OGH 1Ob152/06v

OGH1Ob152/06v12.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Andreas C*****, vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft m. b. H. in Wien, wider die beklagte Partei „R*****" *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte Gesellschaft m. b. H. in Wien, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Vereinsausschlusses (Streitwert 50.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Mai 2006, GZ 13 R 202/05d-21, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht gab dem Begehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Ausschlusses des Klägers aus dem geklagten Verein deshalb statt, weil der Kläger keinen Ausschlussgrund verwirklicht habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil im Ergebnis. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Die zweite Instanz teilte - auf Grund der nach Beweiswiederholung in einzelnen Punkten getroffenen Feststellungen - nicht die Ansicht des Erstgerichts, der Kläger habe keinen Ausschlussgrund verwirklicht, sie hielt das Feststellungsbegehren jedoch deshalb für gerechtfertigt, weil der Kläger vor dem streitverfangenen Ausschluss zu den ihn tragenden Gründen kein rechtliches Gehör gehabt habe.

Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Aus Leitlinien der jüngeren gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs folgt, dass das Mitglied eines Vereins, das ausgeschlossen werden soll, vor Ergehen einer solchen Entscheidung jedenfalls Gelegenheit haben muss, sich zu den behaupteten Ausschlussgründen rechtliches Gehör zu verschaffen, selbst wenn das Vereinsstatut eine solche Anhörung nicht vorsieht. Die Gewährung rechtlichen Gehörs erst im Zivilprozess über die Streitfrage der Rechtswirksamkeit der Ausschließung aus einem Verein ersetzt das Erfordernis seiner Einräumung gegenüber jenem Vereinsorgan, das über die Ausschlussfrage zu befinden hat, vor Ergehen der Entscheidung nicht (so zuletzt 7 Ob 269/03i mwN; siehe ferner RIS-Justiz RS0106615; vgl dagegen zur vorprozessual ähnlichen Rechtsstellung eines Genossenschafters 7 Ob 734/89 = SZ 63/7). An dieser Sicht der Rechtslage ist festzuhalten.

2. Nach dem den Entscheidungen der Vorinstanzen zugrunde liegenden Sachverhalt wurde vor dem mit Beschluss des Vereinsausschusses vom 14. 9. 2004 ausgesprochenen streitverfangenen Ausschluss „keine vereinsinterne Anhörung des Klägers" durchgeführt (Ersturteil ON 16 S. 23). Es wurde indes ferner festgestellt, dass das Schreiben des Klagevertreters vom 26. 8. 2004 (Beilage ./C) dem Vereinsausschuss Ende August 2004 zugegangen war und diesem vor der erörterten Beschlussfassung tatsächlich vorlag (Ersturteil ON 16 S. 26 f). Dort wurde auch „dazu Stellung genommen", dass „ein Vereinsausschluss des Klägers nicht rechtmäßig sei", und - angesichts einer erwarteten Auseinandersetzung vor dem Vereinsschiedsgericht - versucht, die gegen den Kläger als Vereinsmitglied erhobenen Vorwürfe im Einzelnen zu widerlegen. Der Kläger hatte daher in Wahrheit noch vor Ergehen des Beschlusses vom 14. 9. 2004 gerade vor jenem Vereinsorgan, das über die Ausschlussfrage abzusprechen hatte, rechtliches Gehör zu den behaupteten Ausschlussgründen gefunden. Ein Widerspruch, der den zuvor erörterten Sachverhaltselementen anzuhaften scheint, besteht deshalb nicht, weil mit der Wendung des Mangels einer „vereinsinternen Anhörung des Klägers" vor Ergehen des Beschlusses vom 14. 9. 2004 offenkundig nur verdeutlicht werden sollte, dass der Vereinsausschuss den Kläger nicht gesondert aufgefordert hatte, sich zu den behaupteten Ausschlussgründen, über deren Verwirklichung in der bevorstehenden Sitzung zu entscheiden war, zu äußern. Mit dem Akteninhalt nicht in Einklang zu bringen ist daher im erörterten Kontext die Ansicht des Berfungsgerichts, dem Schreiben vom 26. 8. 2004 sei „materiell" keine Äußerung „zu den Ausschlussgründen" zu entnehmen. Das wird im Rechtsmittel der beklagten Partei zutreffend gerügt. Gerade diese auf der Tatsachenebene aktenwidrige Annahme trägt aber das vom Berufungsgericht erzielte rechtliche Ergebnis, der bekämpfte Ausschluss sei deshalb rechtsunwirksam, weil sich der Kläger vor der maßgebenden Beschlussfassung im Verein zu dem ihm vorgeworfenen Verhalten nicht geäußert habe. Der Kläger wusste über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vor seiner Ausschließung in der Ausschusssitzung vom 14. 9. 2004 Bescheid, versuchte doch der Klagevertreter in seinem Schreiben vom 26. 8. 2004 die Gründe zu widerlegen, auf die bereits der - nach seiner Ansicht überdies formal mangelhafte - Beschluss auf Ausschließung des Klägers aus dem geklagten Verein vom „Sommer 2004", dem Kläger mitgeteilt mit Schreiben vom 2. 8. 2004 (Blg ./B) gestützt war. Vom 2. 8. bis 14. 9. 2004 hatte aber das dem Kläger im Verein angelastete Verhalten keine Ergänzung erfahren. Angesichts dessen war es - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht erforderlich, den Kläger vor der Ausschusssitzung am 14. 9. 2004 ausdrücklich zu einer weiteren Stellungahme „zu den im Einzelnen darzustellenden Ausschlussgründen" aufzufordern. Ein solches reines Formalerfordernis ist gerade aus der vom Berufungsgericht als Stütze für seine Auffassung ins Treffen geführten Entscheidung 7 Ob 269/03i nicht abzuleiten, wird doch dort auf die faktische Gewährung rechtlichen Gehörs zu den im Vorfeld der Ausschließung aus einem Verein erörterten Ausschlussgründen abgestellt. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vom Berufungsgericht vergleichsweise herangezogenen weiteren Entscheidung 6 Ob 548/93, die sich auf ein vereinsinternes zweistufiges Ausschlussverfahren bezieht. Die Lösung der Gehörsfrage, in deren näheren Erörterung sich die Revisionsausführungen erschöpfen, ist jedoch hier, wie die tieferstehenden Erwägungen zeigen werden, nicht streitentscheidend.

3. Nach herrschender Ansicht sind die Rechtsbeziehungen zwischen Vereinen und ihren Mitgliedern privatrechtlicher Natur. Insofern ergangene Entscheidungen von Vereinsorganen sind gerichtlich überprüfbar. Eine Vereinsmitgliedschaft soll nur aus wichtigen, das Mitglied belastenden Gründen gegen dessen Willen verloren gehen. Der Vereinsausschluss als strengste Strafe setzt daher die Verwirklichung

solcher Gründe voraus (2 Ob 51/05x = JBl 2005,728; 4 Ob 28/05d; 7 Ob

54/05z; 1 Ob 45/94 = RZ 1996/52 je mwN). Eine restriktive Auslegung

wichtiger Gründe ist jedenfalls dann geboten, wenn es - wie hier - um die Mitgliedschaft in einem Verein geht, der rechtlich oder faktisch Monopolcharakter hat (4 Ob 28/05d; 1 Ob 45/94 = RZ 1996/52 je mwN).

4. Nach Ansicht der zweiten Instanz wogen die Äußerungen des Klägers über die wirtschaftliche Entwicklung des Vereins am schwersten. Er habe diese „sehr negativ" und daher „unnötigerweise kreditschädigend" dargetan. Das Berufungsgericht stützte seine Feststellungen über die erörterte wirtschaftliche Entwicklung auf die in einer Beweisurkunde enthaltene grafische Darstellung (Beilage ./G). Danach wurden die Verluste 1999 bis 2001 durch die Gewinne 2002 bis 2004 bei weitem nicht gedeckt. Verglichen mit 2002 gab es 2003 und 2004 einen starken Gewinnrückgang, für 2005 war bereits wieder ein Verlust prognostiziert. Angesichts dessen ist nicht zu erkennen, dass die dem Kläger angelastete Pressemitteilung, „der finanzielle Status des Hauses" könnte „schlecht sein", es sei 2003 „ein Minus" und 2004 ein „echter Einbruch" zu befürchten, eines ausreichenden Tatsachensubstrats entbehrte. Dessen Prognose für 2004 kann - gemessen an 2002 - durchaus als „echter Einbruch" qualifiziert werden, der seine tendenzielle Fortsetzung in dem in der grafischen Darstellung letztlich erst für 2005 prognostizierten Verlust fand. Der Hinweis des Klägers „auf das angebliche Image des Spitals als bequeme Geldquelle für die Ärzte" findet seine Erklärung in der Feststellung der Vorinstanzen, dass ein „Primar" von den für die Patientenbetreuung in einem öffentlichen Krankenhaus durch Privatversicherungen gezahlten Honoraren 40 % an andere Spitalsärzte abgeben muss, während ein vergleichbarer Arzt in einem „Privatkrankenhaus" wie jenem der beklagten Partei nur einen „6 %-igen Verwaltungsbeitrag" leisten müsse. Ist aber die Äußerung des Klägers, wie auch das Berufungsgericht zubilligt, nicht dahin zu verstehen, eine Einrichtung der beklagten Partei diene der illegalen Bereicherung von Ärzten, so wird nur der - durch getroffene Feststellungen nicht widerlegte, auf einem Tatsachensubstrat beruhende - Gegensatz verdeutlicht, dass die „Ärzte" einst, wie der Kläger gleichfalls sagte, (in die Einrichtungen der beklagten Partei) „in einem hohen Maß Geld hinein getragen" hätten, während sie zur Zeit die Möglichkeit nützten, die von Privatversicherungen gezahlten Honorare zu lukrieren.

Die dem Kläger vom Berufungsgericht im Übrigen angelastete, die Vereinsführung betreffende Äußerung nach der APA-Veröffentlichung vom 24. 6. 2004, „die Pflegeschule wäre man am liebsten los", ist im Kontext mit den von den Vorinstanzen getroffenen weiteren Feststellungen - auch zum Vereinszweck - zu beurteilen. Danach gab es „in Sitzungen und Versammlungen der beklagten Partei immer wieder einzelne Stimmen, die auf die Kostenbelastung durch die Schwesternschule hinwiesen", jedoch ohne dass jemals „konkrete Pläne" einer Schulschließung bestanden hätten. Die beklagte Partei subventioniert aber als Verein „den öffentlichen Bereich ..., weil zwei Drittel der Absolventinnen zu öffentlichen Krankenhäusern gehen". Bereits „kleine bis mittlere Betriebsstörungen" können „über Überleben oder Untergang des Hauses entscheiden". Der Betrieb des Krankenhauses würde „ohne Schwesternschule mit Sicherheit Gewinne" abwerfen. Die Schule hat „so gut wie keine Einnahmen". Aus „informellen Aussagen der Ausschussmitglieder" war für den Kläger nicht entnehmbar, „dass die Vereinsführung etwas in Bezug auf die Schwesternschule" unternehme, im Gegensatz zu einem „Vorgänger", dem - wenngleich wirtschaftlich „schlecht beraten" - „die Ausbildung und die Führung der Schwesternschule sozusagen eine Herzensangelegenheit" war. Auf wiederholte Äußerungen des Klägers, „die Schwersternschule" sei für ihn „alles", entgegnete ein Vizepräsident der beklagten Partei, deren Kosten müssten „verdient werden". Die Vereinsgründung diente seinerzeit dem Ziel, „beispielgebende Arbeit auf dem Gebiete der qualifizierten theoretischen und praktischen Ausbildung junger Menschen für die Pflege von Kranken und Verwundeten zu leisten". Dieses Ziel findet sich auch in den geltenden Statuten, in denen „als Vereinszweck die theoretische und praktische Aus- und Weiterbildung von Pflegepersonal, die Behandlung von Kranken und Verletzten, die Gesundheitsvorsorge und die Altenpflege" durch die „Führung einer Bildungseinrichtung (Gesundheits- und Krankenpflegerschule) und (die) Führung und (der) Betrieb eines mit besonderer Rücksicht auf die Aus- und Weiterbildung von Pflegepersonen errichteten Krankenhauses" genannt ist. „Karitative Zwecke" stehen daher beim Betrieb der Einrichtungen der beklagten Partei „sehr im Mittelpunkt". Im Licht solcher Tatsachen ist in der auf die Vereinsführung gemünzten Äußerung des Klägers, „die Pflegeschule wäre man am liebsten los", nur die Sorge zu erblicken, einer der primären Vereinszwecke könnte bei den Bemühungen des Vereins, ihn in Zukunft weiterhin zu verwirklichen, in den Hintergrund treten.

Eine Gesamtschau des dem Kläger vor seiner Ausschließung aus dem Verein angelasteten Verhaltens lässt erkennen, dass dieses eigentlich nur vom Willen getragen war, die andauernde Verwirklichung der primären Vereinszwecke durch die Schaffung eines „öffentlichen Bewusstseins" zu fördern. Dass die veröffentlichte Meinung des Klägers die richtige Balance in der Bewertung wirtschaftlicher Maßnahmen zur Gewährleistung einer andauernden Realisierung der primären Vereinszwecke vermissen ließ, ist - auf dem Boden des unter

3. erläuterten Auslegungsgrundsatzes - noch nicht als „grobe Verletzung" von „Mitgliedspflichten" zu qualifizieren, die dem Ausschluss eines Vereinsmitglieds nach den Statuten der beklagten Partei als taugliche Grundlage dienen kann. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Kläger von der beklagten Partei wirtschaftlich nicht abhängig ist, weil er seinem betroffenen rein ideellen Interesse in Wien - ungeachtet seiner Abstammung - nur als deren Mitglied dienen kann. Der erkennende Senat tritt daher insofern dem bereits vom Erstgericht erzielten Ergebnis bei. Ausgehend davon ist aber die außerordentliche Revision, in der - wie bereits erwähnt - nur der Standpunkt der beklagten Partei zu Fragen des rechtlichen Gehörs näher begründet wird, zurückzuweisen.

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