OGH 6Ob43/06a

OGH6Ob43/06a9.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Holter-Wildfellner Rechtsanwälte GmbH in Grieskirchen, gegen die beklagten Parteien 1. Franz F*****, vertreten durch Dr. Franz Riess, Rechtsanwalt in Mauerkirchen als Zustellkurator, 2. Franz F*****, vertreten durch Dr. Hans Estermann, Rechtsanwalt in Mattighofen, und 3. Peter F*****, vertreten durch Dr. Franz Riess, Rechtsanwalt in Mauerkirchen als Zustellkurator, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 180.000) und Räumung (Streitwert EUR 22.000), über den Rekurs des Zweitbeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Dezember 2005, GZ 6 R 258/05m-48, womit die Berufung des Zweitbeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 17. Mai 2005, GZ 1 Cg 102/03b-34, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Urteil des Erstgerichtes vom 17. 5. 2005 (ON 34) wurde dem Vertreter des Zweitbeklagten am 6. 6. 2005 zugestellt. Am 4. 7. 2005 gab der Zweitbeklagte einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang zur Post. Mit Beschluss vom 5. 7. 2005 (ON 37) wies das Erstgericht diesen Antrag ab. Dieser Beschluss wurde dem Rechtsvertreter des Zweitbeklagten am 7. 7. 2005 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss erhob die klagende Partei Rekurs mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Verfahrenshilfeantrag wegen offensichtlicher Verzögerungsabsicht zurückgewiesen werde. Am 1. 9. 2005 erhob der Zweitbeklagte gleichfalls Rekurs gegen diesen Beschluss und beantragte die Abänderung dahingehend, dass seinem Verfahrenshilfeantrag stattgegeben werde.

Mit Beschluss des Rekursgerichtes vom 13. 10. 2005 wurde dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge gegeben und der Rekurs des Zweitbeklagten als verspätet zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Zweitbeklagten am 18. 10. 2005 zugestellt. Am 15. 11. 2005 wurde die Berufung des Zweitbeklagten zur Post gegeben.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung als verspätet zurück. § 464 Abs 3 ZPO sei eine Schutzbestimmung zugunsten der die Verfahrenshilfe beantragenden Partei (unter Berufung auf Fasching, Ergänzungsband 54; Pimmer in Fasching/Konecny² § 464 Rz 16). Diese Bestimmung solle sicherstellen, dass die Berufungsfrist nicht abläuft, bevor über einen erst während der Berufungsfrist erhobenen Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts rechtskräftig entschieden ist. Diese Bestimmung sei allerdings insoweit einschränkend auszulegen, als die durch einen Verfahrenshilfeantrag ausgelöste Unterbrechungswirkung nur aufgrund eines vom Verfahrenshilfewerber gegen einen seinen Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschluss erhobenen rechtzeitigen Rekurses fortbestehen könne und nicht aufgrund eines lediglich vom Prozessgegner rechtzeitig erhobenen Rekurses. Ein Verfahrenshilfewerber, der gegen einen seinen Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschluss einen verspäteten Rekurs erhebe, sei nicht iSd § 464 Abs 3 ZPO schutzwürdig, sodass es ihm nicht zugute kommen könne, dass die Rechtskraft des seinen Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschlusses infolge eines auch von seinem Prozessgegner erhobenen Rekurses nicht bereits mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist ihm gegenüber eintrete. Diese Einschränkung gebiete eine am Zweck des § 464 Abs 3 ZPO orientierte Auslegung (unter Berufung auf Fasching in Fasching/Konecny² I Einl Rz 94).

Der den Verfahrenshilfeantrag abweisende Beschluss des Erstgerichtes sei in Ansehung des Zweitbeklagten mit Ablauf der 14-tägigen Rekursfrist, die durch die am 7. 7. 2005 erfolgte Zustellung ausgelöst wurde, unanfechtbar. Die erst am 15. 11. 2005 zur Post gegebene Berufung sei somit jedenfalls verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der - ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässige (RIS-Justiz RS0098745) - Rekurs des Zweitbeklagten ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass vollinhaltlich darauf verwiesen kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die § 464 Abs 3 Satz 2 ZPO zugrunde liegende ratio liegt darin, den Lauf der Berufungsfrist erst dann beginnen zu lassen, wenn feststeht, dass der Verfahrenshilfeantrag erfolglos ist, es also nicht zur Beigebung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Verfahrenshilfe kommt. Erst ab diesem Zeitpunkt ist für die die Verfahrenshilfe beantragende Partei endgültig klargestellt, dass sie die Kosten für die weitere Prozessführung selbst aufbringen und für eine entsprechende anwaltliche Vertretung sorgen muss.

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte, stand bereits nach fruchtlosem Verstreichen der dem Zweitbeklagten offenstehenden Rekursfrist gegen den den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschluss fest, dass es nicht mehr zu einer Bewilligung der Verfahrenshilfe kommen konnte. Insoweit erwuchs die Ablehnung der beantragten Beigebung eines Rechtsanwalts daher in (Teil-)Rechtskraft. Wegen der Bindung des Rekursgerichtes an den Rekursantrag der klagenden Partei konnte der ausschließlich auf Erwirkung einer zurückweisenden statt abweisenden Entscheidung gerichtete (rechtzeitige) Rekurs der klagenden Partei von vornherein keinesfalls zu einer Stattgebung des vom Zweitbeklagten gestellten Verfahrenshilfeantrages führen. Ab fruchtlosem Ablauf der dem Zweitbeklagten offenstehenden Rekursfrist war daher nur mehr offen, ob es bei der vom Erstgericht ausgesprochenen meritorischen Abweisung des Verfahrenshilfeantrages zu bleiben hatte, oder dieser im Sinne des Rekursantrages der klagenden Partei stattdessen zurückgewiesen wurde. Damit stand aber bereits zu diesem Zeitpunkt fest, dass der Antrag des Zweitbeklagten auf Beigebung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Verfahrenshilfe erfolglos war. Die ausschließlich noch offene Frage, ob die Ablehnung des Verfahrenshilfeantrages aus meritorischen Gründen oder ausschließlich aus prozessualen Gründen wegen Verschleppungsabsicht erfolgen sollte, vermochte daran nichts zu ändern.

Dass ein verspäteter Rekurs gegen die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags nicht geeignet ist, den Eintritt der Rechtskraft und damit im vorliegenden Fall den Beginn der Berufungsfrist iSd § 464 Abs 3 ZPO hinauszuschieben, entspricht aber herrschender Rechtsprechung (8 Ob 702/86; 1 Ob 362/97k = SZ 70/246; RIS-Justiz RS0041838).

Die Rekursbeantwortung der klagenden Partei war zurückzuweisen. Der Beschluss des Berufungsgerichtes, mit welchem es die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat, ist einseitig (RIS-Justiz RS0098745; RS0043760; ausdrücklich zur Verspätung 1 Ob 332/99a). Weil es sich bei der Zurückweisung eines Rechtsmittels um eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung handelt, erfordert auch Art 6 MRK nicht die Einräumung einer Rekursbeantwortung (vgl G. Kodek, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534 [540 f]). Für derartige Fälle vertritt auch Zechner ungeachtet seiner Befürwortung einer weitergehenden Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, dass der Rekurs bloß einseitig ist (Zechner in Fasching/Konecny² § 521a ZPO Rz 14).

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