OGH 12Os42/05a

OGH12Os42/05a2.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juni 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Adam S***** und Ivan E***** wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten S***** und die Berufung des Angeklagten E***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 26. November 2004, GZ 601 Hv 16/04k-74, sowie die Beschwerde des Erstgenannten gegen einen Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten S***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des in diesem Verfahren mitangeklagten Ivan E***** und einen unbekämpften Teilfreispruch des Nichtigkeitswerbers von einem weiteren einschlägigen Tatvorwurf enthält - wurde Adam S***** des Verbrechens der kriminellen Organisation nach „§§ 278a Z 1 und 2" StGB (A) und des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten „gewerbsmäßigen schweren Diebstahls" durch Einbruch als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitgliedes dieser Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, Z 2, 130 „erster Satz (zweiter Fall) und zweiter Satz (erster und zweiter Fall)", 15 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er

A) sich in Österreich von Februar bis April 2004 im bewussten und

gewollten Zusammenwirken mit neun im Ersturteil genannten gesondert verfolgten Personen sowie weiteren bekannten und unbekannten Mittätern durch die unter Punkt B) angeführten Einbruchsdiebstähle an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer großen Zahl von Personen als Mitglied beteiligt (§ 278 Abs 3 StGB), die auf die „wiederkehrende und geplante" Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Vermögen bedrohen, ausgerichtet war, nämlich von organisierten Einbruchsdiebstählen, die dadurch eine Bereicherung im (somit großen) Umfang von mehreren 100.000 EUR anstrebte und die sich auf besondere Weise - durch Verwendung von mehreren Aliasnamen und ständigen Wechsel der Aufenthaltsorte der Mitglieder - gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen suchte;

B) in Mauer und anderen Orten zwischen 13. Februar und 22. April 2004

im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den angeführten, gesondert verfolgten bzw mit weiteren unbekannten Mittätern in 33 im Ersturteil näher bezeichneten Angriffen anderen fremde bewegliche Sachen als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung (Punkt A) in einem insgesamt 40.000 EUR übersteigenden Wert mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig durch Einbruch (§ 129 Z 1 StGB) weggenommen bzw wegzunehmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** versagt. Durch den bloßen Verweis auf das Vorbringen in der Tatsachenrüge - das in keiner Weise an die Anfechtungspunkte der Z 5 anknüpft - bezeichnet die Mängelrüge den bezogenen Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt, weshalb darauf keine Rücksicht zu nehmen war (§§ 285 Abs 1 Satz 2, 285a Z 2 StPO).

Der weiteren Erledigung der Mängelrüge ist vorauszuschicken, dass eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung nur dann vorliegt, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Eine offenbar unzureichende Begründung widerspricht den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden empirischen Erfahrungssätzen über Kausalverläufe. Auch sie muss entscheidende - also subsumtionsrelevante - Tatsachen betreffen. Die Prüfung dieser Frage lässt einen Eingriff in die Bewertung der vom Erstgericht berücksichtigten Verfahrensergebnisse über die genannten Kriterien hinaus nicht zu, sondern hat sich - unter der angeführten Prämisse - auf die kritische Auseinandersetzung mit der Auswahl der für diese Bewertung vom Erstgericht herangezogenen Beweisergebnisse zu beschränken (Fabrizy StPO9 § 281 Rz 41a, 43, 46; 12 Os 104/03 uva). Der Nichtigkeitswerber verlässt den gesetzlichen Anfechtungsrahmen, wenn er den aus der mehrfachen Verwendung des beim Angeklagten sichergestellen Mobiltelephones (III./1.) zu den nächtlichen Tatzeiten nächst den Tatorten (US 30) gezogenen - Schluss des Erstgerichtes auf die Täterschaft als „unzulässig" und die Begründung des Schuldspruches aus diesem Grund als unzureichend bezeichnet. Eine in diesem Zusammenhang allein anfechtbare willkürliche Beweiswürdigung wird auf diese Weise nicht dargetan. Dem Rechtsmittelvorbringen zuwider blieb überdies die Herkunft des bei S***** sichergestellten Telephones nicht unerörtert (US 22 bis 24).

Seit wann dieses Gerät freigeschaltet war und dass S***** schon vor der Möglichkeit einer Absprache mit Zeugen bestritt, diese zu kennen, betrifft schließlich keine entscheidende Tatsache.

Während die Mängelrüge - wie dargelegt - die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Beweiswürdigungsermessens sichert, eröffnet die Tatsachenrüge (Z 5a) eine Bewertung dessen grenzwahrenden Gebrauches durch einen eigenständigen Ausspruch des Obersten Gerichtshofes nach Maßgabe deutlich und bestimmt bezeichneter Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder hätten vorkommen können und dürfen (12 Os 38/04 ua).

Die Ableitung erheblicher Bedenken aus den Akten bedeutet die Bezugnahme auf konkrete Beweismittel. Ohne direkten Konnex zu aktenkundigem Beweismaterial bloß Bedenken an Erwägungen der Tatrichter darzustellen, ermöglicht nur die im Einzelrichterprozess normierte Berufung wegen Schuld, nicht aber die Tatsachenrüge des kollegialgerichtlichen Verfahrens (14 Os 111/97). Der Nichtigkeitswerber ist zu deren prozessordnungsgemäßer Geltendmachung gehalten, die ins Treffen geführten aktenbezogenen Beweismittel in Hinsicht auf ihre Eignung, erhebliche Bedenken hervorrufen, an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen zu messen. Eindrücke des Beschwerdeführers, Hypothesen und Spekulationen sind aus Z 5a nicht statthaft und daher unbeachtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487; 13 Os 43/03 ua).

Der Rechtsmittelwerber ergeht sich indes ausschließlich - ohne konkreten Aktenbezug - in eigenständig beweis- und verfahrenskritischen Überlegungen, die in der Behauptung gipfeln, es fehle an der Begründung des Schuldnachweises - „die Gewahrsame des Angeklagten an einem Handy in einem Zeitraum außerhalb des Tatzeitraumes allein" reiche dafür nicht hin.

Mit dieser Argumentation - soweit sie gerade noch im Anfechtungsrahmen angesiedelt werden kann - und jener, die mutmaßlichen Angehörigen der Bande hätten bestätigt, S***** nicht zu kennen (S 55 ff/III, vgl dazu aber US 32 f), vermag der Rechtsmittelwerber jedoch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundegelegten Tatsachen zu erwecken.

Denn der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn die genannten Beweismittel nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Bedenkt man bloß, dass der Angeklagte selbst unter anderem angab, das in Rede stehende Mobiltelephon über mehr als ein Monat vor seiner Festnahme am 23. April 2004 (sohin weit in den Tatzeitraum hineinreichend) in Besitz gehabt zu haben (S 59/I), und dass das Gerät bei ihm um 01.10 Uhr sichergestellt wurde (S 229, 235, 265 in 9 Hv 102/04b des Landesgerichtes für Strafsachen Graz) - obwohl ihm dessen Benützung von einem „Ruslan", der es jeweils für seinen Nachtdienst benötigt haben soll, angeblich ausschließlich untertags zugestanden worden war (S 59/I) - kann von erheblichen Bedenken gegen die Tatsachengrundlage des im vorliegenden Fall organisierter Kriminalität zuzuordnenden Schuldspruchs wahrlich keine Rede sein. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), weshalb die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde dem Gerichtshof zweiter Instanz zukommt (§§ 280, 285i, 498 Abs 3 Satz 4StPO), der an die feststellungslose (vgl US 21) zusätzliche Qualifikation nach § 130 dritter Fall (= zweiter Satz erster Fall) StGB - die mangels ersichtlichen Nachteiles für den Angeklagten iSd § 290 Abs 1 Satz 2 StPO zu einem Vorgehen des Obersten Gerichtshofes nach der genannten Gesetzesstelle keinen Anlass bot - nicht gebunden ist (13 Os 21/04 = EvBl 2004/174 = JBl 2005, 195; 11 Os 25/05v; 12 Os 114/04).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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