OGH 6Ob97/06t

OGH6Ob97/06t24.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich M*****, vertreten durch Dr. Riedl & Dr. Ludwig Rechtsanwälte GmbH in Haag, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Christian E*****, 2. Gabriele E*****, beide vertreten durch Dr. Oswin Lukesch und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 508,71 EUR sA, Widerruf (Streitwert 4.360,37 EUR) und Unterlassung (Streitwert 4.360,37 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 2. Dezember 2005, GZ 21 R 293/05d-114, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom 18. Juli 2005, GZ 2 C 1069/02p-103, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den OGH nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Beklagten nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision auf Grund eines Abänderungsantrags nach § 508 Abs 1 ZPO nachträglich für zulässig erklärt, weil es „die letzte Tatbestandsvariante des § 502 Abs 1 ZPO" als gegeben erachtete. Einerseits verlange die Rechtsprechung im Zusammenhang mit § 1330 Abs 2 ABGB die bewusste Förderung des Täters (unter Hinweis auf RIS-Justiz RS0031901), andererseits werde für eine Gehilfenhaftung offenbar das In-Kauf-Nehmen der Tatbestände, die das rechtswidrige Verhalten des Täters begründen, als ausreichend angesehen (unter Hinweis auf RIS-Justiz RS0031329).

2. Die Beklagten nahmen im Spätsommer 2001 gegen Entgelt an einem vom Kläger veranstalteten und mit seinem Segelschiff der Type Delta 45 durchgeführten Segeltörn im westlichen Mittelmeer teil. Der Kläger übte dabei die Funktion eines Skippers aus.

Nach dem vorzeitigen Abbruch des Segeltörns durch die Beklagten und deren Rückkehr nach Österreich verfasste der Erstbeklagte eine Sachverhaltsdarstellung über die nach Meinung der Beklagten vorgefallenen Ereignisse. Darin ist die Rede von einem „völlig heruntergekommenen und verwahrlosten Kahn", von Verschmutzungen, von Insekten und Käfern im Kühlschrank, von fehlenden Rettungswesten und -mitteln fehlenden, üblichen Seekarten und erforderlichem Werkzeug sowie von einer vierstündigen Manövrierunfähigkeit des Segelschiffs während des Segeltörns. Beide Beklagten unterfertigten diese Sachverhaltsdarstellung, die an keinen speziellen Adressaten gerichtet war. Ausfertigungen davon händigte der Erstbeklagte in weiterer Folge einem Mitglied des A***** Segelstammtischs und einem Mitglied des Österreichischen Segelverbands aus. Beide Beklagten übergaben eine Ausfertigung samt einer Aufstellung eigener Ansprüche gegenüber dem Kläger an dessen Ehegattin zur Weitergabe an den Kläger; diese Ausfertigung befand sich nicht etwa in einem verschlossenen Kuvert, sondern wurde lose übergeben. Die Ehegattin des Klägers zeigte die Sachverhaltsdarstellung einem gemeinsamen Bekannten der Parteien, der Kläger selbst einem Bekannten, der wenige Wochen zuvor ebenfalls einen Segeltörn mit dem Kläger unternommen hatte.

Die von den Beklagten behaupteten Umstände und Ereignisse konnten von den Vorinstanzen nicht festgestellt werden.

3.1. Das Berufungsgericht bejahte die Passivlegitimation (auch) der Zweitbeklagten. Für die Verbreitung im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB genüge Mitursächlichkeit; Ansprüche richteten sich nicht nur gegen den unmittelbaren Täter, sondern auch gegen den Mittäter, den Anstifter und den Gehilfen des eigentlichen Störers. Durch die Mitunterfertigung der Sachverhaltsdarstellung, deren Aushändigung an den Erstbeklagten und die Übergabe an die Ehegattin des Klägers habe die Zweitbeklagte „wohl prinzipiell eine Verbreitungsmöglichkeit in Kauf" genommen.

Die Zweitbeklagte hält dem in der Revision entgegen, Voraussetzung für ihre Haftung nach § 1330 Abs 2 ABGB wäre die bewusste Förderung des Erstbeklagten; eine solche sei aber nicht festgestellt worden. Dass sie eine Verbreitungsmöglichkeit in Kauf genommen habe, reiche nicht aus. Sie habe durch Unterfertigung der Sachverhaltsdarstellung lediglich ihre Ansprüche gegenüber dem Kläger durchsetzen wollen. Im Übrigen habe der Erstbeklagte die Sachverhaltsdarstellung weiteren Personen ausgehändigt, er sei also die treibende Kraft gewesen. Selbst wenn die Zweitbeklagte die Sachverhaltsdarstellung nicht unterfertigt hätte, wäre sie vom Erstbeklagten verbreitet worden; ihr Verhalten sei daher nicht ursächlich gewesen. Die Übergabe der Sachverhaltsdarstellung an die Ehegattin des Klägers sei kein Verbreiten im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB gewesen; diese sei lediglich als „Botin" anzusehen, mit einer Weiterverbreitung hätten die Beklagten nicht rechnen müssen. Jedenfalls habe es sich um eine vertrauliche Weitergabe gehandelt.

3.2. Die Sachverhaltsdarstellung bedient sich der „Wir-Form", sie wurde auch von der Zweitbeklagten unterfertigt. Damit hat die Zweitbeklagte aber mehr als deutlich gemacht, dass sie sich auch persönlich mit deren Inhalt identifizierte. Sie ist unmittelbare Täterin (vgl 6 Ob 337/99y). Auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt es somit gar nicht an.

3.3. Verbreiten im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB ist das Mitteilen einer Tatsache. Es reicht aus, dass die Mitteilung an eine einzige, vom Verletzten verschiedene Person erfolgt (st Rsp, s 4 Ob 320/77 = SZ 50/86; RIS-Justiz RS0031781; vgl auch die Nachweise aus der Lehre bei Danzl in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB [2005] § 1330 Rz 5). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen übergaben beide Beklagten eine Ausfertigung der Sachverhaltsdarstellung an die Ehegattin des Klägers; diese Ausfertigung befand sich nicht etwa in einem verschlossenen Kuvert, sondern wurde lose übergeben. Damit hat die Zweitbeklagte die Sachverhaltsdarstellung selbst verbreitet. Ob der Erstbeklagte (allein) die Sachverhaltsdarstellung auch noch anderen Personen zugänglich machte und ob dies mit oder ohne Einverständnis der Zweitbeklagten erfolgte, ist unerheblich. Ebenso wenig kommt es auf die in der Revision als erheblich bezeichnete Rechtsfrage an, ob für das Verbreiten auch Fahrlässigkeit genügt.

3.4. § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB enthält Rechtfertigungsgründe zu

Gunsten des Täters (6 Ob 37/95 = SZ 69/12 mwN); sie sind nicht

abschließend aufgezählt (6 Ob 654/88 = SZ 62/186 = MR 1990, 20

[Korn]). Auch die Vertraulichkeit einer Mitteilung, auf die sich die Beklagten in ihrer Revision berufen, kann ein solcher Rechtfertigungsgrund sein. Eine vertrauliche Mitteilung liegt aber nur dann vor, wenn sie sich an einen ganz bestimmten Personenkreis richtet und die vertrauliche Behandlung ausdrücklich zur Pflicht gemacht wurde oder sich aus den Umständen eindeutig ergibt oder nach den Regeln des Verkehrs besteht (4 Ob 144/98z = ÖBl 1999, 29 ua). Öffentlich verbreitet wird eine Tatsache somit auch dann, wenn die Mitteilung nur an eine Person erfolgte, aber keine Gewähr dafür bestand, dass der Empfänger die Mitteilung vertraulich behandeln werde (6 Ob 37/95; RIS-Justiz RS0031906, RS0032413). Dass eine derartige Vertraulichkeit mit der Ehegattin des Klägers vereinbart worden wäre, lässt sich den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnehmen. Ebenso wenig ist ersichtlich, weshalb Gewähr dafür bestehen hätte sollen, dass sie die ihr offen übergebene Sachverhaltsdarstellung vertraulich behandeln würde. Dass die Beklagten selbst sie lediglich als „Botin" angesehen haben wollen, vermag daran nichts zu ändern. Diese Umstände fallen aber den Beklagten, die als Mitteilende beweispflichtig gewesen wären (st Rsp, s 6 Ob 2235/96m = EvBl 1997/159 mwN), zur Last.

4. Die Beklagten meinen, „die inkriminierten Äußerungen" seien entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht als Tatsachenbehauptungen zu werten. Dies gelte insbesondere für die Behauptung, dass es sich beim Schiff des Klägers um einen völlig heruntergekommenen und verwahrlosten Kahn handle. Die Aussage bedeute lediglich, dass „das Schiff nicht dem notwendig subjektiven Standard der Beklagten entsprach"; der Erstbeklagte sei Arzt, die Zweitbeklagte damals seine Lebensgefährtin gewesen. Ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für den unbefangenen Durchschnittsadressaten. Wesentlich ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (6 Ob 295/03f = MR 2005, 371 mwN). Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts ist dabei im allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere der konkreten Formulierung und dem Zusammenhang, in dem sie geäußert wurde, abhängt (6 Ob 160/99v).

Die Behauptungen der Beklagten über Verschmutzungen, Insekten und Käfer im Kühlschrank, fehlende Rettungswesten und -mittel, fehlende übliche Seekarten und erforderliches Werkzeug sowie über eine vierstündige Manövrierunfähigkeit des Segelschiffs während des Segeltörns sind einem Beweis zugänglich; die Behauptung, dass es sich beim Schiff des Klägers um einen völlig heruntergekommenen und verwahrlosten Kahn handle, wurde von den Beklagten in unmittelbarem Zusammenhang damit aufgestellt. Die Auffassung des Berufungsgerichts ist daher nicht zu beanstanden. Wenn die Beklagten tatsächlich ihren „subjektiven Standard" betonen wollten, hätten sie dies in geeigneter Weise hervorheben müssen und nicht durch unwahre Behauptungen unterlegen dürfen.

5. Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens machen die Beklagten geltend, das Berufungsgericht habe sich mit ihrer Beweisrüge zur Frage der Unterbringung der Gasflaschen zu Unrecht aus formellen Gründen nicht auseinandergesetzt. Die Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Es sei lediglich darauf verwiesen, dass das Berufungsgericht sich mit der Beweisrüge auch in diesem Punkt inhaltlich auseinander gesetzt hat. Das formelle Argument war lediglich eines von mehreren.

6. Der Kläger ist nicht nur Prüfer beim Österreichischen Segelverband, sondern veranstaltet immer wieder Segeltörns mit seinem Segelschiff; dabei verlangt er üblicherweise ein Entgelt. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass er durch die unwahren Behauptungen der Beklagten in seinem Erwerb und Fortkommen gefährdet sein kann. Ob er über eine Gewerbeberechtigung verfügt, spielt dabei keine Rolle. Mit ihren Ausführungen in der Revision, die Segeltörns des Klägers seien sein „reines Hobby", im Übrigen habe er sich aus allen Funktionen beim Österreichischen Segelverband zurückgezogen, weichen sie von den Feststellungen der Vorinstanzen ab.

7. Die Überlegungen der Beklagten, ihre „Äußerungen" hätten die Ehre des Klägers nicht beeinträchtigt, berücksichtigen nicht, dass die Vorinstanzen die Verurteilung der Beklagten auf § 1330 Abs 2 ABGB gestützt haben.

8. Die Frage, ob einzelne Behauptungen wahr oder unwahr gewesen sind (konkret: Fehlen erforderlichen Werkzeugs; Käfer und Insekten im Kühlschrank), betrifft lediglich den Einzelfall.

Die Revision der Beklagten war somit zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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