OGH 9Ob23/05f

OGH9Ob23/05f11.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 8. April 1988 geborenen Eileen K***** und der am 29. Juli 1990 geborenen Emily K*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Ing. Robert G*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. Oktober 2004, GZ 43 R 527/04z-317, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2. August 2004, GZ 5 P 218/96p-302, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des Vaters wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

In teilweiser Stattgebung des Unterhaltserhöhungsantrags der Kinder setzte das Erstgericht für verschiedene Zeiträume unterschiedliche Unterhaltsbeiträge fest. Es ging dabei von einem durchschnittlichen Monatseinkommen des Vaters in Höhe von EUR 1.746,90 netto aus. Unter Anwendung der Prozentmethode zog es für die Zeiträume der Beschäftigungslosigkeit der Ehegattin des Vaters (weitere) 3 Prozentpunkte ab. Für die Monate Mai und Juni 2003 und für die Monate ab 1. 9. 2003, in denen die Ehegattin über ein Eigeneinkommen verfügte, nahm es keine solchen Abzüge vor. Das für die Zeit ab 1. 9. 2003 festgestellte Eigeneinkommen der Ehegattin von durchschnittlich ca EUR 919,15 monatlich sei so hoch, dass ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt nicht bestehe. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte werde davon ausgegangen, dass ihr Einkommen auch in der Zeit vom 24. 4. bis 27. 6. 2003 gleich hoch gewesen sei. Ein allfälliger Unterhaltsanspruch der Gattin in Höhe von monatlich EUR 40 falle nicht ins Gewicht und führe zu keiner Verminderung der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs letztlich für zulässig. Wenn der Vater ein Einkommen seiner Ehegattin von nur EUR 719,25 netto monatlich behaupte, berücksichtige er nicht, dass das Erstgericht einen längeren Bemessungszeitraum herangezogen habe, aus dem sich ein jedenfalls EUR 900 monatlich netto übersteigendes Einkommen ab September 2003 ergebe. Unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten des Vaters bestehe kein Anspruch seiner Gattin auf Ehegattenunterhalt. Soweit im Rekurs (erstmals) behauptet werde, diese habe in der Zeit vom 24. 4. bis 27. 6. 2003 ein monatliches Nettoeinkommen von nur EUR 615,28 bezogen, sei zu berücksichtigen, dass der diesen Betrag ausweisende Beleg für Mai 2003 anteilige Sonderzahlungen nicht enthalte. Auch bei einem geringeren Einkommen als vom Erstgericht angenommen wäre jedenfalls ein Abzug von 3 Prozentpunkten, wie er bei einer einkommenslosen Ehegattin zu erfolgen hätte, bei der Berechnung des Kinderunterhalts nicht gerechtfertigt. Überhaupt sei Unterhalt immer global zu bemessen und nicht mathematisch zu errechnen, sodass die Unterhaltsfestsetzung des Erstgerichts für den kurzen Bemessungszeitraum vom 1. 5. bis 30. 6. 2003 jedenfalls nicht zu beanstanden sei. Nachdem der Vater in erster Instanz ausdrücklich erklärt habe, den ursprünglich gestellten Antrag auf Anrechnung der Familienbeihilfe zurückzuziehen, habe das Erstgericht keinen Anlass gehabt, bei der Berechnung der Unterhaltspflicht Transferleistungen zu berücksichtigen. Insgesamt habe das Erstgericht den Unterhalt nach den maßgeblichen Kriterien zu § 140 ABGB bemessen. Der Revisionsrekurs sei unter Berücksichtigung der Einzelfallgerechtigkeit zulässig, weil der Revisionsrekurswerber behaupte, dass seine Ehegattin von Ende April bis Ende Juni 2003 nicht mehr als EUR 615,28 netto verdient und keine Sonderzahlungen erhalten habe, weshalb in diesem Zeitraum eine teilweise Sorgepflicht für seine nur ein geringes Einkommen beziehende Ehegattin zu berücksichtigen wäre.

Entgegen der den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Auffassung des Rekursgerichts erweist sich der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer iSd § 14 Abs 1 AußStrG 1854 erhebliche Rechtsfrage als unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Unverständlich ist die Behauptung des Revisionsrekurswerbers, es sei „rückwirkend ab 1. 1. 2003" eine Erhöhung beschlossen worden, obwohl sich sein Einkommen gegenüber dem Zeitpunkt des letzten Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses nicht erhöht habe. Tatsächlich hat das Erstgericht - unter Abweisung des darüber hinausgehenden Erhöhungsantrags - eine erhöhte Unterhaltsverpflichtung (erst) ab 1. 5. 2003 ausgesprochen und dies damit begründet, dass ab diesem Zeitpunkt Änderungen der Umstände eingetreten seien, weil eine Tochter 15 Jahre alt geworden und die bisher einkommenslose Ehefrau des Vaters einer Beschäftigung nachgegangen sei.

2. Mit seiner Behauptung, sein durchschnittliches Monatsgehalt habe nur EUR 1.694 netto betragen, entfernt sich der Revisionsrekurswerber von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen. Da er die erstgerichtliche Feststellung über ein Durchschnittseinkommen von EUR 1.746,90 monatlich im Rekurs nicht bekämpft hat, kann er dies in einem Revisionsrekurs nicht mehr nachholen.

3. Der Revisionsrekurswerber gesteht selbst zu, dass er seinen Antrag auf Berücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Unterhaltsbemessung zurückgezogen hat. Auch wenn diese Rückziehung allenfalls auf einer unrichtigen rechtlichen Belehrung beruht haben sollte, ist es nicht möglich, zum Nachteil der Kinder über klare Verfahrensanträge und -erklärungen einer Partei hinwegzugehen. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wird zwar die Auffassung vertreten, die steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen durch „Anrechnung" von Transferleistungen sei von Amts wegen vorzunehmen (1 Ob 208/03z), soweit die maßgeblichen Umstände unstrittig oder aktenkundig sind (4 Ob 254/03m, 10 Ob 4/04t ua), doch kann der Unterhaltspflichtige auf eine solche Entlastung auch zugunsten des unterhaltsberechtigten Kindes verzichten (vgl nur 3 Ob 181/04w), was der Vater hier getan hat.

4. Erstmals im Rechtsmittelverfahren hat der Revisionsrekurswerber die Behauptung aufgestellt, seine Ehegattin habe in der Zeit von Ende April bis Ende Juni 2003 erheblich weniger verdient als in der Zeit nach dem 1. 9. 2003, für die Einkommensnachweise vorgelegt wurden. Unter diesen Umständen kann es nicht als bedenkliche Fehlbeurteilung angesehen werden, wenn die Vorinstanzen unter Heranziehung üblicher Erfahrungswerte davon ausgegangen sind, das Einkommen in den fraglichen zwei Monaten hätte jenem in der Zeit danach in etwa entsprochen. Einer derartigen Schlussfolgerung hätte der Revisionsrekurswerber durch (rechtzeitige) Offenlegung und Bescheinigung des nunmehr behaupteten geringeren Einkommens begegnen können. § 10 AußStrG 1854 ermöglicht es den Parteien nicht, im Rekurs Behauptungen und Beweise nachzutragen, auf die sie sich bereits in erster Instanz berufen konnten (EFSlg 44.518, 82.766 uva).

Darüber hinaus verweist das Rekursgericht auch zutreffend darauf, dass bei einer nur geringfügigen Unterhaltspflicht aufgrund eines Eigeneinkommens der Ehegattin der bei einer vollen Unterhaltspflicht üblicherweise vorzunehmende Abzug von 3 Prozentpunkten keinesfalls in Betracht kommt und dass eine mathematisch exakte Berechnung von Unterhaltsbeiträgen auch für kurze Zeiträume angesichts des Grundsatzes einer globalen Unterhaltsbemessung regelmäßig nicht anzustellen ist. Auch in diesem Zusammenhang zeigt der Revisionsrekurswerber somit keine erhebliche Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht auf, die Voraussetzung für die Zulässigkeit seines Rechtsmittels wäre. Hat das Rekursgericht nicht erkennbar gesetzliche Bemessungsfaktoren unbeachtet gelassen oder bei deren Beurteilung gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen, stellt die konkrete Unterhaltsbemessung im Einzelfall grundsätzliche keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG 1854 dar (RIS-Justiz RS0053263).

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