OGH 7Ob66/06s

OGH7Ob66/06s29.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers D*****verein ***** vertreten durch Dr. Andreas König und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. Andreas S*****, vertreten durch Dr. Anton Keuschnigg, Rechtsanwalt in Kitzbühel, 2. Barbara H***** und 3. Johann H*****, ebendort, letztere beide vertreten durch Rechtsanwälte Waldbauer & Paumgarten & Naschberger Partnerschaft in Kufstein, wegen Einräumung eines Notwegs, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 7. Dezember 2005, GZ 54 R 105/05w-27, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Zulassungsbeschwerde in Frage stellt, ob § 9 Abs 3 NWG nur auf das „AußStrG (alt)" verweist oder eine dynamische Verweisungsnorm darstellt und geltend macht, es fehle an oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des neuen Außerstreitgesetzes auf das „Rechtsmittelverfahren in Notwegeverfahren, die vor dem 31. 12. 2004 eingeleitet wurden", entgeht dem Revisionsrekurswerber, dass die zitierte Bestimmung durch Art II des am 1. 1. 2005 in Kraft getretenen AußStr-BegleitG (BGBl I Nr 112/2003) - freilich nur sprachlich - revidiert wurde, inhaltlich aber der bisher geltenden Regelung entspricht (vgl auch: Fucik/Kloiber AußStrG 564 [= Anh 1 Art II AußStr-BegleitG ErläutRV zu § 9 NWG]). Er ist daher auf die letztgenannte Gesetzesbestimmung und die zu § 9 Abs 3 NWG bestehende ständige Rechtsprechung zu verweisen:

Gemäß dem - somit inhaltlich unverändert gebliebenen - § 9 Abs 3 NWG richtet sich, sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, das Verfahren über den Antrag auf Einräumung eines Notweges nach den allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes. Nach ständiger Rechtsprechung gilt dies auch für das Rechtsmittelverfahren (RIS-Justiz RS0071266; RS0084504; 6 Ob 659/90 mwN; wobei sich die Verweisung nach § 9 Abs 3 NWG nF auch auf das Abänderungsverfahren [§§ 72 - 77 AußStrG nF] erstreckt [Feil/Marent, AußStrG, 34 Rz 10 zu § 1 AußStrG], daneben aber auch die - darüber hinausgehenden - Bestimmungen der §§ 23 und 24 NWG aufrecht bleiben sollen [Fucik/Kloiber aaO]). Das Rechtsmittelverfahren im Verfahren auf Einräumung eines Notweges richtet sich also ebenfalls nach den Bestimmungen des AußStrG, soweit im NWG - das auch insoweit nur ergänzende Regelungen enthält (RIS-Justiz RS0071266 [T1]) - nichts anderes vorgesehen ist.

Am 1. 1. 2005 ist das neue AußStrG (BGBl I Nr 111/2003) in Kraft getreten; es ist gemäß dessen § 199 (von Ausnahmen nach den Übergangsbestimmungen abgesehen) auch auf Verfahren anzuwenden, die - wie hier - vor seinem In-Kraft-Treten anhängig geworden sind. Gemäß § 203 Abs 7 AußStrG sind die Bestimmungen über den Rekurs und den Revisionsrekurs anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung erster Instanz nach dem 31. 12. 2004 liegt (1 Ob 130/05g). Da der Beschluss des Erstgerichtes am 5. 7. 2005 gefasst wurde, ist die Anwendbarkeit des neuen AußStrG auf das vorliegende Rechtmittelverfahren zu bejahen. Eine erhebliche Rechtsfrage muss dabei aber nicht beantwortet werden. Gleiches gilt auch für die als besonders schwerwiegender (und daher - wie der Rechtsmittelwerber meint - nach § 55 Abs 3 AußStrG nF von Amts wegen durch das Rekursgericht wahrzunehmender) Verfahrensmangel gerügte Unterlassung der Verständigung der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung, worin eine Nichtgewährung des Parteiengehörs zu erblicken sei.

Richtig ist zwar, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs aus Anlass eines zulässigen Rekurses auch von Amts wegen wahrzunehmen ist (§ 55 Abs 3 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG; RIS-Justiz RS0119971). Der Oberste Gerichtshof hat dazu aber bereits Folgendes ausgesprochen (5 Ob 174/05g):

„Anders als beim Rekurs sind in § 66 AußStrG neu die Revisionsrekursgründe nunmehr taxativ aufgezählt. Unter § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG wurden nicht alle bisher als Nichtigkeit geltend zu machenden Verfahrensfehler als Revisionsrekursgründe beibehalten (RV 224 BlgNR XXII. GP 54 f). Der bisherige Fall des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO - die Verletzung des rechtlichen Gehörs, die von der Revisionsrekurswerberin geltend gemacht wird - findet sich in § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG. Dieser Anfechtungsgrund ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht mehr absolut - wie die Nichtigkeitsgründe der ZPO - wirkt, also jedenfalls zu einer Aufhebung zu führen hat, sondern nur dann, wenn nicht ohnedies zugunsten des in seinen prozessualen Rechten Verletzten eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung erfolgen kann. Ein solcher Anfechtungsgrund hat demnach nur dann zur Aufhebung zu führen, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte" (= RIS-Justiz RS0120213). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt:

Seit der Aufhebung der Wortgruppe „und bei der Entscheidung als bindend zu betrachten" in § 9 Abs 4 NWG aF bzw des § 16 Abs 6 NWG aF durch den VfGH (VfSlg 10.300; Kdm BGBl Nr 81/1985) ist die Verwaltungsbehörde beim Entgegenstehen öffentlicher Rücksichten (§ 4 Abs 3 NWG) nur noch zu hören, kann aber nicht mehr bindend entscheiden (RIS-Justiz RS0054053 [T3] = 4 Ob 214/99w mwN). Demgemäß genügt das mit einem Notwegeantrag befasste Gericht seinen Verpflichtungen - wie der Rechtsmittelwerber selbst festhält - zunächst dadurch, dass es gemäß § 11 Abs 2 NWG aF die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde wegen der etwa in Betracht kommenden öffentlichen Rücksichten in Kenntnis setzt (RIS-Justiz RS0071303; § 9 Abs 4 NWG aF bzw § 11 Abs 3 NWG nF, wo nunmehr - in Übereinstimmung mit § 11 Abs 2 NWG nF - angeordnet ist, dass das Gericht zur Frage, ob der Einräumung eines Notwegs öffentliche Rücksichten entgegenstehen [§ 4 Abs 3 NWG], eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde einzuholen und diese zur mündlichen Verhandlung zu laden hat [Fucik/Kloiber aaO, 565]). Da die Vorinstanzen den vorliegenden Antrag auf Einräumung eines Notweges jedoch ohnehin abgewiesen haben, kann hier zugunsten der in ihren prozessualen Rechten verletzten - bisher nicht verständigten - Behörde eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung erfolgen, sodass eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nicht erforderlich ist.

Eine erhebliche Rechtsfrage ist aber auch den übrigen Rechtsmittelausführungen nicht zu entnehmen.

Die Frage, ob der Mangel der Wegverbindung auf eine auffallende Sorglosigkeit zurückgeht, ist vielmehr stets nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Daher kann nach den konkreten Umständen bereits der Ankauf eines Grundstückes ohne notwendige Wegverbindung mit dem öffentlichen Wegenetz eine auffallende Sorglosigkeit begründen, die nach § 2 Abs 1 NWG dem Begehren auf Einräumung eines Notweges entgegensteht. Die Ansicht der Vorinstanzen, der Käufer einer Liegenschaft handle auffallend sorglos, wenn er den Mangel der Wegeverbindung gekannt und sich damit abgefunden hat, entspricht diesen - auch vom erkennenden Senat bereits wiederholt vertretenen Grundsätzen (7 Ob 175/04t mwN).

Hier hat der Antragsteller beim Erwerb des auch heute noch als Freiland gewidmeten Grundstückes im Jahr 1928 „positiv" gewusst, dass die im hochalpinen Bereich liegende Selbstversorgerhütte, in der nach wie vor nur Übernachtungsmöglichkeiten für Wanderer (ohne Gästebewirtschaftung) angeboten werden, nur über einen - durch ein im Grundbuch eingetragenes Gehrecht gesicherten - Fußweg erreichbar ist. Die ursprünglich bestehende Blockhütte wurde in der Folge abgerissen und durch immer größere Gebäude ersetzt.

Wenn die Vorinstanzen den Umstand, dass der Antragsteller den erhöhten Bedarf durch die mehrfachen Umbauten selbst geschaffen hat, obwohl ihm (immer) bekannt gewesen war, dass die Liegenschaft über keine Zufahrtsmöglichkeit (auch nicht für Pferde und Ochsenfuhren) verfügte, als auffallend sorglos beurteilt haben, liegt dies im Ermessensspielraum (RIS-Justiz RS0052715 [T1]; 2 Ob 37/05p mwN). Die im außerordentlichen Revisionsrekurs erörterte, ebenfalls nur einzelfallbezogen zu beantwortende Frage, ob der beanspruchte Notweg zur ordentlichen Bewirtschaftung der gegenständlichen Selbstversorgerhütte überhaupt zwingend notwendig ist (RIS-Justiz RS0052715), ob also, wie der Revisionswerber - entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen - meint, eine Zufahrtsmöglichkeit für die Zwecke einer „zeitgemäßen Daseinvorsorge" erforderlich ist, oder ob der Antrag auf Einräumung eines Notweges auch aus diesem Grund abzuweisen war, stellt sich demnach nicht mehr.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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