Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 60 Abs 3 Satz 2 EheG, ist einem Mitverschuldensantrag der beklagten Partei im Ehescheidungsverfahren auch dann stattzugeben, wenn diese bei der Klageerhebung das Recht, die Scheidung wegen Verschuldens der klagenden Partei zu begehren, bereits verloren hatte, sofern dies der Billigkeit entspricht. Aus dem Verweis in § 60 Abs 3 letzter Satz EheG auf § 60 Abs 2 Satz 2 EheG ergibt sich, dass nur dann das überwiegende Verschulden eines Ehegatten auszusprechen ist, wenn dieses erheblich schwerer wiegt als das des anderen.
Erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO stellen sich in diesem Zusammenhang regelmäßig nicht, weil es stets auf die besonderen Umstände des einzelnen Falls ankommt. Dies gilt sowohl für die Frage, ob das Verschulden des einen Ehegatten an der unheilbaren Zerrüttung der Ehe iSd § 49 EheG erheblich schwerer wiegt als das des anderen (vgl nur RIS-Justiz RS0110837 - T1), als auch für die Beurteilung, ob es der Billigkeit entspricht, auch verziehene oder verfristete schwere Eheverfehlungen zu berücksichtigen (10 Ob 328/02m). Eine krasse Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht nicht vorzuwerfen.
2. Dass auch verjährte und verziehene Eheverfehlungen in die Verschuldensabwägung einbezogen werden können, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 60 Abs 3 Satz 2 EheG und wird auch von der Rechtsprechung nicht in Frage gestellt (RIS-Justiz RS0043434). Auch wenn dabei gelegentlich ausgesprochen wird, dass verfristete Eheverfehlungen gegenüber nicht verfristeten grundsätzlich geringer zu bewerten seien (7 Ob 719/88), so stellt dies keinen unabänderlichen Grundsatz dar, sondern drückt lediglich eine Erfahrungstatsache aus, die in der Vielzahl der Fälle zutrifft.
Steht nun im vorliegenden Fall fest, dass die Beklagte bereits im Jahr 1984, nachdem sie von dem in den ersten Ehejahren außerehelich gezeugten Kind des Klägers erfahren hatte, jedes Vertrauen zum Kläger verloren hatte und die Ehe vor allem deshalb fortsetzte, weil sie bald Kinder haben wollte und fürchtete, allenfalls nicht rechtzeitig einen geeigneten Mann kennen zu lernen, so kann dem Berufungsgericht keine grobe Fehlbeurteilung vorgeworfen werden, wenn es den seinerzeitigen Ehebruch des Klägers, der zudem damals mit der Beklagten (noch) kein Kind haben wollte, bei der Abwägung des wechselseitigen Verschuldens als gravierend berücksichtigte; ganz zutreffend hat das Berufungsgericht dabei darauf hingewiesen, dass - abgesehen vom zeitlichen Aspekt - der Ehebruch des Klägers angesichts der damaligen Umstände eine besonders gravierende Eheverfehlung und einen ganz erheblichen Vertrauensbruch darstellte.
Mit dem Argument, es sei schließlich auch darauf Bedacht zu nehmen, dass der Kläger durch seinen seinerzeitigen „Fehltritt" sozusagen den Stachel in die Ehe gelegt und insoweit mit der Zerrüttung der Ehe den Anfang gemacht habe, verweist das Berufungsgericht auf einem maßgeblichen Aspekt, nämlich die (Mit-)Ursächlichkeit der (bereits verziehenen oder verfristeten) Eheverfehlung des Klägers. Lässt sich nämlich - zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit - feststellen, dass eine schwere Eheverfehlung des Klägers zum späteren Scheitern der Ehe in nicht unerheblichem Ausmaß beigetragen hat, so liegt eben einer jener Fälle vor, in denen es der Billigkeit entspricht, auch darauf im Verschuldensausspruch Bedacht zu nehmen. Es erschiene nämlich unbillig, dem anderen Ehegatten nur deshalb das alleinige oder überwiegende Verschulden zuzuweisen, weil er zwar vorerst die Ehe aufrechterhalten, in der Folge jedoch erkannt hat, dass er wegen des eingetretenen Vertrauensverlusts mit dem anderen nicht mehr harmonisch zusammenleben kann. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers wird der Beklagten damit nicht das Recht zugestanden, eine „Ehe auf Abruf" zu führen und es in ihr Belieben zu stellen, die Ehe zu beenden, ohne dass sie sich das Verschulden zurechnen lassen müsste. Von einer fehlenden Verschuldenszurechnung kann ohnehin keine Rede sein, da unstrittig ist, dass die Beklagte schuldhaft eine schwere Eheverfehlung begangen hat, die das Berufungsgericht allerdings als dem Fehlverhalten des Klägers (annähernd) gleichwertig qualifiziert hat.
3. Soweit der Revisionswerber der Beklagten vorwirft, sie hätte ihm praktisch zwei Jahrzehnte vorgespielt, dass sie ihm verziehen habe, und sie hätte offensichtlich aus reiner Berechnung die für den Kläger bedeutsame Ehe aufrechterhalten und ihn damit über ihre Gefühle aufs Ärgste getäuscht, was ein grobes Verschulden darstelle, ist festzuhalten, dass er einen derartigen Vorwurf im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben hat. Darauf kann daher schon deshalb nicht eingegangen werden.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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