OGH 7Ob719/88

OGH7Ob719/8815.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Josef H***, geboren am 21.Jänner 1937, Molkereifacharbeiter, St.Marienkirchen, Unterfreundorf 116, vertreten durch Dr.Hans-Peter Just, Rechtsanwalt in Eferding, wider die beklagte und widerklagende Partei Josefine H***, geboren am 3.November 1940, Hausfrau, Eferding, Bleichergasse 6, vertreten durch Dr.Ingrid Posch, Rechtsanwalt in Wels, wegen Ehescheidung (Klage und Widerklage Streitwert 120.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 6.Juni 1988, GZ R 361, 362/88-22, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Eferding vom 27.Jänner 1988, GZ 1 C 1134/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit 5.657,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 514,35 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 18.11.1961 miteinander die Ehe geschlossen. Während der Ehe kamen die beiden 1962 und 1972 geborenen Töchter Andrea und Doris sowie der Sohn Alfred (geboren am 26.2.1964) zur Welt. Der Letztgenannte wurde jedoch im Ehebruch von Mathäus B*** gezeugt.

Die Vorinstanzen haben die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden und hiebei ausgesprochen, daß das Verschulden des Klägers und Widerbeklagten (kurz Kläger) überwiegt. Hiebei stellten sie im wesentlichen fest, daß das ehebrecherische Verhältnis der Beklagten und Widerklägerin (kurz Beklagte) nicht über das Jahr 1963 hinaus dauerte. Seither bestanden zwischen den Streitteilen einerseits und der Familie B*** andererseits freundschaftliche Beziehungen, die zu keinerlei sexuellen Kontakten untereinander führten. Seit November 1985 unterhält jedoch der Kläger sexuelle Beziehungen zu Helga K***, zu der er kurz vor Weihnachten 1985 zog. Seither wohnt er dort. Allerdings hatte die Beklagte bereits anfangs 1983 das eheliche Schlafzimmer endgültig verlassen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war jegliches Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen den Parteien erloschen. Jeder ging seine eigenen Wege. Eine Wiederaufnahme der ehelichen Beziehungen war seit damals nicht mehr zu erwarten. Auch im häuslichen Leben kam es zu einer Trennung der Parteien. Gesprochen wurde miteinander nur das Notwendigste. Der Grund für den Auszug der Beklagten aus dem ehelichen Schlafzimmer war, daß der Kläger sich bereits viele Jahre vorher ständig lieblos ihr gegenüber verhalten hatte, sie häufig beschimpfte und fallweise auch tätlich wurde. Die gemeinsame Freizeitgestaltung hatte im Verlaufe der Ehe immer mehr abgenommen, weil diese häufig mit Streitigkeiten endete, die jeweils der Kläger auslöste. Insbesondere ab 1980 hatten sich diese Auseinandersetzungen an Anzahl und Heftigkeit verschärft. Als sich die Beklagte auf ärztliche Empfehlung infolge einer im September 1982 im Genitalbereich vorgenommenen Operation für sechs Wochen des Geschlechtsverkehrs enthalten hätte sollen, hielt sich der Kläger nicht daran, sondern verlangte von der Beklagten den Geschlechtsverkehr, obwohl sich bei der Beklagten dagegen alles sträubte. Trotzdem kam es dann noch zwei- bis dreimal zu einem Geschlechtsverkehr zwischen den Parteien (bezüglich der detaillierten Feststellungen kann auf die Ausführungen des Erstgerichtes auf den Seiten 158 bis 167 des Aktes verwiesen werden).

Die Vorinstanzen führten in rechtlicher Hinsicht aus, der Beklagten könne als nicht verfristete Eheverfehlung lediglich vorgeworfen werden, daß sie den Kontakt zum Kläger faktisch abgebrochen habe, anstatt sich eindeutig für eine Verzeihung oder eine Einbringung der Ehescheidungsklage zu entscheiden. Demnach könne zur Unterstützung des klägerischen Scheidungsbegehrens auch der lange zurückliegende Ehebruch herangezogen werden. Wesentlich für die Zerrüttung sei jedoch eindeutig das langjährige ehewidrige Verhalten des Klägers gewesen. Die Schuld des Klägers an der Zerrüttung der Ehe wiege erheblich schwerer und trete offenkundig und augenscheinlich gegenüber derjenigen der Beklagten hervor. Dies rechtfertige den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes in der Verschuldensfrage wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision (der Kläger strebt in erster Linie die Annahme des Alleinverschuldens der Beklagten an) ist nicht gerechtfertigt. Ob der Umstand, daß die Beklagte den Kläger bezüglich der Möglichkeit der Abstammung ihres Sohnes von einem anderen Mann im Unklaren gelassen hat, einen Scheidungsgrund bilden könnte, muß hier nicht erörtert werden, weil dieser Umstand vom Kläger bisher nicht als Scheidungsgrund geltend gemacht worden ist. Aus diesem Grunde kann im Revisionsverfahren nicht ein diesbezüglicher Ehescheidungsgrund angenommen werden. Dies schließt aber auch seine Berücksichtigung bei der Beurteilung im Hinblick auf die Verschuldensabwägung aus.

Im übrigen begründet der Kläger sein Begehren, das alleinige Verschulden der Beklagten an der Ehescheidung, zumindestens aber ihr überwiegendes oder nicht sein überwiegendes auszusprechen, ausschließlich mit dem Hinweis auf den festgestellten Ehebruch der Beklagten. Daß es sich hiebei um eine an sich verfristete Eheverfehlung handelt, die lediglich gemäß § 59 Abs 3 EheG berücksichtigt werden kann, sieht auch der Kläger ein. Die Prüfung, ob die Schuld des einen der Ehegatten überwiegt, hat sich nicht nur auf die Schwere der Verfehlungen an sich, sondern auch darauf zu erstrecken, in welchem Umfang die beiderseitigen Verfehlungen zu der schließlich eingetretenen Zerrüttung der Ehe beigetragen haben (7 Ob 581, 582/88, EFSlg.13.957 ua). Maßgebend ist also, durch wessen Verhalten die Zerrüttung unheilbar geworden ist (EFSlg.25.087, 20.516, 2 Ob 578/83 ua).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß nach den getroffenen Feststellungen der Ehebruch der Beklagten zu der Zerrüttung der Ehe überhaupt nicht beigetragen hat. Vielmehr war die Zerrüttung vorwiegend auf das jahrelange Fehlverhalten des Klägers zurückzuführen. Die festgestellten Eheverfehlungen der Beklagten, die diese innerhalb der Frist des § 57 EheG gesetzt hat, treten demgegenüber an Bedeutung weit zurück. Läßt man also den Ehebruch der Beklagten außer Betracht, so bedarf es wohl keiner näheren Begründung, daß nach dem festgestellten Sachverhalt das Verschulden des Klägers gegenüber dem Verschulden der Beklagten augenscheinlich hervortritt. Daran ändert aber, entgegen der Rechtsansicht des Klägers, auch der lange zurückliegende Ehebruch der Beklagten nichts. Verfristete Eheverfehlungen sind nämlich grundsätzlich gegenüber nichtverfristeten geringer zu bewerten (JBl.1963, 379 ua). Wenn auch das Gesetz keinen Zeitpunkt anführt, der als absolute Grenze für die Berücksichtigung verfristeter Eheverfehlungen anzusehen ist, so liegt es doch auf der Hand, daß im allgemeinen die seit der Eheverfehlung verstrichene Zeit von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein wird. Je länger eine Eheverfehlung zurückliegt, desto weniger kann ihr bei der Verschuldensabwägung Bedeutung zukommen. Ausgehend von dieser Erwägung ergibt sich aber im vorliegenden Fall, daß ein Ehebruch, der nahezu 20 Jahre vor der eingetretenen Zerrüttung der Ehe unter ganz speziellen Ausnahmsbedingungen begangen worden ist, gegenüber dem späteren grob ehewidrigen Verhalten des anderen Ehegatten, das letzten Endes der Ehe ihre entscheidenden Grundlagen entzogen hat, nicht mehr erheblich ins Gewicht fällt.

Ebenso wie die Vorinstanzen vertritt demnach auch der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht, daß unter Abwägung des beiderseitigen Gesamtverhaltens der vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensausspruch richtig ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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