OGH 7Ob274/05b

OGH7Ob274/05b15.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang G*****, vertreten durch Mag. Dr. Bernt Elsner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Versicherungs AG in Österreich, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 127.765,28 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 15. September 2005, GZ 1 R 150/05v-11, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach herrschender Ansicht unterbrechen gerichtliche Schritte, die die Geltendmachung eines Rechts bloß vorbereiten, wie etwa der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, die Verjährung grundsätzlich nicht (RIS-Justiz RS0034826, RS0034588; 5 Ob 212/04v; 1 Ob 45/05g mwN; M. Bydlinski in Fasching/Konecny² § 73 ZPO Rz 9; Mader in Schwimann² § 1497 ABGB Rz 18 mwN). Lediglich dann, wenn der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe - wie hier - bereits als verfahrenseinleitender Schriftsatz zu beurteilen ist, wenn er also den Sachverhalt und das Begehren individualisiert und deutlich erkennen lässt (hier:

Verfahrenshilfeantrag in der Rechtssache: „gegen B***** Versicherungen Polizze Nr 620113516092 [Schaden Nummer: 20-01-48 108/28 und 16-01-48 143/20] wegen ca 30.000 EUR [Betriebsunterbrechung 20.000 EUR Forderungen ca 10.000 EUR]"), sodass sie nach Vebesserung auch als Klageschrift behandelt werden kann, wird dadurch bereits der Lauf der Frist unterbrochen (stRsp seit 1 Ob 49/87 = SZ 60/286; 9 Ob 260/00a; 7 Ob 325/01x mwN; 1 Ob 45/05g; M. Bydlinski in Rummel³ § 1497 ABGB Rz 9a). Dies allerdings nur unter der (offenbar auch vom Kläger erkannten [arg: mit Schriftsatz des Verfahrenshelfers vom 24. 3. 2005 „verbesserte" Klage]) Voraussetzung, dass die „implizite Klage" innerhalb einer gesetzten Verbesserungsfrist, wenn auch nach Ablauf der Verjährungsbzw Klagefrist (RIS-Justiz RS0034836) auch tatsächlich verbessert wird; bereits zu 1 Ob 49/87 hat der Oberste Gerichtshof nämlich folgendes ausgesprochen:

„Um dem Kläger gleichwertigen Rechtsschutz wie dem Beklagten zu gewähren, sind Eingaben, mit welchen zwar nur die Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes begehrt wird, deren Inhalt aber den Sachverhalt und das Begehren der beabsichtigten Klage deutlich erkennen lässt, sodass sie nach Verbesserung auch als Klageschrift in Behandlung gezogen werden können, bereits als Klagen zu beurteilen, sodass die erforderlichen Verbesserungsaufträge zu erteilen sind. Die fristgerecht wiedereingebrachte Klage unterbricht die Verjährung unter den

weiteren Voraussetzungen des § 1497 ABGB" (SZ 60/286 = RIS-Justiz

RS0034695 mwN; 1 Ob 45/05g = RS0034695 [T3]).

Im vorliegenden Fall brachte der Kläger einen solchen Verfahrenshilfeantrag am 14. 6. 2004 beim Erstgericht ein, also fast ein Jahr nach dem Zeitpunkt, zu dem er - wie er selbst zugesteht - das (dem Antrag angeschlossene) Ablehnungsschreiben der beklagten Versicherung vom 17. 6. 2003 erhalten hatte (in dem er gemäß § 12 Abs 3 VersVG auf die einjährige Frist zur Erhebung der Deckungsklage ausdrücklich hingewiesen worden war). Diesen Antrag, der ihm am 25. 6. 2004 zur Verbesserung zurückgestellt wurde, hat der Kläger - entgegen dem erteilten Verbesserungsauftrag (wonach er Belege zu jedem ausgefüllten Punkt [insb einen Nachweis der Mietzahlungen], außerdem die Versicherungspolizze[n], Schadensmeldungen und allfällige [Ablehnungs-]Schreiben der Versicherung anzuschließen gehabt hätte [Beschluss des Erstgerichts vom 18. 6. 2004, 21 Nc 2/04b-2]) - innerhalb der ihm vom Erstgericht gesetzten 14-tägigen Verbesserungsfrist und auch danach nicht wieder vorgelegt. Er hat vielmehr am 5. 10. 2004 das Erstgericht telefonisch um neuerliche Zusendung des Verbesserungsbeschlusses ersucht und dies damit begründet, dass er ihn (zwar) bereits erhalten habe, jedoch nicht mehr finden könne. Da er „jetzt" die Klage gegen die B***** Versicherung einbringen wolle, halte er seinen Verfahrenshilfeantrag aufrecht und werde dem Verbesserungsantrag nunmehr nachkommen (AV vom 5. 10. 2004, 21 Nc 2/04b-3).

Der am 3. 11. 2004 - nach Vorlage eines neuen Verfahrenshilfeantrags vom 26. 10. 2004 (in der Rechtssache: „G***** Wolfgang/B***** Versicherung wegen ca 200.000 EUR" [21 Nc 2/04b-4]) - bestellte Verfahrenshelfer des Klägers hat schließlich am 29. 3. 2005 eine Deckungsklage beim Erstgericht eingebracht. Mit dieser Klage werden von der Beklagten - anders als im ursprünglichen Antrag - nicht EUR 30.000, sondern EUR 127.265,28 sA (nämlich EUR 100.000 aus der Betriebsunterbrechungs- und EUR 27.265,28 aus der Feuerversicherung) begehrt.

Legt man diesen - unstrittigen - Verfahrensablauf zugrunde, steht auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass die Einbringung des neuen Verfahrenshilfeantrags am 27. 10. 2004 nicht mehr auf den 14. 6. 2004 zurückwirke, dass die materiell rechtliche Ausschlussfrist des § 12 Abs 3 VersVG im Hinblick auf den mehr als ein Jahr zuvor erfolgten Zugang des Ablehnungsschreibens bereits abgelaufen gewesen sei und dass eine Fristwahrung ohnehin nur für den im ursprünglichen Verfahrenshilfeantrag genannten Anspruch (EUR 20.000 Betriebsunterbrechung, ca EUR 10.000 „Forderungen") hätte in Betracht kommen können, im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs:

Eine die Frist des § 12 Abs 3 VersVG wahrende (Unterbrechungs-)Wirkung iSd eingangs wiedergegebenen herrschenden Ansicht (RIS-Justiz RS0034695; vgl dazu auch M. Gruber, Verfahrenshilfe und Klagefrist nach § 12 Abs 3 VersVG - Zugleich ein Beitrag zur Verjährungsunterbrechung JBl 1991, 564 [567 ff]) hätte dem ursprünglichen Verfahrenshilfeantrag jedenfalls nur im Fall seiner (fristgemäß verbesserten) Wiedereinbringung zukommen können; nämlich dann, wenn dieser Antrag später bewilligt worden wäre (so auch: M. Bydlinski aaO § 1497 ABGB Rz 9a aE mwN), und schließlich ein aufgrund dieser (fristwahrenden) Antragstellung bestellter Verfahrenshelfer die formgerechte Deckungsklage erhoben hätte. Wurde der Schriftsatz im Original zurückgestellt und nicht mehr neuerlich vorgelegt, so ist nämlich nach hA eine neuerliche - den Schriftsatz zurückweisende - Entscheidung auch dann nicht erforderlich, wenn - wie hier - eine Kopie des Schriftsatzes im Akt liegt (Kodek in Fasching/Konecny2 §§ 83, 84 ZPO Rz 272 mwN). Auch wenn der Einschreiter (zu Recht oder zu Unrecht) der Meinung ist, das Gericht habe zu Unrecht den Schriftsatz zur Verbesserung zurückgestellt, ist dieser also dennoch innerhalb der festgesetzten Frist wieder vorzulegen, um als am Tag seines ersten Einlangens überreicht angesehen werden zu können (RIS-Justiz RS0107287 = 8 ObA 2353/96d; Kodek aaO Rz 269).

Der Kläger hat die Klagefrist nach § 12 Abs 3 VersVG somit schon mangels rechtzeitiger Verbesserung und Wiedervorlage seines - noch innerhalb der genannten Frist gestellten, eine verbesserungsbedürftige und -fähige Klage enthaltenden (M. Bydlinski aaO; M. Gruber aaO, 572) - Verfahrenshilfeantrages jedenfalls versäumt (vgl zur deutschen Rechtslage: BGH vom 19. 10. 2005, IV ZR 89/05 = VersR 2006, 57, wonach auch die Frist des § 12 Abs 3 VVG im Fall eines vor Fristablauf eingebrachten, aber nicht rechtzeitig verbesserten Prozesskostenhilfegesuchs versäumt wird). Dem Standpunkt des Revisionswerbers, dass die (Nicht-)Befolgung des Verbesserungsauftrages zum Verfahrenshilfeantrag für die davon zu unterscheidende Verbesserung der Klage keine Bedeutung habe, kann daher schon deshalb nicht beigetreten werden, weil es sich dabei um ein und denselben Schriftsatz handelte.

Am eingetretenen Fristablauf würde sich im Übrigen auch dann nichts ändern, wenn man dem Standpunkt des Revisionswerbers folgte, eine „gehörige Fortsetzung" sei aufgrund der Säumnis des Gerichts [welcher?] nicht dem Kläger „zuzurechnen" (S 4 der ao Revision). Nach ständiger Rechtsprechung tritt der Rechtsverlust bei einer Präklusivfrist (hier: nach § 12 Abs 3 VersVG [RIS-Justiz RS0080317]) nämlich auch dann ein, wenn die Geltendmachung des Rechts während ihrer Laufzeit unverschuldet unterblieben ist (RIS-Justiz RS0034591; 7 Ob 250/01t; ua; zuletzt: 1 Ob 45/05g und 7 Ob 259/05x). Hier hat das Erstgericht aber ohnehin einen Verbesserungsauftrag, der die Mängel einzeln und konkret bezeichnete, erteilt und auch eine Verbesserungsfrist gesetzt, während der Kläger den zurückgestellten Schriftsatz nicht mehr vorgelegt, sondern - erst nach Ablauf der Verbesserungs- und der Klagefrist, also verspätet - einen neuen (hinsichtlich der Angaben zur Rechtssache vom ursprünglichen Antrag abweichenden) Verfahrenshilfeantrag überreicht hat. Die in der außerordentlichen Revision angesprochene Frage, ob die Frist des § 12 Abs 3 VersVG infolge Unterbleibens eines Verbesserungsauftrages (also wegen der ohne Verbesserungsauftrag bzw -frist erfolgten Zurückstellung der [„impliziten"] verbesserungsfähigen Klage) bis zur späteren Klageeinbringung durch einen aufgrund des ersten (verbesserten) Verfahrenshilfeantrages bestellten Verfahrenshelfer gewahrt gewesen wäre, stellt sich daher gar nicht: War doch - wie bereits ausgeführt - nicht eine derartige Fallgestaltung zu beurteilen, sondern von einem zum Zeitpunkt des neuen Verfahrenshilfeantrages des Klägers bereits eingetretenen Ablauf der Klagefrist des § 12 Abs 3 VersVG auszugehen.

Was aber den Vorwurf betrifft, das Berufungsgericht habe sich mit seiner Beurteilung der Deutlichkeit des Ablehungsschreibens der Beklagten über die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hinweggesetzt, wonach ein solches iSd § 12 Abs 3 VersVG klar, unzweideutig und unmissverständlich sein müsse, ist der Zulassungsbeschwerde Folgendes zu erwidern:

Entgegen diesen Ausführungen hat der Kläger in erster Instanz sogar selbst vorgebracht, dass die Beklagte ihm gegenüber „den Versicherungsschutz und sohin jegliche Leistung gemäß § 12 Abs 3 VersVG" abgelehnt habe (S 4 der Klage) und sich lediglich darauf berufen, er habe rechtzeitig vor Ablauf der im Ablehnungsschreiben vom 17. 6. 2003 genannten Frist, nämlich am 14. 6. 2004, beim Erstgericht Verfahrenshilfe beantragt. Demgemäß unterliegt der erstmals in der außerordentlichen Revision erhobene Einwand fehlender „Gültigkeit" des Ablehnungsschreibens dem Neuerungsverbot und ist unbeachtlich (RIS-Justiz RS0042025; vgl auch RS0034726 [T2]; RS0016481; 7 Ob 215/05a).

Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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