OGH 10Ob58/06m

OGH10Ob58/06m12.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** C***** E***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Bernd S***** B***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Herbert Partl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 20.260,80 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 10. Juli 2006, GZ 2 R 119/06a-17, womit der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. April 2006, GZ 59 Cg 227/05s-10, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die Zustellung einer Gleichschrift des Revisionsrekurses an die klagende Partei zu veranlassen sowie den Revisionsrekurs der beklagten Partei dem Obersten Gerichtshof nach Einlangen einer Revisionsrekursbeantwortung oder nach Ablauf der hiefür vorgesehenen Frist wieder vorzulegen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht hob mit Beschluss vom 24. 4. 2006 die Vollstreckbarkeit seines Zahlungsbefehles vom 7. 12. 2005 auf. Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss in Stattgebung des Rekurses der klagenden Partei dahin ab, dass es den Antrag der beklagten Partei auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des vom Erstgericht am 7. 12. 2005 erlassenen Zahlungsbefehles abwies. Gleichzeitig wurde die Rekursbeantwortung der klagenden (richtig: beklagten) Partei zurückgewiesen und ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Den gegen diesen Beschluss erhobenen ordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei legte das Erstgericht im Wege des Rekursgerichtes sogleich dem Obersten Gerichtshof vor.

Der Oberste Gerichtshof kann über das vorgelegte Rechtsmittel noch nicht entscheiden, weil es das Erstgericht unterlassen hat, der klagenden Partei eine Gleichschrift des Revisionsrekurses zuzustellen, um ihr die Erstattung einer Rechtsmittelbeantwortung zu ermöglichen.

Das Rekursgericht hat in seiner Entscheidung zwar zutreffend ausgeführt, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 9 Ob 191/98y von der Einseitigkeit des Rekurses gegen eine Entscheidung über die Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung ausgegangen ist und die Ansicht vertreten hat, dass eine analoge Anwendung des § 521a Abs 1 Z 3 ZPO über die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens auf einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nach § 7 Abs 3 EO nicht in Betracht komme. Diese Rechtsansicht wurde damit begründet, dass dieser Antrag zwar die Wirksamkeit des Titels bzw dessen Vollstreckbarkeit betreffe, jedoch keine unmittelbare Wirkungen auf den Bestand des Titels bzw auf die Fortsetzung des Verfahrens habe. Es komme daher eine analoge Anwendung der Sonderregelung des § 521a Abs 1 Z 3 ZPO („.......ein Rekurs gegen einen Beschluss, mit dem eine Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen oder ein Antrag auf Zurückweisung der Klage verworfen worden ist") über die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens nicht in Betracht (vgl auch 4 Ob 241/99s). Die zu dieser Frage ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stammt allerdings aus der Zeit vor dem Urteil des EGMR vom 6. 2. 2001 in der Rechtssache Beer gegen Österreich (ÖJZ 2001, 516), wonach der aus Art 6 Abs 1 EMRK herleitbare Grundsatz der Waffengleichheit in einem Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen eine angemessene Gelegenheit für jede Partei erfordere, ihren Fall unter Bedingungen zu präsentieren, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber ihrem Verfahrensgegner bedeuten. Der Gesetzgeber hat infolge dieses Urteils des EGMR die §§ 521 Abs 1 und 521a Abs 1 ZPO novelliert und dabei den in § 521a Abs 1 Z 1 bis 3 genannten Entscheidungen, die in einem zweiseitigen Rechtsmittelverfahren bekämpft werden können, mit der Z 4 auch die Entscheidung über die Prozesskosten hinzugefügt. Dadurch wurde dem Urteil des EGMR vom Gesetzgeber allerdings nur beschränkt Rechnung getragen. Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass Rechtsmittelverfahren über einen (materiellen oder prozessualen) Rechtsschutzanspruch nach der Zivilprozessordnung in Analogie zu § 521a ZPO auch dann zweiseitig sind, wenn das Gesetz deren Zweiseitigkeit nicht anordnet (ecolex 2005/129, 287; EvBl 2003/103, 472 ua; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 521a ZPO Rz 4 ff mwN). So wurde erst jüngst in der Entscheidung 6 Ob 80/06t vom 24. 5. 2006 in einem mit der Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung vergleichbaren Fall darauf hingewiesen, dass nach neuerer Auffassung auch in der Aufhebung einer bereits endgültigen Entscheidung ein Eingriff in die als civil right im Sinne des Art 6 EMRK zu qualifizierende Rechtsstellung der obsiegenden Partei (idR des Klägers) liegen kann, was es etwa erfordern kann, gegen einen Rekurs gegen die einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit abweisende Entscheidung die Rekursbeantwortung zuzulassen, um dem Obsiegenden die Verteidigung seiner Rechtsposition zu ermöglichen (vgl G. Kodek, zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534 ff [540 f] und 589 ff [593 f]).

Der im vorliegenden Fall zur Entscheidung berufene Senat schließt sich den in den erwähnten Entscheidungen enthaltenen Ausführungen über die Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens über Rechtsschutzansprüche in Analogie zu § 521a ZPO an. Dies führt auch im hier zu beurteilenden Fall zur Bejahung der Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens, da das vorliegende Verfahren nach § 7 Abs 3 EO den Vorschriften des Titelverfahrens, also der ZPO, unterliegt (3 Ob 204/00x ua).

Ist aber die Anfechtung des den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung abweisenden Beschlusses des Rekursgerichtes in Analogie zu § 521a ZPO in einem zweiseitigen Rekursverfahren auszutragen, so ist eine Gleichschrift des Rechtsmittels dem Gegner zur Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung zuzustellen.

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