OGH 8ObA75/06x

OGH8ObA75/06x21.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andrea Komar und Dr. Lukas Stärker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl Z*****, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, wider die beklagte Partei Ing. Markus V*****, vertreten durch Dr. Robert Galler, Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 909,50 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Mai 2006, GZ 11 Ra 33/06m-16, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Februar 2006, GZ 56 Cg 298/05y-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 266,69 (darin enthalten EUR 44,45 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kam bei einem Spaziergang mit dem Beklagten, der als „Stadtbaumeister" einerseits 80 % Planungsarbeiten, aber andererseits auch 20 % Baumeisterarbeiten durchführt und darunter auch jährlich ein größeres Bauprojekt, bei einer solchen Baustelle ins Gespräch. Dabei vereinbarten die Streitteile, dass der Kläger bereits am darauf folgenden Dienstag für den Beklagten zu arbeiten beginnen sollte, und zwar mit einem Monatsnettolohn zwischen EUR 1.400,-- und EUR 1.500,--. Im Folgenden arbeitete der Kläger auch an 108 Tagen auf den beiden Baustellen des Beklagten, davon an 107 Tagen mehr als 3 Stunden. Er erhielt auf diesen Baustellen ein Mittagsmenü; auch standen Getränke einschließlich Kaffee unbegrenzt zur Verfügung. Am Sitz des Beklagten befindet sich neben dem Büro nur ein kleines Lager mit Akten, jedoch keine Baugeräte mit Ausnahme von Entfeuchtungsgeräten. Die Baumaterialien werden auf anderen Lagerplätzen bzw teilweise bei den jeweiligen Bauprojekten gelagert. Der Kläger begehrt mit seiner Klage Taggeld für insgesamt 108 Arbeitstage und stützt sich dabei auf § 9 des unstrittig anzuwendenden Kollektivvertrages für das Baugewerbe. Der Beklagte beantragte die Abweisung und wendet im Wesentlichen ein, dass er über keinen ständigen ortsfesten Betrieb verfüge, sondern nur ein Planungsbüro habe. Im Übrigen sei der Kläger auch vor Ort mit Speisen und Getränken versorgt worden und nur für die zwei Baustellen aufgenommen gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging rechtlich davon aus, dass nach dem Kollektivvertrag bei Arbeiten auf Baustellen jedenfalls ein Taggeld in der Mindesthöhe von EUR 8,50 pro Arbeitstag zustünden, wenn der Arbeitstag mehr als drei Stunden umfasse. Selbst wenn man davon ausgehe, dass das Dienstverhältnis nur für die Dauer eines Großprojektes begründet worden wäre, ändere dies nichts. Dass der Beklagte dem Kläger auch Naturalleistungen gewährt habe, könne ebenfalls den Anspruch nicht mindern.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Es verwies im Wesentlichen auf die rechtliche Begründung des Erstgerichtes. Es sei nicht entscheidend, ob der Beklagte einen ständigen ortsfesten Betrieb habe, ebenso wenig die Entfernung des Wohnortes des Klägers von der Baustelle. Dies habe nur Auswirkungen auf die Höhe des Anspruches auf Taggeld. Das Berufungsgericht erachtete die ordentliche Revision als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den hier strittigen Anspruchsvoraussetzungen auf Taggeld nach § 9 des Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt. Nach ständiger Rechtsprechung sind Kollektivverträge unter Anwendung der §§ 7 und 8 ABGB wie Gesetze nach dem objektiven Inhalt, wie sie vom Leser eines Textes zu entnehmen sind, auszulegen (RIS-Justiz RS0010088, RIS-Justiz RS008807 uva zuletzt etwa 8 ObA 42/05t). Den Kollektivvertragsparteien ist dabei zu unterstellen, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen und einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollen (RIS-Justiz RS0008828, RIS-Justiz RS0008897 ua).

§ 9 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe lautet nun unter der Überschrift „Dienstreisevergütungen" in seinem Punkt „I.

Taggeld" in der Z 1 wie folgt:

„1. Arbeitnehmer, die außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebes, für den sie aufgenommen wurden, zur Arbeit auf Baustellen eingesetzt werden, haben Anspruch auf Taggeld. Arbeiten auf Baustellen gelten jedenfalls als Arbeit außerhalb des ständig ortsfesten Betriebes.

2. Der Anspruch auf Taggeld besteht für jeden Tag, an den eine tatsächliche Arbeitsleistung von mehr als drei Stunden erbracht wird

...."

Im Folgenden wird dann noch die Höhe des Taggeldes hinsichtlich der geleisteten Arbeitszeit und der Entfernung der Baustelle vom Wohnort festgelegt.

Die Vorinstanzen haben schon überzeugend auf den klaren Wortlaut der Bestimmung hingewiesen, wonach zufolge der Z 1 zweiter Satz Arbeiten auf Baustellen jedenfalls als Arbeit außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebes gelten. Gerade im Baugewerbe kommt den Baustellen häufig eine überwiegende Bedeutung beim Einsatz der Arbeitnehmer zu, sodass davon ausgegangen werden kann, dass sich die Kollektivvertragsparteien eines Falles wie des vorliegenden, wo der „ortsfeste Betrieb" keine Bauarbeiter beschäftigt - sondern wie hier im Wesentliche Planungsleistungen erbringt - bewusst waren. Auch im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung kann daher nicht von einer „Lücke" ausgegangen werden. Im Übrigen hat das Erstgericht insoweit unbekämpft festgestellt, dass der Kläger nicht nur auf einer Baustelle, sondern zumindest auf zwei Baustellen eingesetzt wurde (anders OGH 9 ObA 39/05h).

Soweit die Beklagte letztlich releviert, dass der Kläger ja ohnehin verköstigt worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen hat, dass von einem kollektivvertraglich vorgesehenen Geldanspruch einseitig nicht abgegangen werden kann (OGH 9 ObA 103/05w oder OGH 9 ObA 112/03s). Ein Vorbringen in erster Instanz zu einer dahingehenden Vereinbarung wurde nicht erstattet. Die nunmehrigen Ausführungen verstoßen gegen das Neuerungsverbot des § 504 ZPO (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 504 Rz 3).

Insgesamt war daher der Revision des Beklagten nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.

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