OGH 9Nc8/05h

OGH9Nc8/05h15.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Martin V*****, geboren am 12. Oktober 1987, *****, AZ 15 P 343/03t des Bezirksgerichts Fünfhaus, infolge Vorlage zur Genehmigung der Übertragung gemäß § 111 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache durch das Bezirksgericht Fünfhaus an das Bezirksgericht Bruck/Mur wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Das Bezirksgericht Fünfhaus übertrug mit seinem Beschluss vom 14. 12. 2004 (ON 126) die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Bruck/Mur, weil Mutter und Kind ihren Lebensmittelpunkt in den Sprengel dieses Gerichts verlegt haben. Das Bezirksgericht Bruck/Mur verweigerte die Übernahme der Zuständigkeit mit Beschluss vom 21. 12. 2004 (ON 127), weil das übertragende Gericht bereits umfangreiche Erhebungen zum offenen Unterhaltsenthebungs- und zum Besuchsrechtsantrag des Vaters durchgeführt habe, sodass eine Entscheidung darüber durch das bisher zuständige Gericht zweckmäßiger sei. Das übertragende Gericht legte auf Grund dieser Weigerung den Akt dem Obersten Gerichtshof als gemeinsam übergeordnetem Gericht zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN (neuerlich) vor, nachdem es über Aufforderung des Obersten Gerichtshofs zunächst den Übertragungsbeschluss zugestellt und dessen Rechtskraft abgewartet hatte (9 Nc 39/04s).

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Betroffenen liegt (RIS-Justiz RS0047300 ua). Auch offene Anträge sind kein grundsätzliches Übertragungshindernis (RIS-Justiz RS0047032 ua); es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Entscheidung über einen solchen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (2 Nc 2/05z ua).

Die Besonderheit des gegenständlichen Falls liegt darin, dass das Kind inzwischen bereits die Volljährigkeit (§ 21 Abs 2 ABGB idF KindRÄG 2001, BGBl I 2000/135) erlangt hat und die Pflegschaftssache somit beendet ist (§ 172 Abs 1 ABGB; vgl 3 Ob 625/85 ua), daher nur mehr über den vor Eintritt der Volljährigkeit eingebrachten Unterhaltsenthebungsantrag des Vaters zu entscheiden ist, soweit dieser auf Grund der Entscheidung des Rekursgerichts (ON 113) noch offen ist (§ 29 JN; vgl 1 Ob 126/04t; RIS-Justiz RS0047381 ua). Auch wenn offene Anträge die Übertragung der Zuständigkeit in einer Pflegschaftssache an das Gericht des neuen Lebensmittelpunkts des Kindes grundsätzlich nicht hindern, ist es im vorliegenden Fall nicht zweckmäßig, diese Übertragung der Zuständigkeit nach dem Erreichen der Volljährigkeit des Kinds zu genehmigen. Gegen eine Übertragung in der Endphase des Pflegschaftsverfahrens spricht auch die Erwägung, dass das bisher befasste Gericht bereits eingehende Kenntnisse über die Verhältnisse der Beteiligten hat und deshalb besser geeignet erscheint, den Unterhaltsenthebungsantrag des Vaters, soweit er noch offen ist, zu erledigen (vgl Fucik in Fasching I² § 111 JN Rz 3 mwN; 6 Nc 10/05f; 6 Nd 508/01; EFSlg 94.385, 69.773 ua). Von der Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Bruck/Mur ist daher Abstand zu nehmen.

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