OGH 3Ob162/06d

OGH3Ob162/06d13.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wider die verpflichteten Parteien 1. Heiko Ö*****, und 2. Gabriele L***** (früher Ö*****), *****, wegen 36.340 EUR sA, infolge der außerordentlichen Revisionsrekurse der betreibenden Partei und der Ersteherin P***** GmbH, *****, vertreten durch Karbiener Rechtsanwälte OEG in Schwanenstadt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 23. Mai 2006, GZ 37 R 65/06f, 66/06b-68, womit die Rekurse der betreibenden Partei und der verpflichteten Parteien gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 21. März 2006, GZ 10 E 12/03g-55 und 56, sowie die Rekursbeantwortung der Ersteherin zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Ersteherin wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der betreibenden Partei wurde am 23. November 2005 zur Hereinbringung von 36.340 EUR sA die Zwangsversteigerung von zwei den verpflichteten Parteien gehörigen Liegenschaftsanteilen, jeweils verbunden mit Wohnungseigentum, bewilligt. In der öffentlichen Versteigerungstagsatzung vom 21. März 2006 wurden die Exekutionsobjekte der Ersteherin um die Meistbote von 128.000 EUR und 89.000 EUR unter dem Vorbehalt zugeschlagen, dass der Zuschlag erst bei Vorliegen einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung rechtswirksam werde. Schon am 16. März 2006 hatte die betreibende Partei im elektronischen Rechtsverkehr einen Antrag auf Aufschiebung der Exekution wegen einer mit den verpflichteten Parteien abgeschlossenen Zahlungsvereinbarung (§ 45a EO iVm § 200a EO) gestellt, der allerdings nicht dem Exekutionsgericht, sondern der elektronischen Einlaufstelle des Landesgerichts Linz übermittelt worden war. Der Ausdruck des Antrags wurde vom Landesgericht Linz dem Exekutionsgericht übermittelt, langte dort aber erst am 22. März 2006, also einen Tag nach dem Versteigerungstermin, ein. Gegen die Zuschlagserteilung erhoben sowohl die betreibende Partei als auch die Verpflichteten Rekurs. Die Ersteherin erstattete eine Rekursbeantwortung.

Das Rekursgericht wies die Rekurse aller Parteien gegen die Zuschlagserteilung und auch die Rekursbeantwortung der Ersteherin zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Bei der Zurückweisung der Rekurse stützte sich das Rekursgericht im Wesentlichen auf die wörtlich wiedergegebene Begründung der Entscheidung 3 Ob 321/05k. Danach sei gemäß § 187 Abs 1 EO die Zuschlagserteilung nur anfechtbar, wenn 1. der Rechtsmittelwerber beim Versteigerungstermin anwesend gewesen sei und zu den Personen gehört habe, die gemäß § 182 Abs 1 EO wegen Erhebung des Widerspruchs zu befragen gewesen wären und eine Aktenwidrigkeit nach § 187 Abs 1 zweiter Satz EO geltend mache; 2. der Rechtsmittelwerber anwesend gewesen sei und einen im § 184 EO angeführten Mangel geltend gemacht hatte, derentwegen er im Versteigerungstermin erfolglos Widerspruch erhoben habe und 3. der Rechtsmittelwerber beim Versteigerungstermin nicht anwesend gewesen sei und binnen vierzehn Tagen nach dem Versteigerungstermin den Mangel des § 184 Abs 1 Z 3 EO (unterbliebene Verständigung vom Termin) geltend gemacht habe. Diese Rechtsmittelbeschränkungen würden auch für den Verpflichteten gelten. Wenn er zum Versteigerungstermin nicht erschienen sei, könne in seinem Rekurs gegen den Zuschlag nur der Mangel der nicht gehörigen Verständigung vom Termin geltend gemacht werden. Die Berufung auf andere Widerspruchsgründe sei verwehrt. Die Frage des Verschuldens am Nichterscheinen sei irrelevant. Andere als die aufgezählten Umstände könnten mit Rekurs nicht geltend gemacht werden. Auch ein von der betreibenden Partei gestellter Einstellungsantrag könne dann nicht mit Rekurs geltend gemacht werden, wenn der Antrag dem Richter in der Versteigerungstagsatzung nicht bekannt gewesen sei. Ziel des § 187 Abs 1 EO sei es, alle Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Versteigerung auf den Versteigerungstermin zu konzentrieren. Auch das Recht des Verpflichteten, dass eine Versteigerung nicht stattfinde, wenn der einzige Gläubiger einen Aufschiebungsantrag nach § 200a EO gestellt habe, sei primär beim Versteigerungstermin zu wahren. Durch diese Rechtslage werde das Vertrauen des Erstehers auf die Wirksamkeit des Zuschlags geschützt. Er müsse nicht damit rechnen, dass der Zuschlag nachträglich aus einem beim Termin nicht erörterten Grund aufgehoben werde. Er könne aufgrund des Zuschlags wirtschaftlich disponieren. Ein Problem der Wahrung des Gehörs stelle sich nicht. Der Verpflichtete könne die Zuschlagserteilung im Versteigerungstermin verhindern. Wenn sein Hinweis auf den Aufschiebungsantrag nicht genüge, stünde ihm Widerspruch nach § 184 Abs 1 Z 4 EO zur Verfügung. Dem Verpflichteten sei es auch zumutbar, sich vor der Versteigerung vom Einlangen des Aufschiebungsantrags zu vergewissern und entsprechende Schritte zu setzen.

Das Rekursgericht schloss sich dieser Entscheidungsbegründung des Obersten Gerichtshofs im vorliegenden Fall wegen „absoluter Vergleichbarkeit" an. Entgegen der Ansicht der betreibenden Partei könne ein Aufschiebungsantrag nicht bis zum Zeitpunkt des Einlangens einer grundverkehrsbehördlichen Erklärung gestellt werden. Die im Schrifttum vertretene Auffassung (Angst in Angst, EO, § 183 Rz 18/7) beziehe sich auf einen Einstellungsantrag. Hier gehe es um einen Aufschiebungsantrag, der gemäß § 200a EO nur bis zum Beginn der Versteigerung gestellt werden könne.

Die Rekursbeantwortung der Ersteherin sei zurückzuweisen. Das Rekursverfahren sei nur im Ausnahmefall und im Rahmen des pflichtgemäßen richterlichen Ermessens zweiseitig. Hier gehe es ausschließlich um Rechtsfragen, sodass kein Anlass bestehe, vom Grundsatz der Einseitigkeit des Rekursverfahrens abzugehen. Gegen die Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei mit dem Antrag auf Abänderung dahin, den Zuschlag ersatzlos aufzuheben. Hilfsweise wird beantragt, den Zuschlag für rechtsunwirksam zu erklären, die Versteigerungstagsatzung und die Zuschlagserteilung für nichtig zu erklären oder amtswegig die „Versagung des Zuschlags" auszusprechen. Die Ersteherin beantragt die Aufhebung des Beschlusses auf Zurückweisung ihrer Rekursbeantwortung und begehrt Zuspruch von Kosten.

Rechtliche Beurteilung

I. Das Rechtsmittel der betreibenden Partei ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt:

In der zitierten Vorentscheidung 3 Ob 321/05k war eine ohne Vorbehalt ausgesprochene Zuschlagserteilung angefochten worden, während hier die Wirksamkeit der bekämpften Zuschlagserteilung von der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung abhängig gemacht wurde. Aus diesem unterschiedlichen Sachverhalt leitet die Revisionsrekurswerberin unter Hinweis auf eine im Schrifttum von Angst vertretene Auffassung über die Zulässigkeit eines Einstellungsantrags in der gesamten Zeit bis zur Wirksamerklärung des Zuschlags (Angst aaO § 183 Rz 18/7) die Anfechtbarkeit der Zuschlagserteilung im Rekursweg auch für den (hier vorliegenden) Fall ab, dass der Rechtsmittelwerber trotz gehöriger Ladung zum Versteigerungstermin nicht erschienen war. Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Wenn die Übertragung des Eigentums an den Ersteher dem Grundverkehrsgesetz eines Bundeslandes unterliegt, ist der Zuschlag nur unter Vorbehalt zu erteilen und erst nach Vorliegen der von dem jeweiligen Grundverkehrsgesetz festgesetzten Voraussetzungen für rechtswirksam zu erklären (§ 183 Abs 1 letzter Satz EO). Aus dieser Rechtsbedingung folgt, dass das Meistbot, der Zuschlag und damit der Eigentumserwerb des Erstehers unter einer aufschiebenden Bedingung (hier der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde nach den Vorschriften des Oberösterreichischen Grundverkehrsgesetzes) stehen, der Ersteher also mit dem Zuschlag nur aufschiebend bedingtes Eigentum am Exekutionsobjekt erwirbt (so schon 3 Ob 56/86), der Verpflichtete also noch (auflösend bedingt) Eigentümer der Liegenschaft bleibt. Daraus leitet Angst (aaO und weiters in Rz 2 zu § 200) ab, dass auch nach der nur bedingt erfolgten Zuschlagserteilung eine Einstellung des Exekutionsverfahrens in Frage käme. Die Richtigkeit dieser Ansicht braucht hier indes genauso wenig untersucht werden wie die weiters relevierte Frage, ob auch eine Aufschiebung des Exekutionsverfahrens nach der Zuschlagserteilung zulässig ist. Entscheidungswesentlich ist hier auch für den Fall der Bejahung der Zulässigkeit von Einstellungs- und Aufschiebungsanträgen, ob solche Anträge eine Rekurslegitimation begründen können, die Rechtsmittelbeschränkungen des § 187 EO hier also nicht zur Anwendung kommen. Diese Frage ist zu verneinen:

2. Aus den materiellen Rechtsfolgen einer nur bedingten Zuschlagserteilung mit dem nur aufschiebend bedingten Eigentum des Erstehers ergeben sich für eine Durchbrechung der gesetzlichen Rechtsmittelbeschränkung keine Anhaltspunkte. Nach der zitierten Entscheidung 3 Ob 321/05k und den in den Rechtssatzketten RIS-Justiz RS0003206 und RS0003253 angeführten Entscheidungen sind die Rekursgründe im Gesetz taxativ aufgezählt (so auch Angst aaO § 187 Rz 1). § 187 EO regelt zwingend die Voraussetzungen der Rekurslegitimation. Das Verfahrensgesetz unterscheidet nicht zwischen einem unbedingten und einem nur unter Vorbehalt erteilten Zuschlag. Das ist entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin auch nicht aus Gründen fehlenden Rechtsschutzes bedenklich, hat es doch jeder Einstellungs- oder Aufschiebungswerber, über dessen Antrag vor dem Versteigerungstermin noch nicht stattgebend entschieden wurde, in der Hand, zum Versteigerungstermin zu erscheinen und dort eine allenfalls rechtswidrige Zuschlagserteilung zu verhindern - die mit der EO-Novelle 2000 eingeführte Bestimmung des § 200a EO über die Aufschiebung der Exekution ist zwingendes Recht (arg.: „... ist auf Antrag ... aufzuschieben") - jedenfalls aber gegen eine rechtswidrige

Zuschlagserteilung Widerspruch zu erheben und sich dadurch die Rekurslegitimation zu sichern (§§ 182, 187 EO). Für ein Abgehen von den gesetzlichen Voraussetzungen der Rekurslegitimation besteht kein sachlicher Grund, selbst wenn man iS der Revisionsrekurswerberin den Widerspruchsgrund des § 184 Abs 1 Z 4 EO (Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens trotz Vorliegens eines Einstellungsbeschlusses) extensiv auslegte und schon den Antrag auf Einstellung als Widerspruchsgrund ausreichen ließe und überdies eine Gleichstellung der Rechtslage für Aufschiebungsanträge annähme. Die Relevierung solcher Umstände im Rekursverfahren setzt die Teilnahme am Versteigerungstermin oder eine nicht gehörige Ladung zu demselben voraus. Das Ergebnis dieser Erwägungen findet seine Bestätigung im Neuerungsverbot, das auch im Rekursverfahren in Exekutionssachen gilt (RIS-Justiz RS0002371). Die Zuschlagserteilung ist nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz zu beurteilen (vgl den maßgeblichen Zeitpunkt für die Exekutionsbewilligung: RIS-Justiz RS0000019). In der Versteigerungstagsatzung konnte der Exekutionsrichter auf nicht aktenkundige Umstände (hier der bei einem anderen Gericht eingebrachte Aufschiebungsantrag) nicht Bedacht nehmen. Die Relevierung des Sachverhalts erst im Rekursverfahren muss daher am Neuerungsverbot scheitern.

3. Inwieweit die Überweisungsbestimmung des § 44 Abs 1 JN und die von der Revisionsrekurswerberin daraus abgeleitete Anhängigkeit des Aufschiebungsantrags schon ab dem Einlangen beim unzuständigen Gericht etwas am dargelegten Teilnahmezwang bei einer Versteigerungstagsatzung zur Wahrung der Rekurslegitimation etwas ändern sollte, wird im Rechtsmittel nicht näher begründet.

4. Zuletzt führt die Rekurswerberin gegen die Richtigkeit der Begründung der Entscheidung 3 Ob 321/05k noch die den Interessen des Erstehers entgegenstehenden Interessen des Verpflichteten ins Treffen, der wie der Betreibende bei einem rechtzeitigen Aufschiebungsantrag damit rechnen könne, dass die Versteigerung nicht stattfinde. Die nachteilige Folge des Verlusts des Exekutionsobjekts wiege schwerer als das Interesse des Erstehers. Mit diesem auf eine Interessenabwägung abzielenden Argument kann die Richtigkeit der Begründung der zitierten oberstgerichtlichen Entscheidung zum Gesetzeszweck des § 187 Abs 1 EO nicht in Zweifel gezogen werden. Wenn im Interesse der Rechtssicherheit alle Einwendungen gegen die Durchführung der Versteigerung in der Versteigerungstagsatzung behandelt werden sollen, damit sich der Ersteher in seiner wirtschaftlichen Disposition weitgehend geschützt erachten kann, steht einer Aufweichung der gesetzlichen Rechtsmittelbeschränkung im Wege einer extensiven Gesetzesauslegung hier schon der Umstand entgegen, dass das Rechtsschutzbedürfnis der Rechtsmittelwerberin letztlich nur auf eine Verletzung ihrer prozessualen Dilligenzpflicht zurückzuführen ist. Von einer „amtsbekannten", also notorischen Nichterreichbarkeit von Geschäftsabteilungen der Exekutionsgerichte, die es verhindert, dass sich ein Verpflichteter Gewissheit darüber verschafft, ob der Aufschiebungsantrag eingelangt und darüber stattgebend schon entschieden ist (bzw. darüber, ob der Versteigerungstermin abgesetzt wird) kann keine Rede sein. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 78 EO iVm §§ 40 und 50 Abs 1 ZPO.

II. Der Revisionsrekurs der Ersteherin gegen die Zurückweisung ihrer Rekursbeantwortung ist mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig. Die Rechtsmittelwerberin zeigt keine über ein außerordentliches Rechtsmittel aufgreifbare Überschreitung des dem Rekursgericht eingeräumten Ermessens in der Frage der Zulassung von Rechtsmittelbeantwortungen auf und geht irrig von der Annahme aus, in einem Rekursverfahren in Exekutionssachen müsse stets aus Gründen der Waffengleichheit allen Beteiligten Gehör eingeräumt werden. Dies ist nach der vom Rekursgericht richtig zitierten oberstgerichtlichen Judikatur (insbes. 3 Ob 162/03z = SZ 2004/26) aber keineswegs der Fall.

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