OGH 7Ob138/05b

OGH7Ob138/05b19.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Entschädigungssache der Antragsteller 1. Oswald S*****, 2. Irene I*****, 3. Otto D*****,

4. Fritz D*****, und 5. Michael S*****, alle vertreten durch Dr. Herwig Jasbetz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die Antragsgegnerin Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG, 1120 Wien, Vivenotgasse 10, vertreten durch Großmann & Wagner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen Neufestsetzung einer Enteignungsentschädigung nach § 6 HIG über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin (Revisionsrekursinteresse: EUR 2.353,75) gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. April 2005, GZ 1 R 185/04g-45, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 19. August 2004, GZ 26 Nc 3/01g-38, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern die mit EUR 416,40 (darin enthalten EUR 69,40 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind Miteigentümer einer 10.969 m2 großen Liegenschaft, von der mit Bescheid des Landeshauptmanns für Kärnten vom 23. Oktober 2000 2189 m2 für den Bau eines Teiles der Koralmbahn (Hochleistungsstrecke) enteignet wurde. Hinsichtlich einer Teilfläche von 908 m2 wurde der Antragsgegnerin das zeitweilige Recht zur Benützung während der Bauphase eingeräumt. Von der Enteignung ist auch jenes Grundstück betroffen, dass mit Pachtvertrag vom 27. Jänner 1998 für die Zeit vom 1. Jänner 1998 bis zum 31. Jänner 2003 an Ferdinand S***** verpachtet wurde.

Soweit noch für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung beträgt die Entschädigung für den dauernden Flächenentzug EUR 20.686,05. Die Pächterentschädigung beläuft sich auf EUR 694,13, wobei dieser Bewertung der jährliche Nachteil des Pächters bestehend aus den entgangenen Deckungsbeiträgen und Ausgleichszahlungen abzüglich der eingesparten Pachtzinse zugrundeliegt. Der Deckungsbeitrag setzt sich aus Wiederbeschaffungskosten zuzüglich Kulturpflanzen-Flächenzahlung, zuzüglich Elementarförderung laut dem von den Vorinstanzen der Entscheidung zugrundegelegten Gutachten zusammen.

Zu den Wiederbeschaffungskosten wurde festgestellt, dass mit Vertragserrichtungskosten inklusive Beglaubigungsgebühr je nach Vereinbarung mit dem Urkundenerrichter mit ca zwei bis vier Prozent vom Verkaufswert der Liegenschaft zuzüglich Umsatzsteuer zu rechnen ist.

Durch die ständige Inanspruchnahme durch schwere Fahrzeuge werden die landwirtschaftlich genützten Böden trotz größter Sorgfalt in Mitleidenschaft gezogen. Zu den Strukturverbesserungskosten steht fest, dass Kosten für die Tieflockerungen mittels Raupe (inkl 20 % USt), Oberbodenlockerungen, Zusatzdüngung, Steineglauben bei mittlerer Versteinerung (inklusive 12 % USt) samt 50 %igen Zuschlag für Überlappung bei der Bearbeitung in der Höhe von EUR 758 notwendig werden.

Die Antragsteller begehren die Neufestsetzung des Entschädigungsbetrages und bezifferten ihn in der Tagsatzung vom 28. 6. 2004 mit EUR 28.464,31. Soweit dies für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung ist begehren sie an Wiederbeschaffungskosten pauschal 10 % und machen den Anspruch auf Ersatz der Rekultivierungskosten der vorübergehend in Anspruch genommenen Flächen geltend. Die Entschädigung des Pächters betrage EUR 694,13.

Die Antragsgegnerin beantragt zuletzt, die Enteignungsentschädigung lediglich mit EUR 25.324,28 festzusetzen. Soweit dies noch für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung ist, wenden sie sich dagegen, dass neben der Entschädigung für Flächenentzug eine Pächterentschädigung zugesprochen wird, dass die Wiederbeschaffungskosten mehr als 7,5 % betrügen und bei der Entschädigung für Strukturverbesserung eine 12 %ige Umsatzsteuer Berücksichtigung fände, obwohl es sich um Eigenleistungen des Enteigneten handle.

Das Erstgericht sprach die dargelegten Entschädigungsbeträge zu, gewährte aber für den dauernden Flächenentzug eine Aufwertung von 3,8

%.

Das Rekursgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahingehend ab, dass der Aufwertungsbetrag zu entfallen hat und bestätigte sie im Übrigen mit der Maßgabe, dass von der festgesetzten Enteignungsentschädigung von EUR 27.678,43 EUR 694,13 auf die Vergütung der Nachteile des Pächters Ferdinand S***** entfielen. Es vertrat - soweit dies für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung ist - die Rechtsansicht, dass der Zuspruch einer Pächterentschädigung neben einer Entschädigung für Flächenentzug keine Doppelentschädigung darstelle. Der zu erwartende Verlust des Pächters sei nicht in der den Antragstellern zugesprochenen Entschädigung für den dauernden (Verkehrswert und Wiederbeschaffungskosten) und den vorübergehenden (Benützungsentgelt) Flächenentzug enthalten. Die Wiederbeschaffungskosten seien pauschal mit 9 % festzusetzen. Seit dem GrEStG 1987 falle eine Grunderwerbssteuer von 3,5 % des Kaufpreises an. Die Kosten für die Errichtung eines Kaufvertrages seien mit ca 2 bis 4 % des Kaufpreises zuzüglich 20 % USt und Barauslagen (Eingabengebühr EUR 39) und Intabulierungsgebühr 1 % zu berücksichtigen. Hinzu kämen noch Gebühren für die grundverkehrsbehördliche Genehmigung, allenfalls Vermessungs- und Maklerkosten. Bei der Entschädigung für Strukturverbesserung sei eine 12 %ige Umsatzsteuer zu berücksichtigen, weil es sich nicht um Eigenleistungen des Enteigneten, sondern um Fremdleistungen handle.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob neben der Entschädigung für dauernden und vorübergehenden Flächenentzug an den Liegenschaftseigentümer auch eine im zu erwartenden Verlust liegende Pächterentschädigung zu leisten sei, Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit einem Abänderungsantrag dahingehend, dass den Antragstellern lediglich eine Enteignungsentschädigung in der Höhe von EUR 25.324,28 zustehe, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Antragsteller beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Zu Unrecht macht die Antragsgegnerin geltend, dass derselbe real eintretende Vermögensnachteil doppelt entschädigt wurde, weil neben der Entschädigung für Flächenentzug noch zusätzlich eine Pächterentschädigung zugesprochen wurde. Grundsätzlich soll durch die Gewährung der Entschädigung nach § 4 EisbEG dem Enteigneten der Unterschied zwischen seiner Vermögenslage vor und nach Enteignung ausgeglichen werden, wobei es bei der Ermittlung der Entschädigung auf eine bereits bestehende Verwendungsmöglichkeit der durch die Enteignung beanspruchten Flächen ankommt (5 Ob 503/85, RIS-Justiz RS0057975). Dem Enteigneten gebührt der Verkehrswert (Austauschwert), also jener Betrag, um den die Sache im Verkehr angeschafft oder veräußert werden kann, konkret jener Betrag, der für ein Grundstück gleicher Art und Beschaffenheit zum Zeitpunkt der Enteignung im örtlichen Bereich von Kauflustigen geboten worden wäre (2 Ob 563/88 mwN). Bei der Ermittlung der Entschädigung ist auch auf die Nachteile Rücksicht zu nehmen, die Nutzungsberechtigte, Gebrauchsberechtigte oder Bestandnehmer durch die Enteignung erleiden und deren Vergütung dem Enteigneten obliegt (§ 5 EisbEG). Der Bestandnehmer hat daher als Nebenberechtigter iSd § 5 EisbEG Anspruch auf volle Schadloshaltung (2 Ob 561/79, 5 Ob 577/81, 7 Ob 522/89, RIS-Justiz RS0057994, RS0067982). Bei Ermittlung der Entschädigung sind daher neben den Nachteilen des Liegenschaftseigentümers gesondert auch auf die Nachteile des Bestandnehmers Rücksicht zu nehmen. Der obligatorisch Berechtigte hat aber keinen unmittelbaren Entschädigungsanspruch. Er ist bei der Ausmittlung des Entschädigungsbetrages für den Entschädigten zu berücksichtigen und es ist im Erkenntnis seine Entschädigung nach der Anordnung des § 25 Abs 4 EisbEG (seit 1. 1. 2005: § 25 Abs 2 EisbEG) gesondert auszuweisen (vgl 5 Ob 577/81). Im vorliegenden Fall wurde die Entschädigungssumme festgelegt und vom Rekursgericht zutreffend ausgesprochen, dass davon ein bestimmter Betrag auf die Vergütung der Nachteile des Pächters entfallen. Die Entschädigung für den Flächenentzug betrifft die Nachteile der Liegenschaftseigentümer, die Entschädigung für den Pächter gleicht jene Nachteile aus, die dieser selbst erleidet, wie, Wiederbeschaffungskosten für einen vergleichbaren Pachtgegenstand und Entgang von Förderungen. Da hier bei der Pächterentschädigung nur der Verlust von Deckungsbeiträgen und Ausgleichszahlungen berücksichtigt wurden, also reine Nachteile, die den Pächter treffen, liegt eine Doppelentschädigung nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass Wiederbeschaffungskosten, also jene Kosten, die mit dem Erwerb eines Ersatzgrundstückes verbunden sind, zu ersetzen sind. Sind Kosten bereits konkret angefallen, ist auf deren Höhe abzustellen, andernfalls gebührt eine Pauschalentschädigung (1 Ob 574/86, 2 Ob 563/88, 2 Ob 705/86, RIS-Justiz RS0053616). Im vorliegenden Fall wird eine Pauschalentschädigung begehrt. Die Rechtsprechung ging bisher für die Pauschalentschädigung von 2 % des Verkehrswertes der Liegenschaft für Wiederbeschaffungskosten aus, und zwar je 1 % an zu erwartenden Vertragserrichtungskosten und Eintragungsgebühren (2 Ob 705/86, 2 Ob 563/88, 1 Ob 574/86). Seit diesen Entscheidungen trat aber eine Änderung im Grunderwerbssteuergesetz ein. Der Wiederbeschaffungserwerbsvorgang unterliegt nun auch der Grunderwerbssteuer, sodass nunmehr wegen geänderter Verhältnisse die 2 %ige Pauschalentschädigung für Wiederbeschaffungskosten nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.

Zu den Wiederbeschaffungskosten gehören nach der Judikatur die Kosten für die Einverleibung und die Vertragserrichtung. Es fallen also 3,5 % Grunderwerbssteuer (§ 7 Z 3 GrEStG) und 1 % Eintragungsgebühr (TP9b Z 1 GGG) an. Weiters haben sich auch die Vertragserrichtungsgkosten seit der dargestellten Judikatur erhöht. Festgestellt sind die durchschnittlichen Kosten der Vertragserrichtung von 2 bis 4 % zuzüglich USt. Da es in letzter Zeit zur Sicherung des Leistungsaustausches immer notwendiger ist, einen Treuhänder bei der Abwicklung von Liegenschaftskäufen einzuschalten, ist von Vertragserrichtungskosten im weiteren Sinn im höheren Bereich auszugehen, sodass es gerechtfertigt erscheint die Pauschalentschädigung insgesamt mit 9 % festzusetzen. Die Rekurswerberin stützt sich, ohne dies durch Judikaturzitate zu belegen, auf eine „ständige Rechtsprechung", nach der die Pauschalvergütung 7,5 % beträgt. Sie legt auch nicht offen welche Grundlage diese Pauschale hat. Ihre unspezifischen Behauptungen vermögen nicht zu überzeugen.

Der Argumentation der Revisionsrekurswerberin, die Antragsteller würden die Strukturverbesserung in Eigenregie vornehmen, ist zu erwidern, dass dies weder in ihrem erstinstanzlichen Vorbringen noch in den Tatsachenfeststellungen einen Niederschlag gefunden hat. Die Revisionsrekurswerberin entfernt sich insoweit unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt, nach dem die Strukturverbesserungen durch umsatzsteuerpflichtige Fremdleistungen erfolgt. Die Enteignungsentschädigung ist eine Ersatzleistung für das dem Enteigneten durch Hoheitsakt abgenötigte Sonderopfer aus seinem Vermögen (SZ 55/175). Da die über den Substanzverlust und die Verkehrswertminderung hinausgehenden Vermögensfolgen (vgl SZ 55/133) - wie hier die Strukturverbesserungskosten - bereits vor ihrem tatsächlichen Anfall veranschlagt werden müssen, erfordert deren Pauschalierung die Zugrundelegung von den nach der Lebenserfahrung zu erwartenden Auslagen. Dazu gehören die „üblichen" Auslagen, die der Enteignete aufwenden muss, um die vorübergehend verwendete Liegenschaft wieder nutzbar zu machen. Dabei fällt für diese Leistungen grundsätzlich Umsatzsteuer an. Gegenteiliges hat die Revisionsrekurswerberin auch nie vorgebracht. Ein Vergleich mit der Abgeltung fiktiver Reparaturkosten bzw dabei (nicht) anfallender (fiktiver) Umsatzsteuer wäre daher unzulässig. Die Pauschalierung der Strukturverbesserungskosten erfolgt daher nach dem Prinzip, dass die für den Enteigneten günstigere Berechnungsmethode Anwendung zu finden hat (vgl SZ 55/56, JBl 1991, 119). Es erfolgt kein Zuspruch von Umsatzsteuer. Es ist die umsatzsteuerpflichtige Leistung, die die Basis für die Festsetzung des Entschädigungsbetrages ist. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 6 HIG iVm 30 und 44 EisbEG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte