Spruch:
1. Die Revisionsrekursbeantwortung der Christine M***** wird als verspätet zurückgewiesen.
2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten haben:
„Bewilligung der Annahme an Kindesstatt.
Der Oberste Gerichtshof bewilligt aufgrund des schriftlichen Vertrags vom 23. August 2002 die Annahme an Kindesstatt der Sylvia Gabriela S***** als Wahlkind durch Ing. Otto M***** als Wahlvater.
Wahlvater:
Vorname und Familienname: Ing. Otto M*****.
Geburtstag und Geburtsort: *****.
Geburtenbuch des Pfarramts A*****,
*****
Staatsangehörigkeit: Österreich.
Religionszugehörigkeit: röm.-kath.
Familienstand: geschieden.
Wohnort: B*****.
Wahlkind:
Vorname und Familienname: Sylvia Gabriela
S*****.
Geburtstag und Geburtsort: *****
Staatsangehörigkeit: Österreich.
Religionszugehörigkeit: röm.-kath.
Familienstand: verheiratet.
Sylvia S***** hat am ***** vor dem Standesamt W***** (Familienbuch Nr. *****) mit Peter Alfred S***** die Ehe geschlossen.
Wohnort: W*****.
Die Annahme wird gem § 179a Abs 1 ABGB mit dem 23. August 2002 wirksam".
Text
Begründung
Die Wahltochter wurde am 13. 7. 1960 als eheliche Tochter der Ehegatten Franz und Leopoldine S***** geboren. Nach dem Tod des leiblichen Vaters am 29. 3. 1962 heiratete die leibliche Mutter der Wahltochter am 10. 10. 1964 den nunmehrigen Wahlvater Ing. Otto M*****; aus dieser Ehe entstammen zwei Kinder, Christine M*****, geboren *****, und Mag. Robert M*****, geboren *****. Die Ehe zwischen dem Wahlvater und der leiblichen Mutter wurde 1995 aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Die leibliche Mutter ist am 18. 1. 2000 verstorben. Sowohl der Wahlvater als auch die Wahltochter sind österreichische Staatsbürger. Die Wahltochter ist seit 1984 verheiratet; sie hat zwei inzwischen volljährige Kinder. Der Wahlvater hat die Wahltochter nach der Eheschließung mit der leiblichen Mutter bis zum Erreichen ihrer Volljährigkeit wie eine eigene Tochter betreut. Sie lebten gemeinsam mit der leiblichen Mutter den und beiden Halbgeschwistern der Wahltochter im gemeinsamen Haushalt. Nach Abschluss der Matura bezog die Wahltochter eine eigene Wohnung. Schon während der Minderjährigkeit wurde eine Adoption des Wahlkinds in Erwägung gezogen, doch unterblieb ein Antrag, weil die Wahltochter durch Adoption die Halbwaisenpension nach dem verstorbenen leiblichen Vater verloren hätte. Der Wahlvater gab seiner Wahltochter daher vorerst nur seinen Namen. Vor rund 15 Jahren brach der Kontakt zwischen der Wahltochter und ihrer Halbschwester ab; seit damals bestand auch keine Gesprächsbasis mehr zwischen der Wahltochter und ihrer leiblichen Mutter, weil diese die Eheschließung der Wahltochter ablehnte. In ihrem schriftlichen Testament vom 23. 7. 1986 hat die leibliche Mutter sowohl die Wahltochter als auch den Wahlvater enterbt. Der Kontakt zwischen Wahlvater und Wahltochter war ebenfalls kurz unterbrochen, um die damals noch bestehende Ehe des Wahlvaters nicht zu belasten. Über Vermittlung des leiblichen Sohns des Wahlvaters wurde jedoch der Kontakt zwischen Wahlvater und Wahlkind wieder hergestellt und ist bis heute aufrecht. Zwischen Wahlvater und Wahlkind besteht eine gute emotionale Beziehung, die dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entspricht. Besuchskontakte finden im Abstand von etwa 14 Tagen statt. Auch zwischen den Kindern der Wahltochter und dem Wahlvater besteht ein Verhältnis, das der Beziehung zwischen einem Großvater und seinen Enkeln vergleichbar ist. Zwischen dem Wahlvater und seiner leiblichen Tochter Christine besteht schon seit längerer Zeit kein Kontakt mehr, ihr Verhältnis ist durch Misstrauen und Verständnislosigkeit geprägt, die emotionale Bindung ist negativ gefärbt. Die Kinder der Wahltochter brachten gegen die Verlassenschaft nach der leiblichen Mutter eine Pflichtteilsklage ein.
Der Wahlvater und die Wahltochter beantragten die Bewilligung des zwischen ihnen abgeschlossenen Adoptionsvertrages vom 23. 8. 2002. Zwischen ihnen bestehe seit mehr als vierzig Jahren eine innige, dem Verhältnis zwischen Eltern und leiblichen Kindern entsprechende Beziehung. Die beantragte Annahme an Kindesstatt diene dem Interesse der beiden Antragsteller, der innigen und Vater-Tochter-ähnlichen Beziehung auch eine gesetzliche familienrechtliche Grundlage zu schaffen.
Der Ehegatte der Wahltochter und der leibliche Sohn des Wahlvaters stimmten der beantragten Adoption zu. Die leibliche Tochter des Wahlvaters trat dem Antrag entgegen; weder bestehe ein Vater-Tochter-ähnliches Verhältnis, noch ein anderes gerechtfertigtes Anliegen. Tatsächliche Gründe für die beantragte Adoption seien lediglich finanzielle Erwägungen, wie insbesondere die Ersparnis von Schenkungs- und Erbschaftssteuer für Zuwendungen an die Wahltochter, sowie eine Minderung des gesetzlichen Erbteils der leiblichen Tochter.
Das Erstgericht wies sowohl im ersten als auch im zweiten Rechtsgang den Antrag auf Genehmigung des Adoptionsvertrags ab. Zwar sei die gesetzliche Voraussetzung einer Eltern-Kind-ähnlichen Beziehung erfüllt, es fehle aber an einem gerechtfertigten Anliegen. Es könne nicht festgestellt werden, dass es dem Wahlvater und dem Wahlkind ein Anliegen sei, durch die Annahme an Kindesstatt die wechselseitige gesellschaftliche und soziale Bindung zu verstärken und diese durch eine rechtliche Grundlage zu untermauern, sie hätten dazu keine nachvollziehbaren Angaben machen können.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach dem im Anlassfall noch anzuwendenden § 180a Abs 1 ABGB idF vor dem FamErbRÄG 2004 müsse im Fall der Eigenberechtigung des Wahlkinds ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkinds vorliegen. Das Erstgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Feststellung nachgeholt, dass das Motiv des Wahlvaters für seinen Adoptionswunsch zumindest überwiegend darin bestehe, eine Schwächung der erbrechtlichen Position seiner leiblichen Tochter gegenüber dem Wahlkind zu planen. Daher fehle nicht nur ein gerechtfertigtes Anliegen im Sinne des § 180a Abs 1 ABGB aF, sondern es liege auch ein Bewilligungshindernis nach § 180a Abs 2 ABGB vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Vorinstanzen eine der Rechtseinheit und Rechtssicherheit widersprechende krasse Fehlentscheidung getroffen haben; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
1. Die Rechtssache wurde vor dem 30. 6. 2004 anhängig. Die Voraussetzungen für die Erwachsenenadoption richten sich daher nach § 180a dritter Satz ABGB in der Fassung vor dem Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2004, BGBl I Nr 58/2004 (Art IV § 2 Abs 2 leg cit).
2. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 180a dritter Satz ABGB in der hier noch anzuwendenden Fassung ist eine Erwachsenenadoption - neben anderen hier unstrittigen Voraussetzungen - nur dann zu bewilligen, wenn sie durch ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkinds - welches im Gesetz nicht näher definiert wird (5 Ob 519/77 = EvBl 1977/238 unter Hinweis auch auf die Materialien) - getragen wird. Damit soll der erhöhten Missbrauchsgefahr begegnet werden (7 Ob 82/04s; 8 Ob 41/04v; 5 Ob 139/03g; siehe ferner RIS-Justiz RS0048764). Wegen der Missbrauchsgefahr ist insoweit ein strenger Maßstab anzulegen (7 Ob 82/04s; 8 Ob 41/04v; 2 Ob 254/03x; 5 Ob 139/03g). Welche Anliegen der Annehmende und das Wahlkind mit dem Vertrag über die Annahme an Kindesstatt beabsichtigten und welche Anliegen sie verfolgten, ist Tatfrage (RIS-Justiz RS0119342).
3. In dem der Entscheidung 1 Ob 561/86 = SZ 59/131 zugrundeliegenden Fall bestand zwischen Wahlmutter und Wahlkind „schon lange eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende innige Beziehung". Daran anknüpfend wurde in dieser Entscheidung sodann ausgesprochen: „Ein gerechtfertigtes Anliegen der Wahlmutter, aber auch des Wahlkindes bestand dann schon darin, diese Bindung durch gesetzliche familienrechtliche Bande zu verstärken". Nach dieser Entscheidung genügt es daher, wenn zwischen den Adoptionswerbern ein dem Verhältnis zwischen Blutsverwandten entsprechendes Verhältnis besteht. Mehrere Folgeentscheidungen schließen sich dieser Auffassung an und stellen klar, dass das Streben nach gesetzlichen familienrechtlichen Banden als gerechtfertigtes Anliegen im Sinne des § 180a Abs 1 ABGB zu beurteilen ist, wenn bereits seit langem eine innige Beziehung zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind entsprechend dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern besteht (RIS-Justiz RS0086286; RS0048766). Ganz im Einklang mit dieser einhelligen Rechtsprechung steht der - mit der Verletzung des rechtlichen Gehörs der leiblichen Kinder des Wahlvaters begründete - Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts im ersten Rechtsgang, wonach der hier zu beurteilende Sachverhalt ein „Paradebeispiel für eine Erwachsenenadoption" sei (AS 87).
4. Die Einwendungen der leiblichen Tochter im fortgesetzten Verfahren bezogen sich darauf, dass das Verhältnis nicht so gut gewesen sei, wie es die beiden Antragsteller darstellten, und dass die „familiäre Gesinnung" des Wahlkindes ganz allgemein zu wünschen übrig lasse. Die tatsächlichen Gründe des Wahlvaters für die Adoption seien nicht nachvollziehbar und dürften lediglich finanzieller Natur sein, wie insbesondere Steuerersparnis bei Schenkungen und Erbanfall. Trotz dieser Behauptungen der leiblichen Tochter hat das Erstgericht auch im zweiten Rechtsgang festgestellt, dass zwischen Wahlkind und Wahlvater eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht (AS 201, 217). Schon deshalb und mangels beachtlicher Einwände der leiblichen Tochter hätte das Erstgericht den Adoptionsvertrag genehmigen müssen, anstatt seiner nach dem Akteninhalt deutlich zum Ausdruck kommenden Abneigung gegen die Erwachsenenadoption freien Lauf zu lassen.
5. Dass der Wahlvater - wie das Erstgericht in der Beweiswürdigung ausführt - „offenbar die Schwächung der erbrechtlichen Position der leiblichen Tochter gegenüber dem Wahlkind durch die Adoption und eine letztwillige Verfügung" plane [AS 213], lässt entgegen den Ausführungen des Rekursgerichts im zweiten Rechtsgang nicht den Schluss zu, das Erstgericht hätte damit feststellen wollen, der Annehmende handle in der ausschließlichen oder überwiegenden Absicht, ein leibliches Kind zu schädigen; das Erstgericht hat die Versagung der Genehmigung auch nur damit begründet, es sei kein gerechtfertigtes Anliegen bescheinigt worden. Dass Wahlvater und Wahlkind das Erstgericht nicht davon zu überzeugen vermochten, „dass sie das Interesse einer rechtlichen Vertiefung einer Beziehung durch Annahme an Kindesstatt verfolgen" (AS 215), ist angesichts der festgestellten Qualität der Beziehung zwischen Wahlkind und Wahlvater rechtlich unerheblich.
In Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen ist daher die Annahme an Kindesstatt zu bewilligen.
6. Der Beschluss auf Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung wurde der Kanzlei des Vertreters der leiblichen Tochter des Wahlvaters am 14. 11. 2005 zugestellt. Die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung beträgt 14 Tage (§ 68 Abs 1 AußStrG); sie endete daher mit Ablauf des 28. 11. 2005. Der am 12. 12. 2005 zur Post gegebener Schriftsatz ist somit verspätet.
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