Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.566,36 (darin EUR 261,06 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 27. 9. 2000 ereignete sich um ca 23.30 Uhr auf der Inntal-Autobahn A 12 in Fahrtrichtung Innsbruck im Gemeindegebiet Kematen bei Straßen-Km 86,0 ein Verkehrsunfall, im Zuge dessen der vom Kläger gehaltene und bei der beklagten Partei haftpflichtversicherte PKW Seat Toledo, amtliches Kennzeichen *****, aus ungeklärter Ursache mit der Mittelleitschiene kollidierte und zum rechten Fahrbahnrand schleuderte. Dort prallte das Fahrzeug gegen ein schräg ansteigendes Leitschienenelement, wodurch es angehoben wurde und, sich mehrmals überschlagend, über eine hohe, steil abfallende Böschung in das angrenzende Feld stürzte. Infolge der Überschlagsbewegungen wurden die beiden nicht angegurteten Insassen aus dem Fahrzeug geschleudert. Während Sibylle D***** noch an der Unfallstelle verstarb, wurde der Kläger schwer verletzt.
Der Kläger begehrte zuletzt von der beklagten Partei Zahlung von EUR 27.400,56 sA an Schmerzengeld (EUR 21.800), Verunstaltungsentschädigung (EUR 4.360), Besuchskosten (EUR 514,80) und Fahrtkosten zur Physiotherapie (EUR 725,76) sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle zukünftigen Unfallsfolgen, beschränkt mit der Höhe der Haftungssumme aus dem Versicherungsvertrag. Er brachte vor, Beifahrer in dem verunfallten Fahrzeug gewesen zu sein. Sibylle D***** habe das Fahrzeug gelenkt und den Unfall verschuldet.
Die beklagte Partei wandte ein, der Kläger sei selbst der Lenker des Fahrzeuges gewesen. Es treffe ihn die Beweislast dafür, nicht im Sinne des § 3 Z 3 EKHG beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig gewesen zu sein. Davon abgesehen setze das EKHG einen „Drittschaden" voraus, während der Kläger als alleiniger Halter einen „Selbstschaden" geltend mache. Da der Kläger aber nicht Anspruchsteller und Haftender zugleich sein könne, sei das EKHG nicht anwendbar.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in Ansehung des Leistungsbegehrens mit einem Teilbetrag von EUR 23.440,56 sA und des Feststellungsbegehrens statt und wies das auf Zahlung weiterer EUR 3.960 sA lautende Leistungsmehrbegehren ab. Es stellte noch fest, dass Sibylle D***** das Fahrzeug gelenkt habe. In rechtlicher Hinsicht erörterte es, die Beweislast für den Ausschlusstatbestand des § 3 Z 3 EKHG liege bei der beklagten Partei. Diese habe ihrer Beweislast nicht entsprochen, lägen doch Indizien dafür vor, dass die tödlich verunglückte Sibylle D***** die Lenkerin des Fahrzeuges und der Kläger nur Beifahrer gewesen sei. Dessen Ersatzansprüche bestünden daher dem Grunde nach zu Recht.
Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Nach Beweiswiederholung traf es die Feststellung, dass nicht feststellbar sei, ob der Kläger oder Sibylle D***** das Unfallfahrzeug gelenkt habe. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach die beklagte Partei die für sie günstige Ausnahme des § 3 Z 3 EKHG zu beweisen habe, meinte jedoch, auf die Frage der Beweislastverteilung komme es in diesem Rechtsstreit gar nicht an. Es ging davon aus, dass der Kläger nicht nur Halter, sondern „unstrittig" auch Versicherungsnehmer und als solcher von den nach § 2 Abs 2 KHVG mitversicherten Personen zu unterscheiden sei. Mitversichert seien demnach nur vom Versicherungsnehmer verschiedene jeweilige Halter, Eigentümer und Fahrer des Fahrzeuges. Der Versicherungsschutz umfasse nicht nur auf die Bestimmungen des EKHG gestützte Ansprüche aus reiner Gefährdungshaftung, sondern auch auf die Bestimmungen des ABGB gestützte Ersatzansprüche. Daraus folge, dass der Halter einen eigenen Personenschaden gegen seinen Haftpflichtversicherer wegen eines vom mitversicherten (berechtigten) Fahrzeuglenker verschuldeten Verkehrsunfalles ebenso geltend machen könne, wie ein Mithalter seinen Personenschaden als mitversicherter Fahrzeuginsasse gegen einen weiteren Mithalter und Versicherungsnehmer. Nur so sei die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 156/99a zu verstehen. Erhebe der Versicherungsnehmer Ansprüche gegen Mitversicherte, sei er wie ein Dritter zu behandeln. Der Kläger habe nicht konkret behauptet, worin das Verschulden der Sibylle D***** gelegen sei. Er habe auch den ihm obliegenden Beweis für dieses Verschulden nicht erbracht. Ein auf die Bestimmungen des ABGB gestützter Ersatzanspruch gegen den mitversicherten Fahrzeuglenker, für den die beklagte Partei Deckung zu bieten hätte, scheide daher aus. Aber auch auf das EKHG könne sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Da er selbst alleiniger Halter des Fahrzeuges gewesen sei, verfüge er über keinen Anspruch gemäß § 5 EKHG, sodass die beklagte Partei zur Gewährung von Versicherungsschutz nicht verpflichtet sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Ersatzanspruches eines geschädigten Fahrzeuginsassen, der alleiniger Fahrzeughalter sei und kein Verschulden des Lenkers beweisen könne, gegenüber der Haftpflichtversicherung nicht vorliege.
Der Kläger begehrt mit seinem Rechtsmittel die Abänderung des Berufungsurteiles im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft. Er liegt nicht vor, was nicht weiter zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
In seiner Rechtsrüge vertritt der Kläger die Auffassung, Grundtenor der Entscheidung 2 Ob 156/99a sei, den Haftpflichtversicherer mit dem Risiko der Unaufklärbarkeit der Frage, wer Lenker des Unfallfahrzeuges gewesen sei, in allen Konsequenzen zu belasten. Demnach sei aber auch nicht von Bedeutung, ob der geschädigte Insasse Halter des Fahrzeuges gewesen sei und ob er vielleicht selbst den Unfall verursacht habe. Das Schutzbedürfnis des geschädigten Insassen überwiege jedenfalls die Interessen des Haftpflichtversicherers. Es könne auch nicht entscheidend sein, ob der Alleinhalter oder - wie in dem zu 2 Ob 156/99a entschiedenen Fall - „nur" ein Mithalter geschädigt sei, da wegen der Solidarhaftung gemäß § 5 Abs 2 EKHG der Geschädigte auch bei mehreren Haltern für seinen eigenen Schaden haften würde.
Hiezu wurde erwogen:
Der Deckungsumfang des KFZ-Haftpflichtversicherers ist in § 2 KHVG 1994 gesetzlich zwingend umschrieben. Nach Abs 1 dieser Bestimmung umfasst die Versicherung die Befriedigung begründeter oder die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch die Verwendung des versicherten Fahrzeuges Personen verletzt oder getötet werden, Sachen beschädigt oder zerstört worden oder abhanden gekommen sind oder ein Vermögensschaden verursacht worden ist, der weder Personen- noch Sachschaden ist (bloßer Vermögensschaden). Voraussetzung für die Haftung des Versicherers ist daher, dass den Versicherungsnehmer oder den Mitversicherten eine Schadenersatzpflicht trifft. § 2 Abs 1 KHVG begründet keine von der Ersatzpflicht dieser Personen unabhängige Schadenersatzpflicht des Versicherers. Trifft weder den Versicherungsnehmer noch einen Mitversicherten eine Schadenersatzpflicht, so haftet der Versicherer auch dann nicht, wenn der Schaden durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges verursacht wurde (2 Ob 243/98v = ZVR 1999/49 = VersE 1782).
Die Haftung der beklagten Partei für den Personenschaden des Klägers hängt daher davon ab, ob der Kläger aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen über einen Schadenersatzanspruch gegen eine der in § 2 Abs 1 KHVG genannten Personen (Versicherungsnehmer oder Mitversicherte) verfügt. Unter „gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen" im Sinne dieser Vorschrift sind nach ständiger Rechtsprechung sowohl jene des EKHG als auch die Schadenersatznormen des ABGB zu verstehen (ZVR 1988/131; 2 Ob 2392/96w; RIS-Justiz RS0065615, RS0081163). Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass zugunsten des Klägers weder nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung noch nach jenen der Verschuldenshaftung ein die Haftung der beklagten Partei auslösender Schadenersatzanspruch besteht.
Es ist zwar richtig, dass sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 156/99a (= RZ 2000, 254), auf die sich der Kläger in seinem Rechtsmittel stützt, in Anknüpfung an die Entscheidung 2 Ob 86/98f (= JBl 1998, 724 = ZVR 1999/132) von der älteren Rechtsprechung (2 Ob 28/84 und ZVR 1989/114) abgewendet und die Auffassung vertreten hat, es sei Sache des beklagten Haftpflichtversicherers, die für ihn günstige Ausnahme des § 3 Z 3 EKHG zu beweisen, wenn der bei einem Verkehrsunfall verletzte Halter als Kläger mit der Behauptung auftritt, nicht Lenker gewesen zu sein, der Unfall sei vielmehr von einem mitversicherten berechtigten Lenker verschuldet worden. Dieser Beweis ist der beklagten Partei im vorliegenden Fall misslungen. Doch auch wenn sie daher nicht in den Genuss der Ausnahme von der Gefährdungshaftung nach dem EKHG gelangen kann, bedeutet dies noch nicht, dass sie dem Kläger - losgelöst von der Schadenersatzpflicht des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Person - haftet. Diese Haftung scheitert vielmehr daran, dass dem Kläger als geschädigtem Fahrzeughalter kein Ersatzpflichtiger im Sinne des § 5 EKHG gegenübersteht. Gerade darin liegt der entscheidende Unterschied zu jenem Sachverhalt, den der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 156/99a zu beurteilen hatte. Dort war der Kläger nämlich (nur) Mithalter, weshalb ein Ersatzanspruch gegen den zweiten Mithalter, somit aber auch gegen dessen Haftpflichtversicherer bestand. Ist jedoch der Geschädigte mit dem einzigen Halter ident, kann auch kein auf die Normen des EKHG gestützter Ersatzanspruch begründet werden, weil niemand gegen sich selbst Forderungen haben und so sein eigener Schuldner sein kann (Welser in Koziol/Welser II12 105). Diesem Ergebnis steht entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung auch die in § 5 Abs 2 EKHG angeordnete Solidarhaftung mehrerer Halter nicht entgegen. Wird ein Mithalter von einem geschädigten weiteren Mithalter in Anspruch genommen, so betrifft es ausschließlich das den §§ 891 ff ABGB unterliegende Innenverhältnis zwischen den mehreren Mithaltern, in welchem Umfang der zur Haftung herangezogene Halter Rückgriff beim geschädigten Halter nehmen kann und dieser seinen Schaden letztlich selbst zu tragen hat (vgl SZ 54/119; Danzl EKHG7 § 5 FN 4; Schauer in Schwimann ABGB² § 5 EKHG Rz 31).
Ausgehend von der zur Lenkereigenschaft getroffenen Negativfeststellung des Berufungsgerichtes kommt aber auch ein - auf das Verschulden des Lenkers gegründeter - Schadenersatzanspruch des Klägers gegen eine gemäß § 2 Abs 2 KHVG mitversicherte Person nicht in Betracht (anders die Sachlage in dem der Entscheidung 7 Ob 196/99w = JBl 2000, 185 [Apathy]) zugrunde liegenden Anlassfall). Insoweit geht die Unaufklärbarkeit der Frage, wer Lenker des Fahrzeuges war, zu Lasten des Klägers, den die Beweislast für das behauptete Verschulden der weiteren Fahrzeuginsassin trifft.
Da der Kläger die beklagte Partei mangels eines ihm zustehenden Schadenersatzanspruches nicht erfolgreich in Anspruch nehmen kann (§ 26 KHVG), war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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