OGH 6Nc24/06s

OGH6Nc24/06s31.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und Dr. Kalivoda sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei S*****, vertreten durch Mag. Dipl. Ing. Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Ing. Mag. Andreas R*****, vertreten durch Mag. Andreas Zach, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligen Mietzinses (AZ 48 C 173/05f des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien), den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Ablehnungsantrag betreffend die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras, sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt in dem gegen den Beklagten anhängigen Räumungsverfahren betreffend eine Wohnung in Wien unter anderem die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382f EO in Höhe von monatlich 214,81 EUR. Die Vorinstanzen wiesen im ersten Rechtsgang dieses Sicherungsbegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof gab durch seinen 8. Senat in dessen geschäftsverteilungsgemäßer Zusammensetzung (Hon. Prof. Dr. Langer, Dr. Spenling, Dr. Kuras, Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig) dem Revisionsrekurs der Klägerin teilweise Folge und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich des Zeitraums ab 18. 5. 2005 auf; er trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf (8 Ob 100/05x = RZ 2006/18).

Das Erstgericht verpflichtete nunmehr im zweiten Rechtsgang den Beklagten zur Leistung einstweiligen Mietzinses in Höhe von monatlich 150,87 EUR vom 1. 5. bis 31. 12. 2005 und in Höhe von monatlich 150,59 EUR ab 1. 1. 2006. Das Rekursgericht änderte die einstweilige Verfügung dahin ab, dass die zu leistenden Mietzinse 134,76 EUR bzw 134,20 EUR betragen. Diese Entscheidung wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beklagten am 10. 5. 2006 zugestellt.

Der Beklagte erhob durch seinen Vertreter am 24. 5. 2006 einen außerordentlichen Revisionsrekurs und überreichte am 26. 5. 2006 einen von ihm am 25. 5. 2006 persönlich verfassten Ablehnungsantrag. Dieser richtete sich einerseits gegen die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Kodek sowie Hon. Prof. Dr. Neumayr und andererseits gegen die Mitglieder des 8. Senats.

Am 31. 5. 2006 stellte der Oberste Gerichtshof durch die Vorsitzende seines 8. Senats, der auch für die Entscheidung über Ablehnungsanträge gegen Mitglieder zivilrechtlicher Senate des Obersten Gerichtshofs zuständig ist, die „Eingabe [des Beklagten] vom 25. Mai 2006" mit dem Bemerken zurück, „dass beim Obersten Gerichtshof derzeit kein Verfahren anhängig ist" (8 Nc 10/06x). Am 7. 6. 2006 wurde der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten dem Obersten Gerichtshof vorgelegt. Er ist dort zu 8 Ob 77/06s anhängig, eine Entscheidung liegt noch nicht vor. Am 26. 6. 2006 langte beim Obersten Gerichtshof eine vom Beklagten (wiederum) persönlich verfasste Eingabe ein. Mit dieser bringt er seinen Ablehnungsantrag vom 25. 5. 2006 „wieder" ein. Die Mitglieder des 8. Senats des Obersten Gerichtshofs, die der Beklagte in der erwähnten Eingabe abgelehnt hatte und die nunmehr wiederum zur Entscheidung über seinen außerordentlichen Revisionsrekurs berufen sind, erklärten am 3. 8. 2006, „den Ablehnungswerber nicht zu kennen und sich nicht befangen zu fühlen". Sie übermittelten die Akten dem 6. Senat des Obersten Gerichtshofs im Sinne des Punkts VIII. C) 2. der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag des Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

1. Das Ablehnungsverfahren richtet sich, soweit die §§ 19 bis 25 JN keine Sonderregelungen enthalten, immer nach den Vorschriften für das Verfahren, in dem die Ablehnung erfolgt (Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 520 Rz 23 mwN). Dies betrifft auch die Frage der Anwaltspflicht.

Der Ablehnungsantrag des Beklagten ist nicht von einem Rechtsanwalt unterfertigt. Dies schadet aber nicht. Die Anordnung der §§ 513, 463 Abs 2 bzw § 520 ZPO über die Notwendigkeit der Fertigung von Revisionen bzw Revisionsrekursen durch einen Rechtsanwalt als formelle Zulässigkeitsvoraussetzung kommt nicht zum Tragen. Der Oberste Gerichtshof wird nicht als Rechtsmittel-, sondern als Erstgericht tätig. Maßgeblich ist somit vielmehr, ob sich der Beklagte im Verfahren erster Instanz durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müsste (vgl 7 Ob 60/06h).

Gegenstand dieses Verfahrens sind Mietzinsrückstände und ein Räumungsbegehren betreffend eine Wohnung. Gemäß § 49 Abs 2 Z 5 JN sind diese Ansprüche vor dem Bezirksgericht geltend zu machen (vgl Simotta in Fasching, ZPO² [2000] § 49 JN Rz 83, 86 mwN). In Verfahren, die in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fallen, gilt grundsätzlich nicht absolute Anwaltspflicht; der Beklagte könnte das Verfahren auch ohne anwaltliche Vertretung führen (§ 27 Abs 2 ZPO).

Damit bedarf aber auch sein Ablehnungsantrag keiner Anwaltsfertigung.

2. Gemäß § 19 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn nach objektiver Prüfung und Beurteilung ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Ein derartiger Grund ist hier nicht gegeben.

2.1. Der Beklagte lehnt zunächst die beiden Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Kodek und Hon. Prof. Dr. Neumayr mit der Begründung ab, diese hätten „in einem öffentlichen Medium, nämlich in der Zeitschrift Zivilrecht Aktuell (4/2006, 2. Jahrgang) den Beschluss ... 8 Ob 100/05x als Herausgeber öffentlich und vor Rechtskraft des Verfahrens kommentiert". Dabei seien sie von einer Tatsache ausgegangen, die im ersten Rechtsgang so gar nicht festgestellt worden war. Dadurch sei der „subjektive Eindruck" entstanden, dass für die [Klägerin] öffentlich Partei ergriffen wurde und die Untergerichte beeinflusst werden sollten".

Auf diese Ausführungen braucht allerdings allein schon deshalb nicht weiter eingegangen zu werden, weil weder Univ. Doz. Dr. Kodek noch Hon. Prof. Dr. Neumayr Mitglieder des 8. Senats des Obersten Gerichtshofs und daher auch nicht zur Entscheidung über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten berufen sind. Über deren Ablehnung ist daher nicht zu entscheiden.

2.2. Der Beklagte lehnt weiters die Mitglieder des 8. Senats des Obersten Gerichtshofs ab. Es bestehe die „objektivierte Besorgnis, dass die abgelehnten Richter ... die [zu 2.1.] abgelehnten Richter verteidigen und die 'Richtigkeit' der im ZAK geäußerten Ansichten bestätigen".

Für eine derartige Besorgnis bestehen keinerlei Anhaltspunkte; der Beklagte vermag solche auch nicht aufzuzeigen. Es kann bei jedem Richter in Österreich grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass er sich sein Urteil an Hand der konkreten Akten- und Sachverhaltsgrundlage sowie unter Berücksichtigung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und der von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätze bildet; wissenschaftliche Arbeiten stellen (lediglich) Entscheidungshilfen in Rechtsfragen dar, können sich aber nicht auf die konkrete Akten- und Sachverhaltsgrundlage auswirken. Dies gilt auch für wissenschaftliche Arbeiten, die von Mitgliedern des Obersten Gerichtshofs verfasst wurden.

2.3. Der Beklagte versucht darüber hinaus, seinen Ablehnungsantrag damit zu begründen, dass in der Entscheidung 8 Ob 100/05x sein Vorbringen (jedenfalls zum Teil) nicht beachtet worden sei bzw ihm Vorbringen unterstellt worden sei, das er so nicht getätigt habe; außerdem seien die Rechtsgrundlagen (zum Teil) verkannt worden. Damit übersieht der Beklagte aber, dass die Unrichtigkeit einer Entscheidung grundsätzlich keinen Befangenheitsgrund darstellt (Ballon in Fasching, ZPO² [2000] § 19 JN Rz 10 mwN). Er versucht mit seiner Vorgangsweise vielmehr, die Tatsache zu unterlaufen, dass der Oberste Gerichtshof in letzter Instanz entscheidet und dass daher Entscheidungen seiner Senate auch nicht im Wege der Entscheidung über einen Ablehnungsantrag von einem anderen Senat einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen werden können.

Der Ablehnungsantrag des Beklagten war daher auch insoweit zurückzuweisen.

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