OGH 11Os12/06h

OGH11Os12/06h28.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Deniz A***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 28. Juli 2005, GZ 40 Hv 76/05h-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er

am 23. Jänner 2005 Sarah S***** dadurch, dass er sie gegen ihren Willen in seinem Pkw festgehalten und sie mit Vergewaltigung (im Sinne von Gewaltanwendung) sowie weiterer Entziehung der persönlichen Freiheit bedroht hatte, zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 8, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung der Bianca L***** „zum Beweis dafür, dass Marion Sl***** gemeinsam mit Sarah S***** den Anzeigeninhalt nur erfunden hat, um Deniz A***** wiederholt zur Zahlung von 1.000 Euro gegen Rücknahme der Anzeige zu nötigen" (S 246 f, 312) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (S 315 f), weil der Antrag nicht erkennen ließ, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse und solcherart auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Auch der Antrag auf Vernehmung der Yamilete de las M***** zum Nachweis dafür, dass „es am 15. Juni 2005 gegen 22.45 Uhr in Salzburg vor dem Elmo-Kino zwischen Yamilete, Deniz A*****, Sl***** und deren schwarzafrikanischem Begleiter zu einer Auseinandersetzung kam, im Zuge derer die Zeugin Sl***** in einem Eifersuchtsanfall Yamilete mit den Worten beschimpfte, 'du Schlampe, lass die Finger von Deniz A*****, der gehört mir', und sich zu Deniz A***** mit den Worten, 'du hättest besser das Geld zahlen sollen, jetzt werde ich dich am Donnerstag (gemeint der heutige Verhandlungstag) fertig machen', wandte" (S 247, 312 f), verfiel zu Recht der Abweisung (S 315), weil ihm nicht zu entnehmen war, weshalb die im Beweisthema genannten Umstände für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327).

Das ergänzende Beschwerdevorbringen zu den Beweisanträgen hat auf sich zu beruhen, weil allein diese den Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofes erster Instanz gebildet haben und demnach auch der Oberste Gerichtshof deren Berechtigung nur auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung bezogen zu überprüfen hat (SSt 41/71; zuletzt 11 Os 110/05v).

Die Mängelrüge (Z 5) vermag nicht darzulegen, aus welchem Grund die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus den Umständen, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich geäußert hat, mit Sarah S***** den Beischlaf durchführen zu wollen, und diese sodann unter laufenden Drohungen sowie - in ihrer Intensität ständig gesteigerten - sexuellen Übergriffen gegen ihren Willen in seinem Pkw festgehalten hat (US 8 f), dem Begründungsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht genügen soll.

Mit dem Einwand, der Beschwerdeführer habe den Vorsatz, Sarah S***** zu vergewaltigen, erst zu einem Zeitpunkt gefasst, als diese bereits geflüchtet war (der Sache nach Z 9 lit a), entfernt sich die Rüge prozessordnungswidrig vom Urteilssachverhalt (US 7). Die Tatsachenrüge (Z 5a) wird mit dem Ansatz, der objektive Geschehensablauf lasse „nicht darauf schließen, dass der Angeklagte Frau S***** vergewaltigen wollte", nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht, weil sie insoweit nicht auf ein bestimmtes Beweismittel Bezug nimmt und demnach auch nicht erkennen lässt, weshalb ein solches die Feststellung einer entscheidenden Tatsache erheblich bedenklich erscheinen lasse (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 488). Die Ausführungen zur Gewaltausübung bzw zum hierauf gerichteten Vorsatz können auf sich beruhen, weil die Tatrichter dieses Nötigungsmittel ohnedies nicht angenommen haben (US 2, 5 bis 7). Die Rüge aus Z 8 hält zwar zutreffend fest, dass eine allfällige Überschreitung der Anklage am sogenannten prozessualen Tatbegriff, also daran zu messen ist, ob Urteil und Anklage denselben Lebenssachverhalt umfassen, verkennt aber, dass dabei nicht nur auf den Tenor der Anklageschrift, sondern auch auf deren Begründung abzustellen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 503). Diese beschreibt aber fallbezogen genau jenes Tatgeschehen, das auch den Gegenstand der angefochtenen Entscheidung bildet (S 192 bis 194).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) unterlässt es, die Behauptung, die Tathandlungen seien nicht als Freiheitsentziehung zu werten, (methodisch vertretbar) aus dem Gesetz abzuleiten, und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das konstatierte, rund einstündige Festhalten in einem Pkw (US 7) nach Judikatur und Lehre (objektiv) jedenfalls hinreicht, das Tatbestandselement des Entziehens der persönlichen Freiheit zu erfüllen (vgl Schmoller in SbgK § 99 Rz 34 bis 36). Die Beschwerdeausführungen zum Begehungsmittel der Drohung können auf sich beruhen, weil beim alternativen Mischdelikt des § 201 Abs 1 StGB die rechtliche Annahme einer von mehreren als verwirklicht angesehenen Alternativen aus Z 10 nicht anfechtbar ist (15 Os 13/04). Vollständigkeitshalber wird festgehalten, dass dem Tatbestand der Vergewaltigung Drohungen (allein) mit dem Entzug der Freiheit niemals (Hinterhofer in SbgK § 201 Rz 30) und solche mit der Anwendung von Gewalt nur dann zu unterstellen sind, wenn sie sich auf eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit iSd § 89 StGB beziehen (Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 32). Indem die Sanktionsrüge (Z 11) unter Bezugnahme auf § 3 Abs 1 letzter Fall TilgG die Tilgung der - erschwerend gewerteten (US 14) - vom Landgericht Braunschweig ausgesprochenen zweijährigen (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe (ON 5, 19) einwendet, übersieht sie zunächst, dass diesem Urteil eine am 23. März 1997 begangene Tat (S 215) des am 28. Februar 1978 geborenen Beschwerdeführers (US 1), somit keine Jugendstraftat iSd § 1 Z 3 JGG zu Grunde liegt, womit diesbezüglich die zehnjährige Tilgungsfrist des § 3 Abs 1 Z 3 TilgG Platz greift. Der Umstand, dass über den Beschwerdeführer als „Heranwachsender" (§ 1 Abs 1 dJGG; vgl § 46a JGG) eine „Jugendstrafe" (§§ 105 f dJGG) verhängt worden ist, vermag hieran nichts zu ändern. Hinzu kommt, dass die Tilgungsfrist ausländischer Verurteilungen nach § 7 Abs 2 TilgG mit dem Tag beginnt, der sich ergibt, wenn man dem Tag ihrer Rechtskraft die Dauer der mit ihr ausgesprochenen Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder der Summe dieser Strafen hinzurechnet. Da der bezeichnete Sanktionsausspruch nach der Aktenlage am 27. Juni 1998 in Rechtskraft erwachsen ist (S 111, 211), hätte die Tilgungsfrist selbst im Fall einer Jugendstraftat somit grundsätzlich am 27. Juni 2005 geendet (§ 3 Abs 1 Z 2 iVm § 7 Abs 2 TilgG). Zumal der Beschwerdeführer aber innerhalb dieser Frist, nämlich am 23. November 2004, neuerlich (seit 18. März 2005) rechtskräftig verurteilt worden ist (ON 18), würde diesfalls die Verlängerungsbestimmung des § 4 Abs 1 TilgG die Tilgung der vom Landgericht Braunschweig ausgesprochenen Strafe hindern. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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