OGH 4Ob9/06m

OGH4Ob9/06m14.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** B.V., *****, Niederlande, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. DE L***** S.p.A., *****, 2. Michael F*****, beide vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 32.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 7. Dezember 2005, GZ 1 R 87/05d-19, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt greifen die Kaffeevollautomaten der Erstbeklagten in die geschützten Merkmale des Patents der Klägerin ein (S. 6 der einstweiligen Verfügung). Das Rekursgericht hat diesen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrundegelegt (S. 24 der Rekursentscheidung); es kann daher keine Rede davon sein, dass eine Begründung des Rekursgerichts zum Patenteingriff fehlt. Der Hinweis des Rekursgerichts auf die in einem Parallelverfahren ergangene Entscheidung 3 R 78/05w erfolgte nur der Vollständigkeit halber als inhaltliche Antwort auf ein zuvor schon formal (Verstoß gegen das Neuerungsverbot) erledigtes Rekursargument.

2. Der Senat hat sich schon mit der Entscheidung 3 R 78/0w befasst und ausgesprochen, dass das Rekursgericht dort von den erstgerichtlichen Feststellungen nicht abgegangen ist, sondern die Feststellungen lediglich präzisiert hat, indem es den Anschluss des Verschlusskolbens am Heißwasserbehälter näher beschrieben hat (4 Ob 229/05p). Ist demnach das Rekursgericht im genannten Vorverfahren nicht vom bescheinigten Sachverhalt abgewichen, kann sein Hinweis auf diese Entscheidung auch im Anlassfall keinen Verfahrensmangel begründen.

3. Der Revisionsrekurswerber macht geltend, als weisungsgebundener Angestellter könne er für einen Patentrechtsverstoß nicht verantwortlich gemacht werden. Er habe rechtlich keine Möglichkeit gehabt, seine Vertriebsbemühungen einzuschränken; die Erstbeklagte habe ihm versichert, dass ein Patenteingriff nicht vorliege. Nach herrschender Auffassung scheitert die Passivlegitimation nicht daran, dass der Beklagte Arbeitnehmer eines nicht am Verfahren beteiligten Unternehmens ist (Gamerith, Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen „Gehilfen", wbl 1991, 305; 4 Ob 12/02x = ÖBl 2002, 297 - Internationales Kultur- und Filmfestival; 4 Ob 45/04b = ÖBl 2004/68 - St. Zeno). Der aus § 147 Abs 1 PatG abgeleitete Unterlassungsanspruch richtet sich - ebenso wie der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch - zunächst gegen den Rechtsverletzer, also den unmittelbaren Störer, das ist derjenige, der sich tatbestandsmäßig verhält (4 Ob 12/02x = ÖBl 2002, 297 - Internationales Kultur- und Filmfestival mwN).

Die Vorinstanzen haben den Zweitbeklagten als unmittelbaren Täter haften lassen. Ihre Auffassung steht mit den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen in Einklang. Der Beklagte tritt in der Öffentlichkeit als „Sales Manager Austria" und als „Österreich-Chef" der Erstbeklagten auf. Er vertreibt die verfahrensgegenständlichen Kaffeeautomaten und setzt damit eine Benutzungshandlung im Sinn des § 22 Abs 1 PatG. Der Patenteingriff setzt im Übrigen kein schuldhaftes Handeln voraus; der Täter haftet auch dann, wenn er nicht weiß, dass er ein fremdes Patent verletzt (so auch 4 Ob 229/05p bei vergleichbarem Sachverhalt im Parallelverfahren).

4. Nach dem bescheinigten Sachverhalt entsprach die noch vor Patenterteilung in Chicago öffentlich vorgeführte Kaffeemaschine nicht dem Patentanspruch 2. Soweit das Rechtsmittel dieses Bescheinigungsergebnis unter Hinweis auf die eidesstättige Erklärung einer Auskunftsperson in Frage stellt, ist dem Obersten Gerichtshof als Rechtsinstanz eine Überprüfung dieser Tatfrage entzogen (RIS-Justiz RS0002192). War demnach eine dem Patent entsprechende Maschine der Öffentlichkeit vor Patenterteilung noch nicht neuheitsschädlich bekannt, geht der Vorwurf ins Leere, das Rekursgericht habe sich nicht mit dem schon in erster Instanz erhobenen „Formstein-Einwand" (kein Schutz für den Stand der Technik vor dem Anmeldetag des Patents; vgl Weiser, PatentG², 431 FN 1492) auseinandergesetzt.

5. Der Rechtsmittelwerber macht als erhebliche Rechtsfrage weiters geltend, dass dem klägerischen Patent keine erfinderische Tätigkeit zugrunde liege und die Gestaltung nahe gelegen sei. Die Einwendung der Nichtigkeit des Klagspatents ist zwar im Provisorialverfahren grundsätzlich zulässig; das Gericht hat die Vorfrage der Gültigkeit oder Wirksamkeit des Patents allerdings nur dann zu prüfen, wenn Gegenbescheinigungsmittel angeboten werden und eine solche Prüfung mit den Mitteln des Provisorialverfahrens möglich ist (4 Ob 317/83 = ÖBl 1984, 43 - Werkzeughalter für Bohrhämmer II; 4 Ob 229/05p). Dem Beklagten ist es nicht gelungen, den im Provisorialverfahren durch die Patenterteilung erbrachten prima facie-Beweis für das Bestehen des Patents (Weiser aaO 389, 416) zu entkräften.

6. Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen ist beim Eingriffsgegenstand der Verschlusskolben an der Unterseite des Heisswasserbereiters „an diesem angebracht" (Einstweilige Verfügung S. 14 1. Absatz). Diese Ausführung entspricht dem Patentanspruch 2, wonach der Verschlusskolben am Heisswasserbereiter angeformt oder direkt an diesem befestigt ist. Soweit das Rechtsmittel im Zusammenhang mit Äquivalenzbetrachtungen breit ausführend davon ausgeht, beim Eingriffsgegenstand befinde sich zwischen Heisswasserbereiter und Verschlusskolben eine Leitung, weicht es von den Feststellungen ab und führt die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus.

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