OGH 3Ob64/06t

OGH3Ob64/06t26.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Österreichischer Rundfunk, Wien 13, Würzburggasse 30, vertreten durch Korn Frauenberger, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die verpflichtete Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung gemäß § 355 EO, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. Jänner 2006, GZ 46 R 58/06d-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 16. November 2005, GZ 13 E 3456/05m-4, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wieder hergestellt wird.

Die verpflichtete Partei hat der betreibenden Partei die mit 1.692 EUR (darin 282 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die verpflichtete Partei hat es aufgrund einer einstweiligen Verfügung (EV) vom 5. April 2005 im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu unterlassen, beim Vertrieb von Pay-TV-Programmen, insbesondere „Premiere Austria" und/oder „Premiere Film" und/oder „Premiere Sport" gegenüber Verbrauchern unentgeltliche Sachzugaben, insbesondere eine exklusive Flieger- bzw Pilotenuhr, anzukündigen und/oder zu gewähren. Wegen behaupteter Verstöße gegen diesen Exekutionstitel wurde der betreibenden Partei am 11. August 2005 die Exekution gemäß § 355 EO bewilligt und eine Geldstrafe von 10.000 EUR über die verpflichtete Partei verhängt. Der von ihr erhobene Rekurs wurde wegen Verspätung zurückgewiesen. Wegen behaupteter weiterer Verstöße der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel verhängte das Erstgericht am 16. November 2005 eine weitere Geldstrafe von 12.000 EUR. Nach dem Antragsvorbringen der betreibenden Partei habe die verpflichtete Partei ihre kostenpflichtigen Fernsehprogramme mit dem Angebot „Neuer Digital-Receiver gratis" und den Text „Holen sie sich 12 Monate Premiere Austria, 3 Monate Premiere Sport und einen Digital-Receiver um nur 99 EUR" beworben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei Folge und wies den „zweiten Strafantrag" der betreibenden Partei ab. Es folgte den Rekursbehauptungen der verpflichteten Partei, dass diese zwei Hauptleistungen beworben und nicht den Eindruck von Haupt- und Nebenwaren erweckt habe. Nach der oberstgerichtlichen Rsp sei bei der Kombination zweier Waren kein Zugabenverstoß iSd § 9a UWG gegeben, weil kein unsachlicher Kaufanreiz für den Erwerb der jeweils anderen Ware ausgelöst werde. Bei Gesamtsachen, die nach der Verkehrsauffassung eine Einheit bildeten und regelmäßig zusammen verkauft werden, werde ein einheitliches Entgelt berechnet. Ob eine Werbeankündigung als Anbot einer Wareneinheit, mehrerer Hauptwaren oder einer Haupt- und Nebenware aufzufassen sei, richte sich nach der Verkehrsanschauung. Hier sei nach Ansicht des Rekursgerichts eine Wareneinheit so gegeben, wie sie in der Entscheidung 4 Ob 95/99w für die Funktionseinheit bei einem Mobiltelefon und dem Netzzugang angenommen worden sei. Der Erwerb des Mobiltelefons werde letztlich mit der Gegenleistung finanziert, die im Rahmen des „Netzkartenvertrags" zu erbringen sei. Im vorliegenden Fall sei der für den Programmempfang notwendige Digitalreceiver keine verbotene Zugabe iSd § 9a UWG.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rsp zu der Frage fehle, ob zu einem Pay-TV-Abonnement ein gratis angebotener Digitalreceiver unter das Zugabenverbot des § 9a UWG falle. Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt die betreibende Partei die Abänderung dahin, dass der erstinstanzliche Strafbeschluss wieder hergestellt werde.

Die verpflichtete Partei beantragt mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Vorauszuschicken sind folgende in der oberstgerichtlichen Rsp vertretenen Grundsätze:

1. Der betreibende Gläubiger muss bei der Unterlassungsexekution nach § 355 EO im Strafantrag das Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel konkret und schlüssig behaupten. Der Strafantrag ist nur abzuweisen, wenn sich die Unrichtigkeit der Behauptungen schon aus den vorgelegten Bescheinigungsmitteln ergibt (RIS-Justiz RS0113988). Das Erfordernis konkreter Behauptungen soll es dem Verpflichteten ermöglichen, allenfalls Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung (den Strafbeschluss) gemäß § 36 Abs 1 Z 1 EO zu erheben (RIS-Justiz RS0000709). Das Exekutionsgericht führt demnach schon mangels Anhörung der verpflichteten Partei kein Verfahren über strittige Umstände und kontroversielles Parteivorbringen durch.

2. Auch in Exekutionssachen herrscht im Rekursverfahren das Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0002371).

3. Der Exekutionsantrag ist dahin zu prüfen, ob das Begehren (§ 54 EO) durch den Exekutionstitel gedeckt ist (§ 7 EO). Bei der Auslegung einer titelmäßigen Unterlassungsverpflichtung nach § 9a UWG kann auf die Judikatur zu unzulässigen, unentgeltlichen Zugaben zurückgegriffen werden (3 Ob 162/03z, 163/03x = SZ 2004/26).

4. Der Oberste Gerichtshof vertritt zu § 9a UWG in stRsp folgende Grundsätze:

a) Wesentliche Voraussetzung der Unzulässigkeit einer Zugabe ist der Umstand, dass die gekoppelt angebotenen Waren im Verhältnis Hauptsache und unentgeltlicher Zugabe stehen. Dies trifft dann nicht zu, wenn etwa für Gesamtsachen oder Gegenstände, die nach der Verkehrsauffassung eine Einheit bilden und regelmäßig zusammen verkauft werden, ein einheitliches Entgelt berechnet wird. Ein zugabenrechtlicher Tatbestand liegt aber auch dann nicht vor, wenn zwei Hauptwaren oder Hauptleistungen zu einem Gesamtpreis zusammen angeboten werden. Ob eine Werbeankündigung als das Angebot einer Wareneinheit, mehrerer Hauptwaren oder einer Haupt- und Nebenware aufzufassen ist, richtet sich nach der Verkehrsanschauung (4 Ob 2240/96g = MR 1997, 49 mwN; 4 Ob 95/99w = MR 1999, 239). Die Verkehrsauffassung ist vom Gericht als Rechtsfrage zu beurteilen, soweit dazu die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen (4 Ob 399/84 = ÖBl 1985, 108 ua).

b) Bei der gemeinsamen Abgabe mehrerer Waren oder Leistungen, die eine im Geschäftsverkehr übliche oder nützliche Kombination bilden, daneben aber auch selbständig angeboten werden, sind allein aus der Verkehrsauffassung über die Zusammengehörigkeit der Waren keine eindeutigen Aufschlüsse zu gewinnen, ob eine Zugabe vorliegt. Dann kommt es entscheidend auf die Art und Weise an, in welcher der Werbende seine Warenkombination anbietet. Diese entscheidet, ob eine Zuwendung als Teil der Hauptleistung, als weitere Hauptleistung im Rahmen einer Kombination oder aber als Zugabe zu werten ist (4 Ob 312/87 = SZ 60/30).

c) Eine verbotene Zugabenankündigung liegt auch dann vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise die in Aussicht gestellte zweite Ware irrig für eine Zugabe halten, weil durch die Art der Werbung der verpönte Anlockeffekt verwirklicht wird (4 Ob 221/98y = MR 1998, 356). Entscheidend ist der Eindruck, in welcher Weise die Leistung dem Käufer angeboten oder angekündigt wird (4 Ob 22/94 = ÖBl 1994, 162).

II. Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen ist der Revisionsrekurswerberin zuzustimmen, dass das Rekursgericht ohne entsprechende Sachverhaltsfeststellungen und allein von den Behauptungen der verpflichteten Partei in ihrem Rekurs ausgehend eine Vergleichbarkeit mit dem mit der Entscheidung 4 Ob 95/99w entschiedenen Fall, hier also eine Funktionseinheit von Teilnehmervertrag und Digitalreceiver bejahte. Dem stehen jedoch folgende Erwägungen entgegen:

1. Unstrittig ist der Umstand, dass am Markt Digitalreceiver auch allein angeboten werden, mit denen unverschlüsselte TV-Programme empfangen werden können. Unstrittig ist ferner, dass mit dem, mit Zusatzfunktionen ausgestatteten Digitalreceiver der verpflichteten Partei auch unverschlüsselte Programme empfangen werden können. Der Vorteil eines Käufers, der das Anbot der verpflichteten Partei annimmt, besteht darin, dass er das befristete Teilnehmerprogramm erhält und daneben alle unverschlüsselten Programme empfangen kann und letzteres auch nach Auslaufen des Pay-TV-Vertrags weiter möglich ist. Der Geldeswert ist naheliegend. Eine Geringwertigkeit der Zuwendung iSd § 9a Abs 2 Z 4 UWG ist nicht notorisch.

2. Die Fragen der Funktionseinheit der Waren, des üblicherweise gemeinsamen Verkaufs sowie der Auffassung des Verkehrs sind entgegen der Ansicht der verpflichteten Partei keine nach der Erfahrung des täglichen Lebens feststehende Tatsachen. Diese werden vielmehr im ohnehin schon anhängigen Verfahren über die Impugnationsklage der verpflichteten Partei festzustellen sein. Die parallel dazu im Rekurs der Verpflichteten an die zweite Instanz vorgetragenen Sachverhaltsbehauptungen unterlagen dem Neuerungsverbot. Strittige Tatfragen sind im Impugnationsprozess zu entscheiden.

3. Im Exekutionsverfahren ist allein nach den Parteibehauptungen der betreibenden Partei das Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel zu prüfen. Danach liegt hier der Verstoß in der Ankündigung einer unentgeltlichen Sachzuwendung (arg.: „gratis"). Der Eindruck der Unentgeltlichkeit wird auch nicht dadurch zerstört oder beeinträchtigt, dass die verpflichtete Partei in ihrer Werbung in einem Folgesatz das Programm für die Dauer von 12 Monaten „und einen Digital-Receiver um nur 99 EUR" anbot. Bei der Beurteilung einer Werbung kommt es auf den Gesamtzusammenhang der Äußerungen an. Danach ist es hier nicht zweifelhaft, dass das Publikum den Eindruck vermittelt bekam, mit dem Kombinationsangebot (Teilnehmervertrag und Receiver) eine Hauptware mit einer unentgeltlichen Sachzuwendung als Zugabe zu erhalten.

4. Die Ansicht einer Vergleichbarkeit mit dem in der Entscheidung 4 Ob 95/99w entschiedenen Fall scheitert an der hier nicht vorliegenden Sachverhaltsgrundlage. In der Vorentscheidung waren auf die allgemeine Lebenserfahrung, aber auch auf Urkunden gestützte konkrete Feststellungen getroffen worden, dass ein Markt für jeweils eine der angebotenen Leistungen (Teilnehmervertrag und Handy) nicht bestehe, weshalb kein zugabenrechtlicher Tatbestand vorliege. Von vergleichbaren Marktverhältnissen kann im vorliegenden Fall aber allein nach der Erfahrung des täglichen Lebens nicht ausgegangen werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO.

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