OGH 3Ob106/05t

OGH3Ob106/05t27.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut F*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagte Partei W***** GmbH & Co, *****, vertreten durch Dr. Michael Prager, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 34.000 sA und Feststellung (Streitwert EUR 4.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Februar 2005, GZ 2 R 244/04y-56, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Handelsgericht vom 7. Juli 2004, GZ 29 Cg 3/02d-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Dem Kläger wurde wegen Unverträglichkeit von aus Nickel-Kobalt hergestellten Prothesen eine Kniegelenksprothese aus Titan eingesetzt, die die beklagte Partei als Spezialanfertigung hergestellt hatte.

Der Kläger ist aufgrund von Lähmungserscheinungen im anderen Bein, was möglicherweise auf sein Gangverhalten nach der Operation Einfluss hatte, zusätzlich behindert. Er kam etwa fünf Monate nach Einsetzen der Kniegelenksprothese der beklagten Partei zu Sturz; die Ursache für den Sturz kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Für den Bruch der Prothese kommen mehrere Ursachen in Frage: Ursache kann der Sturz auf das Knie gewesen sein, aber auch ein Ermüdungsbruch kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Dies wäre nur eine mögliche Ursache unter vielen. Bei einer Prothese bleibt immer das Restrisiko eines Bruchs, vor allem dann, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - um eine Spezialanfertigung handelt. Die Prothese entsprach dem zum Zeitpunkt der Implantierung geltenden Stand der Technik. Die von der beklagten Partei verwendeten Materialien sind Standardmaterialien und als geeignet anzusehen. Dimensionierung und Konstruktion sind ausreichend, um den Belastungen des gewöhnlichen Stehens und Gehens standzuhalten. Das Gehen leichter Kurven war möglich, auch sonstige Drehbewegungen führten nicht zum Bruch. Die Vorinstanzen verneinten das Vorliegen eines Produktfehlers und wiesen die Schadenersatzklage des Klägers ab.

Der Kläger macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass das Berufungsgericht von der Rsp des Obersten Gerichtshofs in Produkthaftungsfragen abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Beurteilung, ob ein Produkt iSd § 5 PHG fehlerhaft ist, nach den berechtigten Sicherheitserwartungen des Geschädigten zu erfolgen hat. Hiefür ist ein objektiver Maßstab anzulegen, dessen Konkretisierung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen ist. Was im Einzelfall an Produktsicherheit erwartet werden darf, ist eine Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0107605). Bei den Konstruktionsfehlern ist die Enttäuschung der Sicherheitserwartung im technischen Konzept - in der Konstruktion des Produkts - begründet (RIS-Justiz RS0107606). Der Standard von Wissenschaft und Technik konkretisiert die berechtigten Sicherheitserwartungen des durchschnittlichen Produktbenützers. Die normgerechte oder sonstigen technischen Standards entsprechende übliche Herstellungsart indiziert die Fehlerfreiheit des Produkts (RIS-Justiz RS0110464). § 5 Abs 2 PHG stellt klar, dass ein Produkt nicht allein deshalb als fehlerhaft anzusehen ist, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht worden ist (6 Ob 73/04k). Diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht gefolgt, wenn es die Fehlerhaftigkeit der dem Kläger eingesetzten Kniegelenksprothese ausgehend davon verneint hat, dass diese zum Zeitpunkt der Implantation dem Stand der Technik entsprach, also keinen Konstruktionsfehler aufwies. Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang moniert, das Berufungsgericht habe den Stand der Wissenschaft in seine Betrachtung nicht miteinbezogen, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Kläger als für die Fehlerhaftigkeit des Produkts Behauptungs- und Beweisbelasteter (RIS-Justiz RS0117103) nicht darlegt, welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen das ihm implantierte, von der beklagten Partei konstruierte und hergestellte Titan-Kniegelenk widersprochen haben soll.

Die vom Kläger darüber hinaus vermisste Auseinandersetzung mit dem Haftungsausschluss des § 8 Z 2 PHG (mangelnde Erkennbarkeit des Produktfehlers nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens) konnte schon deshalb unterbleiben, weil kein Produktfehler vorlag.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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