OGH 4Ob200/05y

OGH4Ob200/05y29.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Harald R. Jahn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 44.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 9. August 2005, GZ 4 R 143/05k-32, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 17. Juni 2005, GZ 2 Cg 112/05a-12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

Einstweilige Verfügung:

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei für die Dauer dieses Rechtsstreits aufgetragen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, die „frisch & leicht Salat-Dressings" seien a) naturrein, b) das einzige frische & naturreine Salat-Dressing.

Die klagende Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen, die beklagte Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Beide Streitteile sind Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie und vertreiben Salat-Dressings der Sorten „Gartenkräuter", „italienische Kräuter" und „Kräuter Knoblauch". Die Beklagte bewirbt ihre Produkte unter der Bezeichnung „frisch & leicht Salat-Dressings" mit dem Schlagwort „naturrein" und - in einem an den Lebensmittelhandel gerichteten Informationsblatt - mit der Aussage: „Sie erhalten das einzige frische & naturreine Salat-Dressing. S***** Salat-Dressing ist ein naturreines Frischekonzept, das nur natürliches Joghurt mit natürlichen Zutaten vereint". In der ORF-Werbung bezeichnet die Beklagte ihr Produkt als „frisches Joghurt und herrlich schmeckende Gartenkräuter, ein Salat-Dressing so natürlich, als hätte man es selbst gemacht. Naturrein-natürlich von S*****. Natur zur Natur. Frisches Dressing zu frischem Salat ...".

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils, „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs von 'frisch & leicht Salat-Dressings' zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, diese Salat-Dressings" seien a) naturrein, b) das einzige frische & naturreine Salat-Dressing. Die Behauptung der Beklagten, ihr Produkt sei „naturrein", sei geeignet, die Verbraucher irrezuführen. Das Produkt enthalte nämlich Zusatzstoffe wie Johannisbrotkernmehl, Guarkernmehl, Pektin und chemisch modifizierte Stärken und sei daher keineswegs „naturrein" im Sinn der Verbrauchererwartung. Die weitere Ankündigung, das Produkt sei „das einzige frische & naturreine Salat-Dressing" enthalte einen die Klägerin herabsetzenden und im Übrigen irreführenden, weil unrichtigen Werbevergleich. Er bringe zum Ausdruck, dass die Salat-Dressings der Klägerin nicht frisch und auch insofern schlechter seien, weil sie nicht „naturrein" seien. Das Produkt der Beklagten sei im Übrigen auch nicht das einzige „frische" im Sinne eines ohne Konservierungsmittel hergestellten Dressings. Es gebe andere vergleichbare Produkte, die gleichfalls keine Konservierungsmittel enthielten.

Die Beklagte beantragt Abweisung des Sicherungsantrags. Ihre Werbeaussage bewirke weder eine Irreführung verständiger Verbraucher noch eine Herabsetzung der Mitbewerber. Die für die Dressings verwendeten Zusatzstoffe seien Naturprodukte, die aus Pflanzen gewonnen würden und nur dazu dienten, die Entmischung der Zubereitung zu verhindern. Sie enthielten im Unterschied zu den Dressings der Mitbewerber weder Aromazusätze noch Konservierungsmittel und würden keiner über eine Pasteurisierung hinausgehenden Wärmebehandlung unterzogen. Im Übrigen habe sie ihr Produkt nur einmal in einem Informationsblatt gegenüber Marktleuten und selbstständigen Kaufleuten bestimmter Handelsketten als das „einzige frische & naturreine Dressing" bezeichnet. Diese hätten die Bezeichnung aufgrund ihrer Fachkenntnisse dahin verstanden, dass das Produkt höchste Qualität aufweise. Es gebe kein weiteres Salat-Dressing, auf das die Eigenschaften „frisch" und „naturrein" gleichermaßen zuträfen. Dass das R*****-Produkt „Chef-Menü" weder Konservierungsmittel enthält noch einem Haltbarmachungsverfahren unterzogen wurde, stellt die Beklagte nicht in Abrede.

Für den Fall, dass die einstweilige Verfügung erlassen werden sollte, stellt die Beklagte den Antrag, Bewilligung und Vollzug von einer Sicherheitsleistung von 1 Mio EUR abhängig zu machen. Die einstweilige Verfügung bedeute einen schwerwiegenden Eingriff und unwiederbringlichen Schaden im Hinblick auf eine bedeutsame Produktlinie, da sie zu einem maßgeblichen, nicht ersetzbaren Ertragsverlust führe.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es stellte noch fest, das Salat-Dressing der Beklagten werde auf Joghurt-Basis hergestellt und enthalte keine Konservierungsmittel; es werde keinem Haltbarmachungsverfahren unterzogen. Der österreichische Lebensmittelkodex regle derartige Salat-Dressings nicht ausdrücklich. Nach seinem Kapitel B 32 I b sei die Verwendung von Stabilisatoren, Verdickungsmitteln, Farbstoffen, Konservierungsmitteln, Aromastoffen und Lebensmitteln mit verdickender Wirkung, wie Stärke und Gelatine, (nur) bei Milchmischerzeugnissen aus fermentierter Milch oder fermentiertem Rahm unzulässig. Johannisbrotkernmehl und Guarkernmehl würden in der Lebensmitteltechnologie als natürliche Verdickungsmittel und Emulgatoren eingesetzt. Pektin werde aus pflanzlichen Rohstoffen wie Apfel-, Citrus- oder Rübentrester gewonnen. Stärke werde aus Mais, Weizen und Kartoffeln gewonnen, wobei unbehandelte Stärke empfindlich auf pH-Veränderungen, Hitze oder Kälte reagiere und daher (vor ihrem Einsatz in Lebensmitteln) modifiziert werde. Die auf Mayonnaise- oder Ölbasis hergestellten Dressings der Klägerin enthielten Konservierungsstoffe und Emulgatoren. Der Lebensmittelkodex verwende die Bezeichnung „frisch" nur im Zusammenhang mit Milch und Milcherzeugnissen und stelle (in diesem Zusammenhang) auf die im Kodex angeführte Anzahl der lebenden Keime im Produkt ab. Das R*****-Produkt „Chef-Menü" bestehe - anders als jenes der Beklagten aus ca 20 % Rapsöl und falle damit unter Kapitel 25 des Lebensmittelkodex (Mayonnaisen und verwandte Erzeugnisse). Eine mikrobiologische Analyse im Labor der Beklagten habe ergeben, dass dieses Erzeugnis angesichts der geringen Anzahl an lebenden Keimen nicht den Anforderungen des Kodex an ein „Frischeprodukt" entspreche. Das Dressing der Beklagten erfülle die Verbrauchererwartung hinsichtlich eines „Frischeprodukts", weil es keine Konservierungsmittel enthalte und keinem Haltbarmachungsverfahren unterzogen werde.

Die Werbeaussage der Beklagten „das einzige frische & naturreine Salat-Dressing" finde sich in einem einzigen Folder, der im Zusammenhang mit der Markteinführung an Marktleiter und selbstständige Kaufleute großer Handelsorganisationen verteilt worden sei.

Rechtlich vertrat das Erstgericht - wenngleich teilweise in seinen Feststellungen - die Auffassung, die auf der Verkaufsverpackung der Beklagten angeführten Zusatzstoffe seien „Naturprodukte". Die Beklagte dürfe ihr Erzeugnis daher trotz dieser Zusatzstoffe als „naturrein" bezeichnen. Angesichts der Angaben im Zutatenverzeichnis sei eine Irreführung der Konsumenten auszuschließen. Auch die Angabe, das Produkt sei „das einzige frische & naturreine Salat-Dressing" sei inhaltlich richtig und nicht zur Irreführung geeignet. Die Angabe „frisch" treffe nach dem Verständnis der Verbraucher zu, weil das Dressing der Beklagten weder Konservierungsmittel enthalte noch einem Haltbarmachungsverfahren unterzogen werde. Ein anderes, dem Produkt der Beklagten vergleichbares Salat-Dressing gebe es nicht. Das R*****-Produkt „Chef-Menü" sei nicht vergleichbar, weil es aus ca 20 % Rapsöl bestehe und damit unter Kapitel 25 des Lebensmittelkodex (Mayonnaisen und verwandte Erzeugnisse) falle. Es sei auch nicht „frisch", weil eine Analyse im Labor der Beklagten nicht die vom Lebensmittelkodex (für Milchprodukte) geforderte Anzahl von lebenden Keimen ergeben habe.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, unter welchen Voraussetzungen die Verwendung der Bezeichnung „naturrein" irreführend iSd § 2 UWG sei. Das Rekursgericht beurteilte die Irreführungseignung der beanstandeten Werbebehauptung als Rechtsfrage. Entscheidend sei der Gesamteindruck, den ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher gewinne. Die Angabe „naturrein" weise zwar auf eine Beschaffenheit des Produkts hin, die die Verbraucher besonders schätzten. Sie sei aber nicht geeignet, bei Verbrauchern den Eindruck zu erwecken, das Erzeugnis enthalte nur solche Bestandteile, die schon von Natur aus darin vorkommen. Schon seine Basis (nämlich Joghurt) komme in der Natur nicht vor, sondern werde erst durch Verarbeitung von Milch hergestellt, sodass kein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher davon ausgehen werde, dass sich ein Salat-Dressing in einem unveränderten Naturzustand befinden könne. Vielmehr erwarte der Verbraucher, dass die Grundstoffe der Bestandteile aus der Natur stammten, mögen sie dort auch nicht in der im Dressing verwendeten Form vorkommen, und dass auf Aroma- und Konservierungsmittel verzichtet werde. Entspreche ein Salat-Dressing diesen Erwartungen, erfahre es aus der Sicht des Verkehrs auch durch aus Pflanzen gewonnene Zusatzstoffe keine erhebliche Veränderung. Dass ein nicht völlig unbeachtlicher Teil der Verbraucher aus der Bezeichnung „naturrein" schließen könnte, dass das so bezeichnete Salat-Dressing nicht einmal erlaubte, gesundheitlich und geschmacklich unbedenkliche, aus der Natur kommende, aber verarbeitete Stoffe enthalte, könne nicht angenommen werden. Die weitere Behauptung der Beklagten im Informationsblatt („das einzige frische & naturreine") sei nicht für sich allein, sondern nach dem Gesamteindruck unter Berücksichtigung von Form und Zusammenhang der Aussage zu beurteilen. Nach diesem Gesamtzusammenhang verstünden die mit dem Informationsblatt angesprochenen Marktleiter und Kaufleute die beanstandete Behauptung bloß dahin, dass die Beklagte Salat-Dressings auf Joghurt-Basis anbiete, welche die von ihr im Einzelnen angeführten Kriterien erfüllten, während die von den Mitbewerbern angebotenen Dressings diese Kriterien nicht (zur Gänze) erfüllten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die Bezeichnung eines zum Verzehr bestimmten Produkts als „naturrein" auf eine Beschaffenheit hinweist, die die Verbraucher besonders schätzen. Sie spricht das Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung an und ist in hohem Maß geeignet, den Kaufentschluss zu beeinflussen. Mit derartigen Begriffen darf nur dann geworben werden, wenn sie eindeutig belegt sind und eine Irreführung der umworbenen Verbraucher ausgeschlossen ist (4 Ob 268/98k = ÖBl 1999, 22 - Stockerauer Salaterdäpfel; RIS-Justiz RS0078176). Lässt die Ankündigung mehrere Deutungen zu, muss der Werbende nach stRsp die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (4 Ob 90/94 = ÖBl 1995, 164 - Bioziegel; 4 Ob 268/98k = ÖBl 1999,22 - Stockerauer Salaterdäpfel; RIS-Justiz RS0078428).

Wie die angesprochenen Verkehrskreise die Werbeaussage verstehen und ob diese danach zur Irreführung geeignet ist, ist in Fällen, in denen - wie hier - die Erfahrungen des täglichen Lebens zur Beurteilung ausreichen, eine Rechtsfrage (4 Ob 268/98k = ÖBl 1999, 22 - Stockerauer Salaterdäpfel uva).

Die Beklagte bewirbt ihr auf Joghurt-Basis hergestelltes Salat-Dressing als „naturrein". In der Entscheidung 4 Ob 316/86 (= ÖBl 1986, 104 - bottichfrisch) hat der Oberste Gerichtshof der - in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall für chemisch haltbar gemachtes Sauerkraut verwendeten - Bezeichnung „bottichfrisch" die Bezeichnung „naturrein" gleichgestellt und ausgeführt, dass beide Bezeichnungen bei einem keineswegs unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Konsumenten den Eindruck erweckten, es handle sich um „naturbelassene" Erzeugnisse. Diese Erwartung werde enttäuscht, wenn das Erzeugnis vor dem Abfüllen einer zusätzlichen chemischen Behandlung unterzogen wird.

An dieser Auffassung ist festzuhalten. Wird ein Produkt als „naturrein" bezeichnet, so erwartet jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise, dass das Produkt „naturbelassen" sei. Von einem „naturbelassenen" Produkt kann nicht mehr gesprochen werden, wenn das Produkt - wie das Sauerkraut im Fall der Entscheidung 4 Ob 316/86 - chemisch behandelt wurde, um es haltbar zu machen. Gleiches muss auch dann gelten, wenn zwar nicht das Endprodukt, aber ein Zusatzstoff chemisch behandelt wurde, um eine im unbehandelten Zustand nicht gegebene, für das Produkt aber notwendige oder jedenfalls gewünschte Eigenschaft zu erhalten.

Genau dies geschieht im vorliegenden Fall. Die Beklagte setzt ihrer Salatsauce Stärke zu, um eine bestimmte Konsistenz zu erreichen. Da das gewünschte Ergebnis nicht erreicht wird, wenn naturbelassene Stärke zugesetzt wird, verwendet die Beklagte als Stabilisator „modifizierte" Stärke. „Modifizierte Stärken" sind nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs 1 lit q der Zusatzstoffverordnung (ZuV), BGBl II 1998/383, Stoffe, die durch ein- oder mehrmalige chemische Behandlung aus essbaren Stärken gewonnen werden. Die essbaren Stärken werden einer physikalischen oder enzymatischen Behandlung unterzogen und durch Säure- oder Alkalibehandlung dünnkochend gemacht oder gebleicht. „Modifizierte Stärke" ist damit nicht „naturbelassen" und darf daher auch nicht als „naturrein" bezeichnet werden. Für das Endprodukt - die Salatsauce - kann nichts anderes gelten. Sind ihm Stoffe zugesetzt, die chemisch verändert und daher nicht mehr „naturbelassen" sind, so ist auch das Endprodukt nicht „naturrein" im Sinne der Erwartung eines nicht unbeträchtlichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise und die Angabe „naturrein" damit zur Irreführung geeignet.

Der Unklarheitenregel folgend, wonach der Werbende die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muss, und unter Berücksichtigung des für gesundheitsbezogene Angaben anzuwendenden strengen Maßstabs ist die Werbeankündigung der Beklagten demnach irreführend und verstößt gegen § 2 UWG, weil die dem Produkt zugesetzten modifizierten Stärken einer chemischen Behandlung unterzogen wurden.

Dass die hier verwendeten Zusatzstoffe in der auf der Verkaufsverpackung angegebenen Zutatenliste aufscheinen, kann eine Irreführung keinesfalls hindern. Die angesprochenen Verkehrskreise rechnen nicht damit, dass die Bezeichnung „naturrein" nur mit Einschränkungen gilt. Selbst wenn sie aber der Zutatenliste ihre Aufmerksamkeit zuwenden, wird jedenfalls der Großteil von ihnen nicht entsprechend aufgeklärt, weil für den regelmäßig nicht fachkundigen Verbraucher nicht hinreichend deutlich auf die chemische Aufbereitung der Stärke hingewiesen wird. Auch die Zulässigkeit eines Zusatzstoffes für die Herstellung des Salat-Dressings nach dem Lebensmittelgesetz und dem Österreichischen Lebensmittelbuch hat auf die Irreführungseignung der Angabe „naturrein" keinen Einfluss. Fraglich ist nämlich nicht, ob modifizierte Stärken als Zusatzstoffe beigefügt werden dürfen, sondern ob die Bezeichnung „naturrein" nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise auf das Produkt der Beklagten zutrifft, wenn (chemisch veränderte) modifzierte Stärke zugesetzt wurde.

Das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-465/98 - Darbo (wbl 2000/161, 267) steht dem Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Der EuGH hatte aus Anlass eines Vorabentscheidungsersuchens eines deutschen Gerichts die Zulässigkeit der Angabe „naturrein" für eine Erdbeerkonfitüre nach Art 2 Abs 1 lit a Z 1 der RL 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmittel sowie die Werbung hiefür zu beurteilen. Das Produkt (Erdbeerkonfitüre) enthielt Pektin und geringfügige Spuren bzw. Rückstände von aus dem Erdreich oder der Luft in die verarbeiteten Früchte (und damit in das Erzeugnis) gelangten Schadstoffen. Der EuGH vertrat die Auffassung, die Angabe „naturrein" könne den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher nicht schon wegen des Umstands irreführen, dass das Lebensmittel das Geliermittel Pektin enthalte, das Konfitüren zugesetzt werden dürfe und auf das im Zutatenverzeichnis aufscheine. Die verarbeiteten Gartenfrüchte seien einer Schadstoffbelastung aus Erde oder Luft zwangsläufig ausgesetzt, sodass auch geringfügige Spuren oder Rückstände von Schadstoffen einer Bezeichnung als „naturrein" nicht entgegenstünden.

Im vorliegenden Fall liegen die Dinge anders. Es geht nicht um Inhaltsstoffe, die durch Umwelteinflüsse im naturbelassenen Produkt enthalten sind, sondern darum, dass dem Produkt Stoffe zugesetzt werden, die chemisch verändert und damit nicht naturbelassen sind.

Mit der Aussage, ihr Joghurt-Dressing sei „das einzige frische & naturreine Salat-Dressing" nimmt die Beklagte eine Alleinstellung für sich in Anspruch. Alleinstellungswerbung ist nach stRsp primär nach § 2 UWG zu beurteilen und (nur) dann zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbare behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht oder die Behauptung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist (RIS-Justiz RS0078451). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte versteht die Bezeichnung „frisch" selbst im Sinn von „enthält keine Konservierungsmittel und wurde einem Haltbarmachungsverfahren nicht unterzogen". Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts stellt das den fachkundigen Kaufleuten übergebene Informationsblatt keineswegs klar, dass die Werbebehauptung nicht dahin zu verstehen wäre, dass das Produkt der Klägerin das einzige auf dem Markt befindliche, ohne Konservierungsmittel hergestellte Salat-Dressing (und damit „frisch") sei und dass nur naturbelassene Zusatzstoffe beigemengt wurden (es daher „naturrein" sei). Das Verständnis der Fachkreise kann daher nicht von jenem eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abweichen.

Nach dem bescheinigten Sachverhalt ist die Werbeaussage schon deshalb unrichtig, weil auch das Salat-Dressing eines weiteren Konkurrenten (R*****) ohne Konservierungsmittel (und ohne einem Haltbarmachungsverfahren unterzogen zu werden) hergestellt wird. Dass die im R*****-Produkt festgestellte Anzahl von Keimen nicht jener Keimzahl entspricht, die der Lebensmittelkodex Kapitel B 32 für Milch und Milcherzeugnisse als Voraussetzung ihrer „Frische" fordert, gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Das R*****-Produkt besteht nämlich zu 20 % aus Rapsöl und fällt damit unter das Kapitel Mayonnaisen und verwandte Erzeugnisse des Lebensmittelkodex. Im Zusammenhang mit derartigen Erzeugnissen wird keine bestimmte Anzahl lebender Keime verlangt, damit das Produkt als frisch bezeichnet werden darf. Dass die Aussage auch insofern zur Irreführung geeignet ist, als sie das Dressing der Beklagten als „naturrein" bezeichnet, wurde bereits erörtert.

Das angestrebte Unterlassungsgebot ist daher auch in Ansehung der unrichtigen und irreführenden Alleinstellungswerbung berechtigt. Ob die Aussage zur Alleinstellung überdies gegen § 7 UWG verstößt, weil sie - nach Auffassung der Klägerin - deren Produkte schlecht macht, kann offen bleiben.

Zur Sicherheitsleistung:

Die Beklagte beantragt, Bewilligung und Vollzug der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung von 1 Mio EUR abhängig zu machen. Sie macht geltend, die angestrebte einstweilige Verfügung bedeute einen schwerwiegenden Eingriff und unwiederbringlichen Schaden im Hinblick auf ihre bedeutsame Produktlinie und damit einen maßgeblichen, nicht ersetzbaren Ertragsverlust.

Gemäß § 390 Abs 2 EO kann das Gericht auch bei ausreichender Bescheinigung des Anspruchs die Bewilligung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn nach den Umständen des Falls Bedenken wegen eines tiefgreifenden Eingriffs der einstweiligen Verfügung in die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei bestehen. Durch die Sicherheitsleistung wird in solchen Fällen die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (Kodek in Angst, EO § 390 Rz 5 mwN). Sie ist bei - wie hier - ausreichender Bescheinigung des Unterlassungsanspruchs nur dann aufzuerlegen, wenn einem schwerwiegenden Eingriff in die Rechtssphäre der Beklagten keine gleichwertige Gefährdung der Interessen der Klägerin gegenübersteht (Kodek aaO § 390 Rz 5).

Die Beklagte erblickt einen schwerwiegenden Eingriff in ihre Rechtssphäre in drohenden Ertragseinbußen. Diese Einbußen können nur insoweit auf die einstweilige Verfügung zurückgeführt werden, als sie dadurch entstehen, dass die Beklagte nicht mehr mit der irreführenden Behauptung werben darf, ihre Salatsauce sei naturrein und das einzige frische und naturreine Salat-Dressing. Die einstweilige Verfügung hindert die Beklagte aber nicht daran, ihre Salatsauce, wenn auch in einer geringfügig geänderten Aufmachung, weiter in Verkehr zu bringen. Unter diesen Umständen greift die - wenn auch mit Kosten verbundene - bloße Änderung von Aufmachung und Werbelinie nicht derart tief in die Rechtssphäre der Beklagten ein, dass eine Sicherheitsleistung gerechtfertigt wäre. Einer Abwägung mit den gefährdeten Interessen der Klägerin bedarf es daher nicht mehr.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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