Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 6.436,28 samt 9,875 % Zinsen seit 17. März 2000 sowie die mit EUR 3.598,65 (darin enthalten EUR 426,74 USt und EUR 1.038,56 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu bezahlen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.029,39 (darin enthalten EUR 83,23 USt und EUR 530 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 23. 12. 1999 ereignete sich gegen 16.45 Uhr auf dem Parkplatz vor der Firma I***** (SCS), Ortsgebiet W*****, ein Verkehrsunfall. Beteiligt waren der Pkw des Klägers und ein Pkw mit einem slowakischen Kennzeichen. Das Beklagtenfahrzeug fuhr auf der 6 m breiten, durch eine Leitlinie in zwei Fahrbahnhälften geteilten, vom SCS-Südring bzw vom Multiplex zum Parkplatz führenden Verbindungsstraße und kollidierte auf dem Parkplatzgelände in der Kreuzung mit der ersten, zu den quermarkierten Parkplätzen führenden, ebenfalls 6 m breiten Zufahrtsstraße mit dem von rechts kommenden Klagsfahrzeug, das eine Geschwindigkeit von rund 10 km/h einhielt. Die Fahrbahn der vom Klagsfahrzeug befahrenen Zufahrtsstraße war entgegen der Fahrtrichtung des Klagsfahrzeuges mit einem „Richtungspfeil als Einbahn markiert" (Bodenmarkierung). Zur weiteren Verdeutlichung der - unstrittigen - Unfallsörtlichkeit wird auf die Skizze Beil I verwiesen, welche die Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrundegelegt haben.
Der Kläger nahm zur Finanzierung der Reparaturkosten von ATS 87.685,20 = EUR 6.372,33 einen mit 9,875 % verzinsten Kredit auf und bezahlte eine Bearbeitungsgebühr von ATS 880 = EUR 63,95. Dieser Kredit, dessen Aufnahme angedroht wurde, ist noch offen. Der Zinsenlauf steht außer Streit.
Der Kläger begehrt gestützt auf den Rechtsvorrang den Ersatz seines Schadens. Die für den Kläger beim Einfahren in den Parkplatz nicht sichtbare Bodenmarkierung habe mangels Beschilderung einer Einbahn keinen normativen Wert. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 10 km/h habe nicht bestanden und sei jedenfalls nicht durch Verkehrszeichen kundgemacht worden.
Die Beklagte bestreitet den Rechtsvorrang des Klagsfahrzeuges, das entgegen der Bodenmarkierung (der vorgeschriebenen Fahrtrichtung) aus einer Parkstraße gekommen sei, die höchstzulässige Geschwindigkeit von 10 km/h überschritten und den Vorrang des auf der Durchzugsstraße fahrenden Beklagtenfahrzeuges verletzt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil der Lenker des Klagsfahrzeuges versucht habe, den Parkplatz gegen die durch die Bodenmarkierung kundgemachte Fahrtrichtung zu verlassen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es änderte diesen Ausspruch aufgrund eines Antrages nach § 508 ZPO ab. Der - gegen die Fahrtrichtung des Klagsfahrzeuges zeigende - Richtungspfeil gebiete auch ohne ein Hinweiszeichen „Einbahnstraße" (§ 53 Abs 1 Z 10 StVO) oder ein Vorschriftszeichen „Gebotene Fahrtrichtung" (§ 52 lit b Z 15 StVO) das Befahren der betreffenden Fahrbahn nur in Richtung des Pfeiles. Wer entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung fahre, könne den auf dem SCS-Parkplatz grundsätzlich geltenden Rechtsvorrang nicht in Anspruch nehmen. Der Gebotscharakter eines Richtungspfeiles ergebe sich aus § 9 Abs 6 StVO, wonach falsch eingeordnete Lenker ihre Fahrt im Sinne der Richtungspfeile fortsetzen müssen.
Die Revision des Klägers bekämpft dieses Urteil mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der ihr vom Berufungsgericht freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Gemäß § 7 Abs 5 Satz 1 StVO dürfen Einbahnstraßen (§ 2 Abs 1 Z 3b StVO) nur in der durch das Hinweiszeichen nach § 53 Abs 1 Z 10 StVO angezeigten Fahrtrichtung befahren werden. § 43 Abs 1 lit b Z 1 StVO verpflichtet die Behörde unter den dort genannten Voraussetzungen, dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, zu erlassen. Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgt durch die entsprechenden Straßenverkehrszeichen, nämlich gemäß § 53 Abs 1 Z 10 und § 52 lit a Z 2 StVO (§ 44 Abs 1 StVO); diese Verordnung tritt durch das Aufstellen der Verkehrszeichen in Kraft (RIS-Justiz RS0075303; RS0053789).
Das Gebotszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung" (§ 52 lit b Z 15 StVO) schafft für sich alleine keine wirksame Einbahnregelung (vgl VwGH 10. 10. 1997, 97/02/0215; 8 Ob 12/80 = RIS-Justiz RS0075313); um so weniger eine bloß eine solche Fahrtrichtung andeutende Bodenmarkierung. Das Gebot, die vorgeschriebene Fahrtrichtung einzuhalten, gilt, wie sich aus dem Wortlaut der Z 15 leg cit ergibt, nur für die mit dem betreffenden Gebotszeichen beschilderte Kreuzung oder Stelle (VwGH 11. 9. 1987, 87/18/0056). Das Gebotszeichen ist, sofern es sich auf eine Kreuzung bezieht, in angemessenem Abstand vor der Kreuzung, sonst vor der Stelle, für die es gilt, anzubringen; bei einer einmündenden Straße darf dieses Zeichen statt vor der Kreuzung auch nur gegenüber der einmündenden Straße angebracht werden ( § 52 lit b Z 15 Satz 5 StVO ).
Der gegen die Fahrtrichtung des Klagsfahrzeuges zeigende, auf der Fahrbahn der Zufahrtsstraße angebrachte Pfeil findet sich vor der Kreuzung mit der Verbindungsstraße auf Höhe der ersten beiden „quermarkierten" Parkplätze. Diese Bodenmarkierung schreibt daher nicht die Fahrtrichtung für den Verkehr auf der die Zufahrtsstraße kreuzenden Verbindungsstraße vor. Die gegenständliche Zufahrtsstraße kreuzt nach Ende der gekennzeichneten Parkplätze eine weitere, ebenfalls nicht im Sinne des Vorgesagten als Einbahnstraße gekennzeichnete, durch eine Leitlinie in zwei Fahrbahnhälften getrennte Verbindungsstraße. Ein Verbot, von dieser Straße nach rechts in die auch vom Klagsfahrzeug benutzte Zufahrtsstraße einzubiegen, ist weder durch ein Verbotszeichen „Einfahrt verboten" noch durch einen vor der Kreuzung angebrachten Richtungspfeil angezeigt. Ein in die Zufahrtsstraße in Richtung Unfallkreuzung einfahrender Verkehrsteilnehmer stößt daher erst knapp vor der Kreuzung mit der Verbindungsstraße auf den gegen seine Fahrtrichtung zeigenden, auf der Fahrbahn markierten Pfeil. Wie die Revision zutreffend aufzeigt, ist völlig unklar, welches Fahrverhalten von einem Verkehrsteilnehmer in dieser Situation zu erwarten ist. Ein Umkehrgebot lässt sich aus der Bodenmarkierung kaum ableiten.
Der Hinweis des Berufungsgerichtes auf den Gebotscharakter von Richtungspfeilen nach § 9 Abs 6 StVO (iVm § 18 der BodenmarkierungsV) ist im Übrigen schon deshalb verfehlt, weil dies nur das Einordnen für die beabsichtigte Weiterfahrt entsprechend den Richtungspfeilen und nicht das bereits vor einer Kreuzung geltende Gebot der Einhaltung einer bestimmten Fahrtrichtung betrifft (vgl auch Pürstl/Somereder aaO § 9 Anm 15). Der auch im Verhältnis zweier derartiger Verkehrsflächen auf einem Parkplatz im Zweifel geltende (RIS-Justiz RS0074359; 8 Ob 47/81 = ZVR 1982/87: SCS-Parkplatz) Rechtsvorrang des § 19 Abs 1 StVO wurde durch die Fahrtrichtung des Klagsfahrzeuges anders als bei einer Fahrt entgegen der Einbahnregelung (RIS-Justiz RS0073950; vgl RIS-Justiz RS0073375) nicht beseitigt.
Die vom Klagsfahrzeug befahrene Zufahrtsstraße ist auch nicht als Verkehrsfläche von untergeordneter Bedeutung (§ 19 Abs 6 StVO) zu werten, weil eine derartige Vorrangregel mangels vorhandener Verkehrszeichen, unterschiedlicher Ausgestaltung der betreffenden Verkehrsflächen und Bodenmarkierungen nicht in einer für die Verkehrsteilnehmer klar und eindeutig erkennbaren Weise zum Ausdruck gebracht wird (2 Ob 364/99i mwN; RIS-Justiz RS0074509). Die beteiligten Straßen sind annähernd gleich breit, nicht durch Bodenmarkierungen wie durchgehende Randlinien oder durch eine bauliche Gestaltung wie Rampen voneinander abgegrenzt; ebenso fehlt eine Vorrangregelung durch Verkehrszeichen.
Das Alleinverschulden trifft somit den Lenker des Beklagtenfahrzeuges, der den Rechtsvorrang verletzt hat. Ein Mitverschulden, insbesondere die Einhaltung einer absolut überhöhten Geschwindigkeit, hat die dafür beweispflichtige (RIS-Justiz RS0022783; RS0022560) Beklagte nicht nachgewiesen. Aus diesen Erwägungen ist dem Kläger sein Schaden zu ersetzen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)