OGH 9Ob70/04s

OGH9Ob70/04s11.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud B*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Winkler-Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, gegen die beklagte Partei Otto B*****, Pensionist, *****, vertreten durch Fischer, Walla & Matt Rechtsanwälte OEG in Dornbirn, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert EUR 32.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Mai 2004, GZ 1 R 32/04x-26, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 29. 6. 1976 geschlossene Ehe der Parteien wurde am 10. 2. 2000 aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden. Die geschiedenen Eheleute waren und sind österreichische Staatsbürger und hatten ihren gemeinsamen Wohnsitz in Vorarlberg. Der Beklagte war jahrelang in der Schweiz berufstätig und erwarb einen Anspruch auf eine Austrittsleistung gegen eine in der Schweiz ansässige, im Ersturteil näher bezeichnete Auffangeinrichtung, weil er die Vorsorgeeinrichtung verließ, bevor ein Vorsorgefall eintrat (Freizügigkeitsfall). Der Saldo zugunsten des Beklagten betrug per 31. 8. 2003 CHF 126.920,45. In dem von der Klägerin zunächst angestrengten Verfahren auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG fand der Anspruch des Beklagten auf diese Austrittsleistung entgegen dem Standpunkt der Klägerin keine Berücksichtigung (6 Ob 85/02x). Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin nun im streitigen Verfahren, gestützt auf die erfolgte Scheidung und schweizerisches Recht, die Einwilligung des Beklagten in die Übertragung der Hälfte dieses Guthabens an sie.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Klägerin geltend gemachte - im österreichischen Recht nicht vorgesehene (6 Ob 85/02x, 1 Ob 53/02d) - Anspruch auf Versorgungsausgleich iSd Teilung einer beruflichen Versorgungsanwartschaft setzt die Ehescheidung voraus und ist mit dieser untrennbar verbunden (vgl Wagner, Versorgungsausgleich mit Auslandsberührung Rz 6, 20 mwN). Ungeachtet des dem Versorgungsausgleich von der österreichischen Lehre zugeschriebenen dominierenden öffentlichrechtlichen Charakters (Schwimann, Grundriss des IPR 215; ders, IPR³ 155; Verschraegen in Rummel, ABGB³ § 20 IPRG Rz 2), der die Durchführung eines ausländischen Versorgungsausgleichs den jeweils zuständigen ausländischen Behörden vorbehalte, wird nach dem Inhalt des gegenständlichen bei Gericht gestellten Begehrens vorerst ein privatrechtlicher Anspruch erhoben (vgl Cieslar, Schweiz, in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht 39 ua). Die Klägerin fordert vom Beklagten, gestützt auf die Scheidung, die Einwilligung, dass ihr die Hälfte seines Guthabens bei einer Auffangeinrichtung übertragen werde. Eine Auslandsberührung ergibt sich in dem zwischen zwei Österreichern geführten Rechtsstreit lediglich daraus, dass die Klägerin auf ein Guthaben abzielt, dem eine Forderung des Beklagten gegen einen Dritten mit Sitz in der Schweiz zugrundeliegt. Sachverhalte mit Auslandsberührung sind in privatrechtlicher Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen, zu der die stärkste Beziehung besteht (§ 1 Abs 1 IPRG; RIS-Justiz RS0076831 ua). Die im IPRG enthaltenen besonderen Regelungen über die anzuwendende Rechtsordnung (Verweisungsnormen) sind als Ausdruck dieses Grundsatzes anzusehen (§ 1 Abs 2 IPRG). Solche Verweisungsnormen finden sich hinsichtlich des von der Klägerin angesprochenen Eherechts (vgl Sonnenberger, Der Versorgungsausgleich im Internationalen Privatrecht, in FS Beitzke 739 [743 mwN]) in den §§ 16 ff IPRG. Auf die in Ländern, deren Rechtsordnungen den Versorgungsausgleich kennen, geführten Diskussionen, ob dieser Anspruch in den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, im Ehegüterrecht oder in den Wirkungen der Ehescheidung wurzelt (vgl Sonnenberger aaO 739 [743 ff mwN] ua), braucht hier nicht eingegangen werden, weil alle drei eherechtlichen Grundlagen bei kollisionsrechtlicher Beurteilung des vorliegenden Falls die Anwendung österreichischen Rechts gebieten (§ 18 Abs 1 Z 1, § 19, § 20 Abs 1 iVm § 9 IPRG; vgl 9 Ob 60/03v; 1 Ob 17/05i; RIS-Justiz RS0077279 ua). Die Klägerin stützt ihren Anspruch nicht auf eine Vereinbarung mit dem Beklagten. Sie behauptet auch nicht, dass die Parteien eine Rechtswahl getroffen hätten (§ 19 IPRG). Die von ihr angestrebte Anwendung des schweizerischen Rechts durch das österreichische Gericht scheitert dann aber an der von den Vorinstanzen richtig erkannten Anknüpfung im Eherecht nach dem Personalstatut der Parteien (§ 18 Abs 1 Z 1, § 19, § 20 Abs 1 iVm § 9 IPRG).

Die in der Revision zur Begründung der Zulässigkeit als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehene Frage der Beurteilung des Versorgungsausgleichs nach dem schweizerischen Recht stellt sich nicht und muss daher auch nicht gelöst werden, weil das schweizerische Recht auf Grund der hier in Frage kommenden Verweisungsnormen nicht auf die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen geschiedenen österreichischen Ehegatten anzuwenden ist. Es kommt daher für die Beurteilung der Erheblichkeit - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - auch nicht darauf an, dass dies bei Grenzgängern mit anderer kollisionsrechtlicher Konstellation möglicherweise anders ist. Da das anzuwendende österreichische Recht für geschiedene Ehegatten keinen Versorgungsausgleich, sondern andere Lösungen (insb Aufteilungsverfahren, Unterhalt, Witwen-/Witwerpension) bereit hält (vgl den Hinweis auf bisher erfolglos gebliebene rechtspolitische Vorstöße in RV 1653 BlgNR 20. GP Allgemeiner Teil II; Schmid/Ivansits, SozSi 1999, 972; Wörister, SozSi 2001, 269 ua), ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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