im Prozess vor dem amerikanischen Gericht darzustellen. Mit der Einlassung in das Verfahren sei auch der Mangel zufolge fehlender Übersetzungen geheilt. Auch wenn iSd oberstgerichtlichen Rsp das Übersetzungserfordernis der Wahrung des rechtlichen Gehörs diene (RIS-Justiz RS0110261, RS0110260), sei der Mangel geheilt, wenn der Antragsgegner den Inhalt der in fremder Sprache abgefassten Schriftstücke verstanden habe oder ihm (iS einer von Matscher im Schrifttum vertretenen Auffassung) die entsprechende Kenntnis zugemutet werden könne. Dies treffe jedenfalls dann zu, wenn dem ausländischen Gericht (in dessen Sprache) die Bevollmächtigung eines Rechtsvertreters angezeigt werde. Mit den Rekursausführungen zur fehlenden Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners werde kein Verstoß gegen den österr. ordre public durch den ausländischen Unterhaltstitel zur Darstellung gebracht, liege doch im unterschiedlichen Ausmaß von Unterhaltsbeiträgen kein mit der österr. Rechtsordnung völlig unvereinbarer Rechtsgedanke. Auf die Rekursausführungen zu der nach Ansicht des Rekurswerbers unzulässigen Zustellung der Schriftstücke des ausländischen Gerichts durch die Post (also nicht im Rechtshilfeweg unter Einschaltung österr. Behörden) sei wegen der Eventualmaxime des § 84 Abs 2 Z 2 EO nicht einzugehen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Verpflichtete die Abänderung der Rekursentscheidung dahin, dass die vom Rekursgericht bestätigten Verbesserungsaufträge ON 13 und 19 ersatzlos behoben werden und der Antrag der Betreibenden auf Vollstreckbarerklärung abgewiesen werde. Hilfsweise wird die Aufhebung zur Einleitung eines „Unterhaltsfestsetzungsverfahrens nach inländischem Recht iSd AuslandsunterhaltsG" beantragt. Der Revisionsrekurs ist teilweise absolut unzulässig, teilweise aber entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig und iS einer Aufhebung der Vollstreckbarerklärung des ausländischen Exekutionstitels zur Verfahrensergänzung in erster Instanz auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Der Revisionsrekurs gegen die Beschlüsse, womit den Betreibenden Verbesserungsaufträge erteilt wurden, ist absolut unzulässig:

Verbesserungsaufträge können nach § 84 Abs 1 zweiter Satz ZPO durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden, was nach herrschender Rsp dahin ausgelegt wird, dass ein Verbesserungsauftrag überhaupt nicht bekämpft werden kann (RIS-Justiz RS0036243). Dies gilt auch für Verbesserungsaufträge nach § 54 Abs 3 EO (3 Ob 165/06w mwN). Im Übrigen liegen auch unanfechtbare Konformatsentscheidungen vor (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 78 EO). Anfechtbar ist allerdings die dem Verbesserungsverfahren nachfolgende Sachentscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung. Erst durch diese tritt die für die Rechtsmittelzulässigkeit erforderliche Beschwer ein. Bei der folgenden Behandlung des Revisionsrekurses gegen die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung wird der relevierte Umstand zu behandeln sein, ob ein Verbesserungsauftrag zulässig war. II. In prozessualer Hinsicht ist vorauszuschicken, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in Unterhaltssachen schon nach dem Gesetz (§ 58 Abs 1 JN) im Dreifachen der Jahresleistung besteht, sodass eine Bewertung nicht erforderlich war (zuletzt 3 Ob 170/06f, 171/06b; RIS-Justiz RS0042366). Infolge der nach dem ausländischen Exekutionstitel gegebenen Gesamtgläubigerschaft der Kinder ist daher das 36-fache des geforderten monatlichen Unterhaltsbetrags von 993,01 USD der maßgebliche Streitwert, also mehr als 20.000 EUR, sodass kein Verfahren nach § 528 Abs 2a ZPO iVm § 78 EO erforderlich ist. III. Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers war der Antrag auf Vollstreckbarerklärung weder wegen fehlender Vorlage einer Vollstreckbarkeitsbestätigung des ausländischen Gerichts noch wegen Unzulässigkeit eines weiteren Verbesserungsauftrags abzuweisen:

Auch im Verfahren über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Exekutionstitel gilt die Bestimmung des § 54 Abs 3 EO (§ 83 Abs 2 EO; Jakusch in Angst, EO, § 83 Rz 3;

Burgstaller/Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 83 Rz 12). Auf die E 3 Ob 75/01b kann sich der Revisionsrekurswerber zur Begründung der Unzulässigkeit des 2.Verbesserungsauftrags nicht berufen. Danach ist zwar ein weiterer Verbesserungsauftrag, selbst wenn im 1.Verbesserungsauftrag keine Frist gesetzt wurde, unzulässig, wenn es um denselben zu verbessernden Mangel geht. Dass dies hier aber nicht der Fall war, hat das Rekursgericht zutreffend erkannt und begründet. Einer weiteren Stellungnahme zu diesem Thema bedarf es nicht.

IV. Zu den unstrittigen Voraussetzungen einer Vollstreckbarerklärung eines amerikanischen Unterhaltstitels:

1. Ein Staatsvertrag zwischen Österreich und den USA über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Titeln existiert nicht (dazu Czernich, Österreichisch-Amerikanisches Zivilprozessrecht, in JBl 2002, 613 [623]). Nach den Bestimmungen des AuslandsunterhaltsG können aber amerikanische Unterhaltstitel in Österreich unter gewissen Voraussetzungen vollstreckt werden. Die Gegenseitigkeit (§ 79 Abs 2 EO) mit dem Bundesstaat Florida ist aufgrund der gemäß § 1 Abs 3 AuslandsunterhaltsG erlassenen GegenseitigkeitsVO BGBl 1990/479 verbürgt.

2. Das Gericht in Florida ist aus der Sicht Österreichs (des Anerkennungsstaates) entscheidungsbefugt, wenn dies durch eine spiegelbildliche Anwendung des eigenen internationalen Zuständigkeitsrechts der Fall wäre (vgl. 1 Ob 21/04a = SZ 2004/174). Dies ist in Unterhaltssachen Minderjähriger zu bejahen (siehe § 110 JN). Die betreibenden Kinder haben ihren Aufenthalt in den USA und sind (auch) österr. Staatsbürger. Die internationale Zuständigkeit des Gerichts in Florida ist nicht zu bezweifeln.

3. Auf die allfällige Unzulässigkeit der Zustellung von Gerichtsstücken des amerikanischen Gerichts durch die Post an den Verpflichteten bzw. seinen Rechtsvertreter in Österreich, also ohne Einschaltung österr. Behörden im Rechtshilfeweg, kommt der Revisionsrekurswerber nicht mehr zurück, sodass die im Gesetz nicht geregelte und vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschiedene Frage, ob die Zustellung von US-Gerichten an Personen mit Wohnsitz in Österreich aus dem Grund verboten ist, weil das Zustellwesen in Österreich als hoheitlicher Akt angesehen wird (dazu Czernich aaO 629) und daher die Postzustellung als Eingriff in die österr. Souveränität angesehen werden könnte (vgl. zu den in Deutschland vertretenen Ansichten Schlosser, Die internationale Zustellung zwischen staatlichem Souveränitätsanspruch und Anspruch der Prozesspartei auf ein faires Verfahren, in FS Matscher 387 [389 f]) nicht näher untersucht werden. Die Ansicht der zweiten Instanz, dass der Verpflichtete wegen der Eventualmaxime den entsprechenden Einwand schon in seinem ersten Rekurs gegen die Vollstreckbarerklärung des Erstgerichts vom 28. Dezember 2004 ON 6 hätte erheben müssen, wird nicht bekämpft.

V. Zur entscheidungswesentlichen Frage der Heilung von Verfahrensmängeln im ausländischen Titelverfahren infolge Prozesseinlassung des Verpflichteten (dort Beklagten bzw. Antragsgegner):

Der Revisionsrekurswerber releviert die Abweisungs- bzw. Versagungsgründe gemäß § 80 Z 2, § 81 Z 1 und Z 3 EO und begründet dies mit dem Fehlen einer Eigenhandzustellung des verfahrenseinleitenden Schritts (im Hotelzimmer in Florida habe seine [geschiedene] Frau das für ihn bestimmte Schriftstück übernommen; die aktenkundige Zustellbestätigung sei falsch), mit der Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen der großen räumlichen Entfernung zum Gericht, der zu kurzen Einlassungsfrist von 20 Tagen sowie der fehlenden Übersetzungen der Gerichtsstücke in die deutsche Sprache. Die seine Leistungsfähigkeit bei weitem übersteigende Unterhaltsverpflichtung bedeute einen Verstoß gegen den ordre public.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Dem zuletzt angeführten Einwand ist die zutreffende Begründung des Rekursgerichts entgegenzuhalten. Im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels ist nicht dessen sachliche Richtigkeit unter Heranziehung inländischen materiellen Rechts zu überprüfen. Mit der vom Berufungsgericht Florida festgesetzten Unterhaltshöhe kann nicht eine Verletzung von Grundwertungen der österr. Rechtsordnung dargetan werden, auch wenn sie der nach § 140 ABGB entwickelten Prozentsatzmethode durchaus nicht entsprechen mag. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts steht mit der oberstgerichtlichen Rsp im Einklang (zuletzt 3 Ob 221/04b = SZ 2005/9; RIS-Justiz RS0002409).

2. Den gerügten Verfahrensmängeln im Titelverfahren (Fehlen der Eigenhandzustellung; zu kurze Einlassungsfrist; mangelnde Übersetzungen) kommt dann keine Bedeutung zu, wenn eine Heilung der Zustellmängel bzw. Verfahrensunregelmäßigkeiten infolge Einlassung des Verpflichteten in das ausländische Titelverfahren erfolgte. Eine solche Heilung ist nach den Umständen des Einzelfalls zulässig:

a) Zunächst ist festzustellen, dass sämtliche behaupteten Verfahrensmängel, wenn sie im Rahmen des Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels festgestellt worden wären, mit den Grundsätzen eines fair geführten Verfahrens (Art 6 MRK) unvereinbar wären. Dies gilt insbesondere auch für den unstrittigen Umstand, dass die zugestellten Schriftstücke nicht in die deutsche Sprache übersetzt wurden. Der Oberste Gerichtshof vertritt dazu die Auffassung, dass solche Zustellungen unwirksam seien, denn Grundvoraussetzung für eine wirksame Vertretung des Rechtsstandpunkts im Prozess sei, dass der Betroffene verstehe, worum es gehe. Mangels entsprechender Sprachkenntnisse werde er häufig gar nicht erkennen können, um welche Art von Schriftstücken des

ausländischen Gerichts es sich handelt (4 Ob 159/98f = SZ 71/102 =

EvBl 1998/193; 10 ObS 347/99y = RdW 2000, 478). Geheilt werde der Mangel allerdings, wenn der Beklagte oder Antragsgegner den Inhalt der fremdsprachigen Schriftstücke tatsächlich verstanden hat oder als Angehöriger des Absendestaates der Landessprache mächtig sein musste (10 Ob 99/00g). Ein solcher Sachverhalt steht hier sowohl hinsichtlich des Rekurswerbers als auch seines österr. Rechtsvertreters nicht fest, auch wenn die unstrittige Namhaftmachung eines Rechtsvertreters beim ausländischen Gericht zumindest auf ein gewisses Verständnis vom Inhalt der zuvor zugestellten Schriftstücke indiziert.

b) Die grundsätzliche Heilungsmöglichkeit infolge Prozesseinlassung wurde schon in der Entscheidung SZ 4/112 bejaht. Dies steht im Einklang mit der vom Rekursgericht zitierten Ansicht von Matscher in seiner in IPRax 1999, 274 veröffentlichten Entscheidungsbesprechung zu 4 Ob 159/98f, Sprache der Auslandszustellung und Art 6 MRK) und weiters mit der in dieser Besprechung zitierten Auffassung von Schlosser für den deutschen Rechtsbereich (in FS Matscher, Die internationale Zustellung zwischen staatlichem Souveränitätsanspruch und Anspruch der Prozesspartei auf ein faires Verfahren, 387 [393 ff]). Dieser Autor verweist zutreffend darauf, dass zwar zur Ordnungsgemäßheit der Zustellungen auch die Einhaltung der Zustellvorschriften des Empfangsstaates gehöre, aber eine entgegen der nationalen Rechtslage erfolgte Postzustellung statt der vorgeschriebenen Zustellung im Rechtshilfeweg der Anerkennung des ausländischen Titels nicht schade, weil nur eine „geringfügige" Verletzung der Souveränität des Empfangsstaates vorliege; entscheidend könne aber nur die Verkürzung des rechtlichen Gehörs der Prozesspartei sein, die aber fehle, wenn die Anfertigung einer Übersetzung für (gemeint: durch) den sprachunkundigen Zustelladressaten entweder generell unzumutbar oder nicht rechtzeitig möglich war. Der erkennende Senat vermag dieser Auffassung in dem Punkt zu folgen, dass eine Heilung fehlerhafter Zustellakte auch bei Zustellungen aus dem Ausland grundsätzlich möglich ist, wie dies schon in der zitierten Vorentscheidung bejaht wurde. Dass Zustellmängel grundsätzlich geheilt werden können, ist schon aus § 7 ZustG abzuleiten. Es wäre schwer zu begründen, dass sich ein Betroffener, der sich in das ausländische Titelverfahren einließ, indem er dort Sachanträge stellte und Prozessvorbringen erstattete, nach negativem Prozessausgang sich auf Zustellfehler berufen und die Unwirksamkeit des gegen ihn ergangenen Exekutionstitels geltend machen dürfte. Zutreffend verweist Schlosser daher darauf, dass dies das Gebot der prozessualen Fairness gegenüber dem Kläger verletzte (aaO 397).

c) Der zweiten Ansicht, es wäre Sache des Zustelladressaten, zumutbarerweise selbst für Übersetzungen zu sorgen, wie dies offenkundig auch Matscher (aaO 275) vertritt, ist allerdings entgegenzutreten. Auch ohne staatsvertragliche Regelung ist aus den schon erläuterten Gründen bei der Zustellung fremdsprachiger Schriftstücke eine Übersetzung anzuschließen, damit der Betroffene sein Recht effektiv vertreten kann. Dies muss für alle Arten der Zustellung (im Rechtshilfeweg; per Post) gelten. Aus dem Annahmeverweigerungsrecht (§ 12 Abs 2 ZustG) ist zu folgern, dass der Adressat nicht verpflichtet ist, auf seine Kosten für eine Übersetzung zu sorgen. Es ist nicht seine Sache, den in sein Recht auf ein faires Verfahren eingreifenden Verfahrensfehler (des Prozessgegners bzw. des ausländischen Titelgerichts) zu sanieren. Da die Annahmeverweigerung bei der Postzustellung in Ansehung ihrer Dokumentation auf tatsächliche Schwierigkeiten stößt, ist in einem solchen Fall solange von einer Annahmeverweigerung auszugehen, solange sich nicht das Gegenteil aus dem Folgeverhalten des Zustellempfängers ergibt.

VI. Dies leitet über zur Frage der Prozesseinlassung. Zu fragen ist, welche Intensität diese Einlassung haben muss, damit von einem Verzicht auf die erforderlichen Übersetzungen, also von einer Annahmebereitschaft iSd § 12 Abs 2 ZustG, ausgegangen werden darf:

1. In der E 3 Ob 80/92 war folgender Sachverhalt zu beurteilen: Ein belgisches Handelsgericht hatte gegen die in Österreich ansässige beklagte Partei ein Versäumungsurteil erlassen. Deren Rechtsvertreter erhob einen Einspruch, erschien aber nicht zur anberaumten Verhandlung. Daraufhin erklärte das belgische Gericht den Einspruch für verspätet und unbegründet und das Säumnisurteil für wirksam. Aufgrund des ausländischen Titels wurde in Österreich von den Vorinstanzen die Fahrnisexekution bewilligt. Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der verpflichteten Partei statt und wies den Exekutionsantrag ab. Entscheidungswesentlich war die Frage, ob das ausländische Gericht zuständig war, was nur der Fall gewesen wäre, wenn sich die beklagte Partei in den Prozess eingelassen hätte. Der Oberste Gerichtshof verneinte dies, weil die Einlassung voraussetze, dass die Prozesshandlung des Beklagten im ausländischen Verfahren berücksichtigt und wirksam geworden wäre. Dies sei nicht der Fall, wenn die Prozesshandlung vom ausländischen Gericht als verspätet zurückgewiesen worden sei. Nach dem Verständnis dieser Entscheidung genügte also für eine Prozesseinlassung die bloße Namhaftmachung eines Rechtsvertreters und sogar die Einbringung eines Rechtsbehelfs nicht.

2. Dass für die Bejahung eines Zuständigkeitstatbestands die Einlassung in die Sache selbst als erforderlich angesehen wird, bedeutet noch nicht, dass im vorliegenden Fall nicht schon die Bekanntgabe eines Rechtsvertreters, also eines Zustellbevollmächtigten, ausreichen könnte, um eine Annahmebereitschaft unter Verzicht auf Übersetzungen der Gerichtsstücke bejahen zu können. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass auf den nur schlüssig erklärten Verzicht grundsätzlich strenge Maßstäbe anzulegen sind (vgl. RIS-Justiz RS0014188), insbesondere wenn es um künftige Leistungen geht (RIS-Justiz RS0014232), sodass in der bloßen Bekanntgabe eines österr. Rechtsanwalts und Zustellbevollmächtigten durch die Partei selbst noch keine Erklärung zu erblicken ist, dass die Annahme fremdsprachiger Schriftstücke nicht verweigert werde. Anderes muss aber für den Fall gelten, dass der namhaft gemachte Rechtsvertreter selbst beim ausländischen Gericht für seinen Mandanten einschreitet und dort Prozesshandlungen setzt. Dem rechtskundigen Vertreter kann eine entsprechende Erklärung, die mit keinerlei zusätzlichen Kosten verbunden ist, durchaus zugemutet werden. Wenn also der dem ausländischen Gericht namhaft gemachte Rechtsvertreter kein Verlangen auf Übermittlung von Übersetzungen gestellt und allenfalls sogar in der Sache selbst ein Vorbringen erstattet und Beweisurkunden vorgelegt hätte (wie dies alles von den Betreibenden in ihrer Rekursbeantwortung ON 9 behauptet wurde) läge eine Heilung der im Fehlen von Übersetzungen begründeten Verkürzung des rechtlichen Gehörs, aber auch der weiters als zu kurz gerügten Einlassungsfrist vor. Dass die in Florida geltende 20-tägige Einlassungsfrist nicht gegen den österr. ordre public verstößt, hat das Rekursgericht zutreffend erkannt.

VII. Zusammenfassend gelangt der erkennende Senat zu folgenden Rechtssätzen:

1. Ein ausländisches Gericht (in casu: ein Berufungsgericht in Florida, USA) hat bei einer Postzustellung an einen in Österreich aufhältigen, österreichischen Beklagten oder Antragsgegner den übermittelten fremdsprachigen Gerichtsstücken Übersetzungen in die deutsche Sprache anzuschließen. Wenn dies nicht geschah, ist die Vollstreckbarerklärung des ausländischen Exekutionstitels zu versagen (§ 81 Z 1 EO).

2. Trotz Vorliegens eines Abweisungsgrundes nach § 80 Z 2 EO (Fehlen der Eigenhandzustellung der verfahrenseinleitenden Ladung oder Verfügung) oder eines Versagungsgrundes nach § 81 Z 1 EO (wegen fehlender Übersetzungen der fremdsprachigen Gerichtsstücke) kann der ausländische Exekutionstitel für vollstreckbar erklärt werden, wenn sich der betroffene Beklagte oder Antragsgegner in das ausländische Verfahren eingelassen hat. Darunter ist nach den Umständen des Einzelfalls ein Verhalten zu verstehen, aus dem seine Bereitschaft zur Einlassung in die Sache hervorgeht.

3. Für Unterhaltstitel eines US-Gerichts in Florida ist die Gegenseitigkeit iSd § 79 Abs 2 EO verbürgt.

VIII. Das nicht näher ausgeführte Revisionsrekursvorbringen und der entsprechende Antrag dazu, die Vorinstanzen hätten nach § 10 Abs 2 AuslandsunterhaltsG vorgehen müssen, ist nicht begründet. Zutreffend hat das Rekursgericht ausgeführt, dass es hier um die Vollstreckbarerklärung eines schon bestehenden ausländischen Unterhaltstitels (§ 10 Abs 3 leg.cit.) und nicht um die Schaffung eines österr. Unterhaltstitels geht.

IX. Das Verfahren ist iSd gegebenen Begründung, insbesondere zu P V. und VI. noch nicht spruchreif, weil nicht festgestellt wurde, wann welche der fremdsprachigen Gerichtsstücke dem Rechtsvertreter des Verpflichteten vom Titelgericht übermittelt und welche Prozesserklärungen oder Prozesshandlungen von diesem Rechtsvertreter vor dem ausländischen Gericht gesetzt wurden. Der im Rekurs an die zweite Instanz zugestandene Sachverhalt der Namhaftmachung eines Rechtsvertreters (durch den Verpflichteten selbst) und der Zustellung der „Titelurkunde" an diesen reicht aus den dargelegten Gründen nicht aus, von einer Heilung der (behaupteten, aber von den Vorinstanzen noch nicht festgestellten) Verfahrensfehler infolge Prozesseinlassung des Verpflichteten auszugehen. Das Erstgericht wird das Verfahren insoweit zu ergänzen und dann neuerlich zu entscheiden haben. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 40 und 52 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO.

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