OGH 7Ob180/06f

OGH7Ob180/06f30.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OEG in Graz, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 55.008,33 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 17. Mai 2006, GZ 6 R 208/05p-16, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Juli 2005, GZ 50 Cg 64/05z-11, infolge Berufung der klagenden Partei aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO iVm § 528a ZPO kann sich die Zurückweisung eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Das Berufungsgericht hat die Rechtsansicht des Erstgerichtes, die erst nach der einjährigen Ausschlussfrist des § 12 Abs 3 VersVG erhobene Klage sei verfristet, nicht geteilt, weil mangels eines den Erfordernissen des § 12 Abs 2 VersVG genügenden Ablehnungsschreibens die einjährige Präklusivfrist nicht in Gang gesetzt worden sei. Das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 12. 3. 2004 habe den in Abs 2 leg cit normierten Voraussetzungen nicht entsprochen, weil es keinen Hinweis auf eine Tatsache enthalte, die darauf schließen ließe, warum der Versicherungsschutz abgelehnt werde; ebenso fehle die Anführung einer gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung für die Ablehnung des Versicherungsschutzes. Da die Ansprüche der Klägerin demnach nicht verjährt seien, fehlten Feststellungen, die eine Überprüfung der von der Beklagten eingewendeten Obliegenheitsverletzungen ermöglichten.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zulässig sei, da Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt nicht vorliege. Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 zweiter Satz ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs gemäß § 519 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet das Fehlen oberstgerichtlicher Judikatur zu einem vergleichbaren Sachverhalt keineswegs, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt. Besonderheiten der Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des Obersten Gerichtshofes sogar eher aus (RIS-Justiz RS0102181).

Auch das von der Rekurswerberin als Zulassungsgrund ins Treffen geführte Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu, welche Mindesterfordernisse ein Ablehnungsschreiben nach § 12 Abs 3 VersVG zu erfüllen habe, rechtfertigt die Zulassung des vorliegenden Rechtsmittels nicht: Strittig ist hier allein, ob die Beklagte die Ansprüche der Klägerin mit Schreiben vom 12. 3. 2004 „in einer dem Abs 2 leg cit entsprechenden Weise" abgelehnt hat. Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufgeworfen. Stellt doch nach ständiger Rechtsprechung die Subsumtion eines Sachverhaltes unter den unmissverständlichen Wortlaut einer Norm - auch bei Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - keine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn sich das Rechtsproblem aus dem Gesetzeswortlaut selbst, aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang (§ 6 ABGB) lösen lässt und diese Lösung in der Lehre unstrittig ist (RIS-Justiz RS0107154; RS0042824).

Dies trifft hier zu. § 12 Abs 2 VersVG lautet:

Ist ein Anspruch des Versicherungsnehmers beim Versicherer angemeldet worden, so ist die Verjährung bis zum Einlangen einer schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt, die zumindest mit der Anführung einer der Ablehnung derzeit zugrunde gelegten Tatsache und gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung begründet ist. Nach 10 Jahren tritt jedoch die Verjährung jedenfalls ein.

Der Wortlaut dieser Bestimmung lässt keinerlei Zweifel daran, dass ein die Deckungspflicht ganz oder teilweise ablehnendes Schreiben des Versicherers die Hemmung der Verjährung nur dann beseitigt, wenn darin auch die Begründung enthalten ist, welche Tatsache und welche gesetzliche oder vertragliche Bestimmung dafür maßgeblich waren. Diese durch die Versicherungsvertrags-Novelle 1994 normierte Begründungspflicht, auf die der Oberste Gerichtshof im Übrigen bereits in der Entscheidung 7 Ob 268/03t unter Zitierung der betreffenden Gesetzespassage ausdrücklich hingewiesen hat, wird auch im Schrifttum einhellig betont (Schauer, Versicherungs-Vertragsrecht3 205 f; Fenyves/Kronsteiner/Schauer, VersVG Novellen § 12 Rz 9; Prölss in Prölss/Martin VVG27 § 12 Rn 74; Gruber in BK § 12 VVG Rn 138). Für eine einschränkende, das Erfordernis jedweder Begründung praktisch „weginterpretierende" Auslegung im Sinne der Ausführungen der Rekurswerberin, es müsse lediglich dem Versicherungsnehmer klar vor Augen geführt werden, dass jedwede Zahlung abgelehnt werde, besteht keinerlei Anhaltspunkt. Der klare Wortlaut der Bestimmung steht auch der Meinung der Rekurswerberin entgegen, es müsse genügen, wenn dem Versicherungsnehmer die Begründung auf Grund einer mündlichen Eröffnung bekannt sei.

Ob der also gesetzlich normierten Begründungspflicht im konkreten Fall entsprochen wurde, lässt sich nicht generalisierend, sondern nur einzelfallbezogen sagen. Ein Grund für die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof läge daher nur dann vor, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof wahrgenommen werden müsste. Davon kann aber im vorliegenden Fall gar keine Rede sein. Hat doch die Beklagte im Ablehnungsschreiben vom 12. 3. 2004 lediglich lapidar ausgeführt, dass für das Schadensereignis kein Versicherungsschutz bestehe und sie deshalb den am Fahrzeug entstandenen Schaden nicht ersetzen könne.

Da demnach ein tauglicher Grund für die Zulassung des Rekurses nicht vorliegt, muss das Rechtsmittel der Beklagten zurückgewiesen werden. Die Klägerin hat in der Rekursbeantwortung lediglich auf die Unrichtigkeit der Rekursausführungen, nicht aber auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihrer Prozessgegnerin hingewiesen. Ihr fallen daher die Kosten der - einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht dienlichen - Rekursbeantwortung gemäß § 40 iVm § 50 Abs 1 ZPO selbst zur Last.

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