OGH 1Ob70/06k

OGH1Ob70/06k16.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans P*****, vertreten durch Kreissl & Pichler & Walther Rechtsanwälte GmbH in Liezen, wider die beklagte Partei Franz S*****, vertreten durch Mag. Michaela Hämmerle und Mag. Andreas Hämmerle Rechtsanwälte GesbR in Rottenmann, wegen 7.442,25 EUR sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 10. November 2005, GZ 1 R 297/05a-51, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Liezen vom 31. Juli 2005, GZ 2 C 456/02a-42, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 3.721,13 EUR sA statt und wies ein Mehrbegehren von 3.721,12 EUR sA ab.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf. Es verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es zu, weil „neben einer Reihe allgemeiner schadenersatzrechtlicher Aspekte insbesondere auch die Frage eines etwaigen Mitverschuldens des Klägers wegen der Nichtherstellung einer Flutmulde über seinen Weg zu klären" gewesen sei „und dieser Frage ... wegen der Vielzahl derartiger Wege in Österreich eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung" zukomme.

Der Rekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach Meinung des Berufungsgerichts ist die Anlegung von Flutmulden zum Schutz von Wegen gegen Ausschwemmungen - trotz einer fehlenden Rechtspflicht - "üblich und grundsätzlich auch notwendig". Vor dem als Klagegrund herangezogenen Ereignis 2002 sei am Weg des Klägers durch das im Kirchgraben abfließende Wasser jedenfalls seit 1967 noch nie ein Schaden eingetreten. Deshalb sei dem Kläger die unterbliebene Anlegung einer Flutmulde - angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Beklagten - nicht als ein messbares Mitverschulden wegen einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten anzulasten.

2. Der Beklagte ist wie das Berufungsgericht der Ansicht, dass keine Rechtspflicht zur Herstellung von Flutmulden besteht (vgl zur Herstellung von Schutzbauten nach Wasserrecht 1 Ob 279/02i = EvBl 2003/127), solche Mulden seien jedoch üblich und entsprächen dem Stand der Technik. In der Unterlassung der Herstellung einer derartigen Schutzvorrichtung sei daher "jedenfalls ein Verschulden zu sehen", sodass der Kläger den Aufwand für die Beseitigung des an seinem Weg entstandenen Schadens selbst zu tragen habe.

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wirft die Beurteilung des Vorliegens und des allfälligen Ausmaßes eines Mitverschuldens des Geschädigten nur im Fall einer krassen Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0087606). Das gilt auch für die Lösung der Frage, ob ein allfälliges geringfügiges Mitverschulden des Geschädigten zu vernachlässigen ist (7 Ob 40/04i).

4. Ob den Eigentümern von Wegen die Unterlassung der Anlegung von Flutmulden als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten anzulasten ist, lässt sich nur nach den konkreten Umständen des jeweiligen Falls beurteilen. Allgemein gültige Leitlinien, die für eine größere Zahl ähnlicher Sachverhalte repräsentativ sein könnten, lassen sich insofern nicht bilden, werden doch letztlich immer die singulären örtlichen Verhältnisse - wie etwa das Terrain, der Untergrund, die Vegetation, die natürlichen Abflussverhältnisse, die Bauweise bestehender Wasserretentionsanlagen, der Durchmesser von Rohrleitungen, die Gefahr der Verklausung der Rohröffnungen nach spezifischen örtlichen Verhältnissen usw - ausschlaggebend sein. Hier steht fest, dass es "infolge der Schneeschmelze nahezu in jedem Frühjahr regelmäßig zu einer gewissen Überstauung des Hochmoores über die Abflussrohrhöhe hinaus" gekommen war, an den "darunter liegenden Wegen" deshalb seit 1967 aber dennoch nie ein Schaden eintrat. Angesichts dessen vermag der Oberste Gerichtshof auf dem Boden der unter 3. erörterten Rechtslage nicht zu erkennen, dass das Berufungsgericht die im Rekurs behandelte Verschuldensfrage gravierend unrichtig gelöst hätte.

5. Gemäß § 526 Abs 2 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die Beurteilung der zweiten Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden. Nach den voranstehenden Erwägungen wird im Rekurs keine erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen, von deren Lösung die Entscheidung abhinge. Das Rechtsmittel des Beklagten ist somit zurückzuweisen. Gemäß § 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

6. Der Kläger wies auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hin. Ihm fallen daher die Kosten der - einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht dienlichen - Rekursbeantwortung gemäß § 40 iVm § 50 Abs 1 ZPO selbst zur Last.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte