OGH 8ObS24/05w

OGH8ObS24/05w16.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Glawischnig sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Thomas Albrecht als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alexandru T*****, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in Gloggnitz, gegen die beklagte Partei IAF-Service GmbH, Geschäftsstelle Eisenstadt, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Insolvenz-Ausfallgeld EUR 304,33 sA, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17. August 2005, GZ 9 Rs 42/05w-10, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1.) Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

2.) Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

3.) Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 83,33 (darin EUR 13,89 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 30. 10. 2003 bis 19. 3. 2004 bei der Firma A***** GmbH als Arbeiter beschäftigt. Am 16. November 2001 nahm er bei einer Bank einen Kredit in Höhe von EUR 38.516,60 auf, wobei 120 monatliche Ratenzahlungen von zunächst jeweils EUR 512,32 mit Laufzeit Ende 30. 11. 2011 vereinbart wurden. Es handelte sich um eine Zusammensetzung von mehreren Krediten, die der Kläger gemeinsam mit seiner Ehegattin aufnahm. Das Geld wurde für das Einrichten einer Wohnung und Anschaffung eines PKW verwendet. Bis Jänner 2004 leistete der Kläger die Kreditraten wie vereinbart. Ab Jänner 2004 leistete die Arbeitgeberin die fälligen Arbeitsentgelte an den Kläger nicht mehr und vertröstete ihn hinsichtlich der Zahlung immer wieder auf spätere Zeitpunkte Auf Grund des Ausbleibens der Arbeitsentgelte ab Jänner 2004 konnte der Kläger die fälligen Kreditraten nicht mehr leisten. Er teilte dies der Bank mit, die vom Kläger einen Lohnzettel anforderte. Er konnte diesen jedoch nicht vorlegen, weil er sämtliche Unterlagen von seinem Arbeitgeber erst längere Zeit nach der Arbeitgeberkündigung am 19. 3. 2004 erhielt. Dem Kläger wurden folgende Nebengebühren und Mahnspesen in Rechnung gestellt:

Spesen

10. 2. 2004 Mahnspesen unbar EUR 30,--

6. 3. 2004 Mahnspesen unbar EUR 41,50

21. 3. 2004 Mahnspesen unbar EUR 54,--

10. 4. 2004 Mahnspesen unbar EUR 30,--

19. 4. 2004 Mahnspesen unbar EUR 54,--

23. 4. 2004 Spesen aktiv Lohnabzug EUR 44,--

13. 5. 2004 Anw. neu Honorar EUR 50,87

SUMME EUR 304,37.

Zum 1. 6. 2004 haftete ein Saldo in Höhe von EUR 35.197,69 auf dem Kreditkonto aus, wobei dieser Saldo auch die Kredite der Ehegattin des Klägers beinhaltete. Diese war im Zeitraum 1. 1. bis 19. 3. 2004 und auch darüber hinaus berufstätig. Die geltend gemachten Mahnspesen und Nebengebühren wurden vom Kläger in weiterer Folge entrichtet."

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass der Kläger das Klagebegehren ausdrücklich auf § 1 Abs 2 Z 3 IESG stütze. Die „sonstigen Ansprüche" nach dieser Gesetzesstelle seien gesichert, wenn sie ihren Rechtsgrund im Dienstverhältnis haben. Im vorliegenden Fall fehle der erforderliche innere Sachzusammenhang zwischen dem geltend gemachten Anspruch und dem Dienstverhältnis.

Das Berufungsgericht hob über Berufung des Klägers das Ersturteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

§ 1 IESG normiere als allgemeine Voraussetzung der Sicherung von Ansprüchen, dass sie „aus dem Arbeitsverhältnis" zustehen. Ein Anspruch resultiere nur dann aus dem Arbeitsverhältnis, wenn er nicht nur in einem äußeren zufälligen, sondern in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit den das Arbeitsverhältnis kennzeichnenden wechselseitigen Verbindlichkeiten stehe, der Anspruch somit seine Wurzel letztlich im Arbeitsverhältnis selbst habe. Der Kläger habe sein Klagebegehren erkennbar auf § 1 Abs 2 Z 2 IESG gestützt. Als Schadenersatzansprüche, die aus dem Dienstverhältnis entspringen, gelten solche, die aus einer Verletzung der Haupt- oder Nebenpflichten des Dienstverhältnisses abgeleitet werden könnten. Diese Voraussetzung liege gegenständlich vor. Gemäß § 1333 Abs 3 ABGB idF Art I Z 2 ZinsRÄG könne der Gläubiger im Fall der Verzögerung der Zahlung einer Geldforderung außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen. Diese Regelung betreffe jene Nachteile, deren Ersatz der Gläubiger neben den gesetzlichen Zinsen verlangen könne. Dazu zählten neben den ausdrücklich genannten Kosten auch alle anderen durch den Verzug verursachten und im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehenden Schäden. Danach seien Verzugsschäden solche Schäden, die adäquate Folge des Verzuges seien. Dass ein Gläubiger infolge Zahlungsverzugs eines Schuldners in die Lage kommen könne seinerseits einen Kredit nicht tilgen zu können, liege auf der Hand. Es könne keine Rede davon sein, dass der Eintritt einer solchen Folge des Verzuges außergewöhnlich sei. Vorliegend stehe fest, dass der Kläger hinsichtlich der Rückzahlung des - möglicherweise gemeinsam mit seiner Ehegattin - aufgenommenen Kredits deshalb in Verzug geraten sei, weil der Dienstgeber ab Jänner 2004 seiner Lohnzahlungspflicht nicht mehr nachgekommen sei. In dieser Konstellation hafte der Dienstgeber gemäß § 1333 Abs 3 ABGB auch für die dem Kläger von der Bank in Rechnung gestellten, einen weiteren Verzugsschaden bildenden Mahnspesen. Dieser Anspruch erweise sich auch grundsätzlich als gemäß § 1 Abs 2 Z 2 IESG gesichert, da der gegenständliche Schadenersatzanspruch aus der Verletzung der Entgeltpflicht resultiere.

Allerdings ließen die unklaren Feststellungen des Erstgerichtes noch keine abschließende Beurteilung der Frage zu, ob Kreditnehmer ausschließlich der Kläger oder auch dessen Ehegattin sei. Damit könne aber noch nicht gesagt werden, ob die relevanten Mahnspesen nur dem Kläger entstanden seien.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs der Beklagten ist berechtigt, der Rekurs des Klägers ist hingegen nicht berechtigt.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes erweist sich die Rechtssache als spruchreif.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die durch das ZinsRÄG eingeführte Bestimmung des § 1333 Abs 3 ABGB, die erkennbar den Ersatz angemessener Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen des Gläubigers für seine Forderung beabsichtigt, vorliegend überhaupt als taugliche Rechtsgrundlage für den Ersatz von Mahnspesen, die dem Kläger als Kreditschuldner erwachsen sind, herangezogen werden kann, da diese Ansprüche jedenfalls nicht nach dem IESG gesichert sind.

§ 1 Abs 2 Z 2 IESG zählt die „Schadenersatzansprüche" zu den nach diesem Gesetz gesicherten Ansprüchen. Als Schadenersatzansprüche, die aus dem Dienstverhältnis entspringen, gelten solche, die aus einer Verletzung der Haupt- oder Nebenpflichten des Dienstverhältnisses abgeleitet werden können (Holzer/Reissner/Schwarz, Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz, 154 mwH; Liebeg IESG2 Rz 202).

Nach ständiger Rechtsprechung ist Zweck des IESG eine sozialversicherungsrechtliche Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von Arbeitnehmern im Fall der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Es sind nur jene Ansprüche gesichert, die mit den ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Haupt- und Nebenpflichten in einem solchen Sachzusammenhang stehen, dass davon ausgegangen werden kann, die Ansprüche hätten ihren Entstehungsgrund letztlich im Arbeitsverhältnis (SZ 69/195; RIS-Justiz RS0076382; SZ 71/208; 8 ObS 7/94; 8 ObS 4/03a ua).

Aus dem Zweck des IESG ergibt sich aber auch, dass der durch die nicht rechtzeitige Entgeltzahlung entstehende „Verzugsschaden" nur im Rahmen der Regelungen des IESG über die Verzinsung gesicherter Ansprüche geltend gemacht werden kann. Gemäß § 3 Abs 2 IESG idF des BGBl I 2000/142 gebührt Insolvenz-Ausfallgeld für Zinsen für die gemäß § 1 Abs 2 Z 1 - 3 gesicherten Ansprüche ab der Fälligkeit bis zum Stichtag. Mit dieser Neuregelung wurde eine Übereinstimmung mit den Vorschriften des Insolvenzrechtes erzielt, wonach Zinsen nur bis zur Verfahrenseröffnung angemeldet werden können (RV 311 BlgNR 21. GP, 212). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass durch § 3 Abs 2 Z 2 IESG (jetzt: § 3 Abs 2) der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für Zinsen abschließend geregelt werde (SZ 65/164; 8 ObS 2314/96v = SSV-NF 11/28).

In den Fällen, in denen der Oberste Gerichtshof einen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers im Sinn des § 1 Abs 2 Z 2 IESG bejaht hat, wurde neben der Verpflichtung zur rechtzeitigen Zahlung des Entgeltes vom Arbeitgeber jeweils eine zusätzliche Verpflichtung, etwa jene der vollständigen Abfuhr entrichtender Sozialversicherungsbeiträge (8 ObS 10/95), die Verpflichtung als Drittschuldner einbehaltenes Arbeitsentgelt den Gläubiger auszubezahlen (8 ObS 211/98g) oder die Verpflichtung die erforderliche Nettolohnabrechnung auszuhändigen (9 ObS 19/91) vom Arbeitgeber rechtswidrig und schuldhaft verletzt, während der Kläger hier seinen Anspruch ausschließlich auf die nicht rechtzeitige Entgeltzahlung seitens der Dienstgeberin stützt.

Der Ersatz eines über die gesetzlichen Zinsen hinausgehenden Nachteils der nicht rechtzeitigen Zahlung setzt - auch im allgemeinen Zivilrecht - auf jeden Fall einen schuldhaften Zahlungsverzug voraus, wobei der säumige Schuldner nach § 1298 ABGB den Beweis zu erbringen hat, dass ihn kein Verschulden trifft (7 Ob 583/92 = EvBl 1993/15). Ungeachtet der erstgerichtlichen Feststellung - die in Wahrheit eine rechtliche Beurteilung darstellt -, dass die nunmehrige Gemeinschuldnerin ab Jänner 2004 „auf Grund ihres Verschuldens" die fälligen Arbeitsentgelte an den Kläger nicht mehr auszahlte, ist ein weitergehender Ersatzanspruch aus der verspäteten Entgeltzahlung als der im IESG geregelte Anspruch auf (Verzugs-)Zinsen nach der Systematik dieses Gesetzes nicht gesichert.

Das Berufungsgericht leitet den Schadenersatzanspruch des Klägers erkennbar aus der Verletzung der Entgeltzahlungspflicht der Arbeitgeberin ab. Da jede Geltendmachung von Insolvenz-Ausfallgeld schon begrifflich eine Verletzung der den Arbeitgeber treffenden Entgeltzahlungspflicht voraussetzt, kann der bloße Verzug allein, auch wenn dieser für einen Schaden ursächlich ist, den Ersatzanspruch nicht begründen, vielmehr ist der entsprechende Sachzusammenhang des Anspruches mit dem Dienstverhältnis als weitere Voraussetzung erforderlich. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kann nun vorliegend nicht davon gesprochen werden, dass der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Mahnkosten und Spesen, mit denen er im Zusammenhang mit einer Kreditaufnahme belastet wurde, seinen Entstehungsgrund im Arbeitsverhältnis hätte. Es liegt in der Natur der (bloß) sozialversicherungsrechtlichen Sicherung, dass sie nicht jeden dem Arbeitnehmer aus der Insolvenz entstandenen Schaden abdecken soll und kann.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verbindlichkeiten des Klägers aus einer, in keinem erkennbaren Konnex mit dem gegenständlichen Arbeitsverhältnis stehenden Kreditaufnahme, ihren Entstehungsgrund letztlich nicht im Arbeitsverhältnis haben, weshalb schon aus diesem Grund dem Klagebegehren keine Berechtigung zukommen kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b IESG. Im Hinblick auf die doch komplexe Rechtslage scheint es angemessen, dem Kläger die halben Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

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