OGH 7Ob119/05h

OGH7Ob119/05h11.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Andreas D*****, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** AG, ***** vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: EUR 20.000), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16. Februar 2005, GZ 2 R 223/04k-17, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 7. Mai 2004, GZ 14 Cg 201/03y-11, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.063,80 (darin enthalten EUR 177,30 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulassung der Revision nicht gebunden. Die Revision ist - entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes - mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines solchen Rechtsmittels auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Berufungsgericht hat die Revision trotz Wiedergabe der oberstgerichtlichen Judikatur zu den Pflichten des Treuhänders bei einer mehrseitigen offenen Treuhandschaft zum Zwecke der Abwicklung eines Liegenschaftskaufes und zu Art 4.I.3 AVBV und der zutreffenden Beurteilung, dass es sich dabei regelmäßig um eine Frage des Einzelfalles handelt, inwieweit ein Rechtsanwalt dabei seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist, mit der Begründung zugelassen, dass im Hinblick auf die offenkundige Vielzahl der unter Zugrundelegung der zwischen dem österreichischen Rechtsanwaltskammertag und der Bundessektion Geld-, Kredit- und Versicherungswesen vereinbarten „Allgemeinen Bedingungen für die treuhändige Abwicklung von Immobilientransaktionen" oder ähnlich lautender Bedingungen übernommenen Treuhandschaften eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten sei, welche Anforderungen an die „Sicherstellung" der Erfüllung des Treuhandauftrages, die der Auszahlung der Treuhandgelder mangels anderer Vereinbarung vorauszugehen habe, zu stellen seien.

Die Revision ist jedoch aus folgenden Gründen nicht zulässig:

Die Parteien schlossen einen Haftpflichtversicherungsvertrag für

Vermögensschäden ab, dem die AVBV zugrunde lagen. Art 4 lautet:

„Ausschlüsse

I. Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche....

3. wegen Schadensstiftung durch wissentliches Abweichen vom Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung."

Die E***** GmbH verkaufte an Verica N***** eine Liegenschaft. Der Kläger, der seit 1. 2. 1994 als Rechtsanwalt tätig ist, war Vertragserrichter und Treuhänder. Im Kaufvertrag war vereinbart, dass die Liegenschaft lastenfrei in das Eigentum der Käuferin übergehen solle und dass der Kaufpreis bei Unterfertigung des Vertrages beim Vertragserrichter mit dem unwiderruflichen Auftrag, daraus die Lastenfreistellung zu bewirken, zu erlegen sei. Die Wirksamkeit des Kaufvertrages sollte durch die Erteilung der Genehmigung durch die Ausländergrundverkehrsbehörde aufschiebend bedingt sein. Dem Kläger war von Anfang an bekannt, dass der Kaufpreis durch Bausparkassenfinanzierung aufgebracht werden sollte und dass er als Treuhänder für die Bausparkasse fungieren werde. Im Treuhandauftrag der Bausparkasse heißt es:

„Der Treuhandauftrag ist innerhalb von sechs Monaten zu erfüllen und umfasst folgende Punkte:

Rechtliche Beurteilung

Für einen Verstoß nach Art 4 I Z 3 AVBV genügt es, dass der Versicherungsnehmer bewusst (vorsätzlich) gegen Vorschriften bzw Anweisungen oder Bedingungen des Machtgebers verstößt und dadurch ein Schaden verursacht wird (7 Ob 83/04p, RIS-Justiz RS0081980; RS0081984). Art 4 I Z 3 AVBV stellt eine Verschärfung des abdingbaren § 152 VersVG (hinsichtlich dessen nach herrschender Meinung angenommen wird, dass auch die Schadensfolgen vom Vorsatz umfasst sein müssen) zu Lasten des Versicherungsnehmers dar (vgl SZ 63/03). Die Bestimmung ist auch zu Lasten des Versicherungsnehmers dispositiv und eine Verschärfung dahin, dass hinsichtlich der Schadensfolgen kein Vorsatz vorzuliegen braucht, daher wirksam . Damit hat sich der Versicherer bei Verletzung vereinbarter Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer Leistungsfreiheit vorbehalten (7 Ob 83/04p mwN; 7 Ob 134/98a und 7 Ob 121/05b).

Auch aus den vom Revisionswerber herangezogenen Entscheidungen 7 Ob 3/92 und 7 Ob 23/74 ist nichts für seinen Standpunkt zu gewinnen. Die weitwendigen Ausführungen im Revisionsschriftsatz, die sich mit diesen Entscheidungen nicht einmal konkret auseinandersetzen, vermögen nicht zu überzeugen.

Bei einer mehrseitigen offenen Treuhandschaft zum Zwecke der Abwicklung eines Liegenschaftskaufvertrages hat der Treuhänder für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich übernommenen Aufgaben einzustehen (RIS-Justiz RS0104573). Maßgeblich sind die Parteienabsicht und der Zweck des Rechtsgeschäftes. Im Ergebnis soll durch die Einschaltung des Treuhänders eine Zug um Zug-Abwicklung erreicht werden und die vom jeweiligen Vertragspartner ausgehenden Risken ausgeschlossen werden (6 Ob 248/03v).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Kläger seine im Treuhandvertrag übernommenen Pflichten bewusst verletzt hat und dadurch für das Entstehen des Schadens ursächlich war, entspricht der dargelegten Judikatur. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen, die der Kläger unzulässigerweise auf vielfache Art zu bekämpfen versucht, ergibt sich:

Der Kläger verstieß wissentlich gegen den Treuhandauftrag der Käuferin, mit dem Treuhanderlag die Lastenfreistellung zu bewirken und für ihre Einverleibung als Eigentümerin zu sorgen. Er verstieß weiters ebenfalls wissentlich gegen den Treuhandauftrag der drittfinanzierenden Bausparkasse, indem er die treuhändig bei ihm erliegende Darlehensvaluta ebenfalls wissentlich an die Verkäuferin ausfolgte, ohne eine Verbücherung des Kaufvertrages der Käuferin und der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde der drittfinanzierenden Bausparkasse im ungeteilten ersten Rang sichergestellt zu haben, was naturgemäß und dem Treuhandauftrag entsprechend nur durch die Innehabung entsprechender Urkunden möglich ist. Dies wäre aber der primäre Zweck des Treuhandauftrags gewesen. Dadurch, dass der Kläger den Treuhanderlag ohne Sicherstellung der entsprechenden Verbücherungen und Lastenfreistellungen auszahlte und sich mit Vollmachten der Verkäuferin und Haftungserklärungen eines eingeschalteten Notars (auf eine nur finanzielle Absicherung der Rückzahlungsmöglichkeit gerichtet) begnügte, verstieß er nicht nur wissentlich gegen die Treuhandvereinbarungen, sondern unterlief auch den Zweck einer jeden Treuhandschaft, die im Ergebnis auch bei einem drittfinanzierten Liegenschaftskauf eine Zug-um-Zug-Abwicklung des Geschäftes zur Sicherheit aller Vertragspartner erwirken soll. Der Verstoß gegen die Treuhandvereinbarung erfolgte bewusst und war genau darauf gerichtet, den Zustand herzustellen, der durch die Einschaltung eines Treuhänders vermieden werden soll, nämlich dass der Kaufpreis an den Verkäufer ausbezahlt wird, bevor die Einverleibung des Kaufvertrages und der Pfandbestellung sicher gestellt ist. Der Verstoß war auch für den Schaden ursächlich. Darauf, ob der Kläger subjektiv der Auffassung sein konnte (was ja gar nicht feststeht), aufgrund der Verpflichtungserklärungen sei eine allfällig notwendige Rückzahlung der Darlehensvaluta, die er verfrüht aus seiner gesicherten Verwahrung auszahlte, infolge Nichtabwicklung des Kaufvertrages gesichert, kommt es gar nicht mehr an. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, dass die Beklagte daher nach Art 4. I.3 AVBV leistungsfrei ist, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Mangels erheblicher Rechtsfrage war daher die Revision zurückzuweisen.

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