OGH 7Ob55/05x

OGH7Ob55/05x11.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sandra J*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Ruckerbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Roland J*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak und Dr. Johannes Kraus, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalt und Feststellung (Revisionsinteresse: EUR 18.597,56), über die "außerordentliche Revision" der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. Oktober 2004, GZ 48 R 292/04b-28, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. Mai 2004, GZ 4 C 105/03d-23, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten rückständigen und laufenden Unterhalt.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung eines Unterhaltsrückstandes von EUR 6.469,47 sA für den Zeitraum November 2000 bis März 2004 (Punkt 1a.) sowie eines laufenden monatlichen Unterhaltsbeitrages von EUR 953,42 (Punkt 1b.) und stellte fest, dass er diese Unterhaltsbeiträge (EUR 953,42) gemäß der Anfang 1999 abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung für die Abdeckung der alltäglichen Kosten des Haushalts und der Lebensführung wie ... zu leisten habe (Punkt 1c.).

Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer Unterhaltsrückstände von EUR 25.554,47 sA für den Zeitraum November 2000 bis März 2004 wies es ab (Punkt 2a.); ebenso jenes von monatlich EUR 349,68 an laufendem Unterhalt (Punkt 2b.), weiteren EUR 516,41 an derzeitiger sowie in Zukunft laut Vorschreibung der Hausverwaltung U***** GmbH an diese zu zahlender Bruttomiete für die Ehewohnung (Punkt 2c.) und das Feststellungsbegehren, wonach der Beklagte auf Grund der Anfang 1999 geschlossenen Unterhaltsvereinbarung der Streitteile schuldig sei, der Klägerin monatlich EUR 1.308,11 für die alltäglichen Kosten des Haushalts und der Lebensführung (Punkt 2d. erster Unterfall), die Bruttomiete für eheliche Wohnung (Punkt 2d. zweiter Unterfall), die Hälfte der Kosten größerer Ausgaben insb ... in einem Betrag zwischen EUR 109 und EUR 1.816,82 (Punkt 2d. dritter Unterfall), Ausgaben von mehr als EUR 1816,82 insb ... zur Gänze (Punkt 2d. vierter Unterfall), und schließlich die Versicherung für das Kraftfahrzeug der Klägerin (Punkt 2d. fünfter Unterfall) zu bezahlen.

In ihrer Berufung gegen dieses Urteil beantragte die Klägerin, ihr einen weiteren Betrag von EUR 19.922,71 an rückständigem Unterhalt zuzuerkennen, und festzustellen, dass der Beklagte zusätzlich zum bereits zuerkannten monatlichen Unterhaltsbeitrag schuldig sei, weitere EUR 354,69 somit insgesamt EUR 1.308,11 sowie die monatliche Bruttomiete von derzeit EUR 516,41 zu bezahlen; es möge festgestellt werden, dass der Beklagte schuldig sei, monatlich zum Ersten eines jeden Monats EUR 1.308,11 an die Klägerin zur Deckung der täglichen Kosten des Haushaltes und der Lebensführung zu zahlen und monatlich zum Ersten eines jeden Monates die Bruttomiete laut Vorschreibung der Hausverwaltung für die eheliche Wohnung direkt an die Hausverwaltung zu überweisen; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag im Umfang der Anfechtung gestellt.

Auch der Beklagte erhob Berufung. Er begehrte die Abänderung des Ersturteiles dahin, dass der Zuspruch eines Betrages von weiteren EUR 2.779,12 sA an rückständigem Unterhalt abgewiesen sowie festgestellt werden möge, dass der Beklagte lediglich einen Betrag von EUR 903,30 monatlich statt EUR 953,42 an Unterhaltsbeitrag zu zahlen habe und dass die zwischen den Parteien abgeschlossene Unterhaltsvereinbarung den Inhalt habe, dass der Beklagte verpflichtet sei für die Klägerin monatlich EUR 903,30 zu zahlen.

Die Abweisung des Leistungsbegehrens in Punkt 2a. hinsichtlich eines Betrages von EUR 5.631,76 und des Feststellungsbegehrens in Punkt 2d. dritter, vierter und fünfter Unterfall (Hälftetragung der Kosten größerer Ausgaben [von EUR 109 bis EUR 1.816,82] bzw gänzliche Kostentragung von Ausgaben von mehr als EUR 1.816,82 sowie Tragung von Kfz-Versicherungskosten) sind daher unangefochten Rechtskraft erwachsen. Gleiches gilt aber - wie das Berufungsgericht offenbar nicht erkannt hat - auch für den Zuspruch eines Unterhaltsrückstandes von EUR 3.690,35 und die Verpflichtung zur Zahlung bzw die Feststellung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von EUR 903,30, die der Beklagte in seiner Berufung nicht bekämpft hat (AS 371 und 375 = Seite 5 und 7 der Berufung ON 29).

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge (Punkt I.); jener der Klägerin wurde hingegen Folge gegeben (Punkt II.). Das Ersturteil wurde in den Punkten 1a. bis 1c. und 2a., hinsichtlich einer den Betrag von EUR 5.602,76 sA überschreitenden Abweisung des Mehrbegehrens, sowie in den Punkten 2b. und 2d. hinsichtlich des ersten Unterpunktes (betreffend die Zahlung eines Betrages von EUR 1.308,11) aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. In den Punkten 2c. und 2d. zweiter Unterpunkt (betreffend die Zahlung der monatlichen Bruttomiete) wurde die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, dass der Beklagte schuldig erkannt wurde, der Klägerin beginnend mit April 2004 am 1. jedes Monates die Bruttomiete der Wohnung ***** von derzeit EUR 516,41 sowie in Zukunft laut Vorschreibung der Hausverwaltung U***** GmbH zu zahlen, und dass mit der Wirkung zwischen der Klägerin und dem Beklagten festgestellt werde, dass er ihr als Unterhaltsleistung monatlich zum 1. eines jeden Monates die Bruttomiete für die eheliche Wohnung in der ***** Wien zu zahlen habe, während das Mehrbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, Mietzinszahlungen direkt auf das Konto der Hausverwaltung zu leisten, abgewiesen werde.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die angefochtene Entscheidung mangels Bekämpfung in den Punkten 2a. zur Abweisung eines Betrages von EUR 5.652,76 sA und Punkt 2d. "vierter, fünfter und sechster Unterfall" (betreffend die Hälftetragung der Kosten größerer Ausgaben bzw der gänzlichen Kostentragung von Ausgaben von mehr als EUR 1.816,82 sowie der Tragung von Versicherungskosten) [gemeint: dritter, vierter und fünfter Unterfall] "aufrecht bleibe", und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dass es nach herrschender Judikatur auch zulässig sei, Unterhaltsbeiträge durch Vereinbarungen, die formfrei und sogar schlüssig zustandekommen könnten, zu regeln. Zutreffend habe das Erstgericht gewürdigt, dass Anfang 1999 zwischen den Streitteilen abgesprochen worden sei, dass der Beklagte der Klägerin zur Führung des gemeinsamen Haushaltes der Familie monatlich EUR 1.308,11 zur Verfügung stelle und zusätzlich die jeweils vorgeschriebene Miete für die Ehewohnung im direkten Weg an die Hausverwaltung zur Einzahlung bringe. Diese mündliche Vereinbarung sei von den Ehegatten - wie sich aus dem Sachverhalt ergebe - bis November 2000 eingehalten worden. Erst danach, nämlich nach seinem Auszug, sei der Beklagte von dieser Vereinbarung und Übung einseitig abgegangen. Daraus ergebe sich, dass die Streitteile - ausdrücklich und durch längere Übung bestätigt - übereingekommen seien, dass der Beklagte für den Mietzins der Wohnung aufzukommen habe und der Klägerin, die den Haushalt führte und lediglich zu einem kleinen Teil berufstätig war, entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen habe, was jedenfalls als Unterhaltsvereinbarung zu werten sei.

Bei der Frage, ob durch den Auszug des Beklagten neue Verhältnisse im Sinn der Umstandsklausel (der jede Unterhaltsregelung grundsätzlich unterliege) eingetreten sind, sei im Sinne des § 94 Abs 2 ABGB zu berücksichtigen, dass der haushaltsführende Ehegatte selbst nach Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes, aber aufrechter Ehe, weiterhin einen Unterhaltsanspruch gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten habe, soferne nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches, besonderes wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes geführt haben, ein Missbrauch des Rechtes wäre. Es seien daher ergänzende Feststellungen über die Gründe des Auszuges des Beklagten zu treffen gewesen. Danach stehe fest, dass der Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung rechtswidrig erfolgt sei und daher nichts an den Unterhaltsansprüchen der Klägerin ändere. Nach der Beweisergänzung im Berufungsverfahren ergebe sich daher bei richtiger rechtlicher Würdigung, dass die zwischen den Streitteilen geschlossene Unterhaltsvereinbarung auch nach dem November 2000 aufrecht sei. Schon daraus sei abzuleiten, dass der Klägerin für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch auf Unterhaltsleistung, wie im Jahre 1999 vereinbart, zustehe.

Betreffend den Anspruch auf Zahlung von EUR 1.308,11 monatlich sei jedoch bisher ungeklärt, in welcher Weise die Streitteile bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigten, dadurch auch den Unterhalt der gemeinsamen Tochter zu bestreiten. Da im Verfahren lediglich Unterhaltsansprüche der Klägerin als Ehegattin zu beurteilen seien, werde im fortgesetzten Verfahren zu klären sein, inwieweit die Streitteile beabsichtigten, durch die Zahlung eines Betrages von „Haushaltsgeld" auch den Unterhalt der Tochter abzudecken. Es werde insbesondere zu erheben sein, welche konkreten Ausgaben die Streitteile mit der Überweisung dieses Betrages zu decken beabsichtigten, welche Höhe diese erreichten und inwieweit sie auch der Tochter der Streitteile zugute kamen. Daraus werde erschließbar sein, welche vom Beklagten zu leistenden Beträge nun tatsächlich den Unterhaltsanspruch der Klägerin als seiner Ehegattin abdecken sollten. Nur diese Beträge könnten von der Klägerin auch als eigener Unterhaltsanspruch geltend gemacht werden. Insoweit erweise sich das Verfahren als derzeit noch nicht spruchreif.

Bezüglich der Vereinbarung über die Mietzinszahlungen liege jedoch teilweise Spruchreife vor, da nach herrschender Judikatur unterhaltsberechtigte Kinder ein von ihren Eltern abgeleitetes Wohnrecht hätten. Es sei daher bezüglich der Mietzinszahlung nicht zu berücksichtigen, dass auch die Tochter in der Ehewohnung wohne. Die Mietzinszahlungen des Beklagten seien daher als alleiniger Unterhaltsanspruch der Klägerin zu betrachten, wobei auch dieser auf Grund der zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vereinbarung [zu Recht] bestehe und durch den Auszug des Beklagten nicht verändert worden sei. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes seien der Klägerin daher die vom Beklagten der Höhe nach nicht bestrittenen gesamten geltend gemachten Mietzinsforderungen zuzuerkennen.

Die vom Beklagten unbestrittenermaßen für die Klägerin geleisteten monatlichen Unterhaltsbeiträge von EUR 606,23 seien jedoch sowohl auf jenen Teil des Unterhaltsbeitrages, der durch die Zahlung des Mietzinses zu leisten sei, als auch auf den übrigen Geldunterhalt anzurechnen. Da nun einerseits die tatsächlich vom Beklagten geleisteten Zahlungen jeweils den Mietzins überstiegen und andererseits noch nicht feststehe, wie hoch der sonstige laut Vereinbarung zu zahlende Unterhaltsbeitrag für die Klägerin sei, könne ein Zuspruch eines Unterhaltsbeitrages für die Vergangenheit auch nicht teilweise erfolgen. Es erwiesen sich jedoch die entsprechenden Begehren bezüglich der laufenden Zahlung der Mietzinse und das den Mietzins betreffende Feststellungsbegehren als spruchreif.

Da das Berufungsgericht zur Ansicht gelangt sei, dass der Klägerin - wie von ihr auch eingeklagt - Unterhalt auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung und nicht der gesetzlichen Regelung zustehe, sei auf die weiteren in der Berufung der Klägerin erörterten Fragen nicht mehr einzugehen. Der Beklagte fechte das Ersturteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung an und mache geltend, dem Erstgericht seien bei der Ausmittlung des gesetzlichen Unterhaltes Fehler unterlaufen. Da er der Klägerin nach der vom Berufungsgericht geäußerten Rechtsansicht Unterhaltsleistungen infolge der getroffenen Vereinbarung zu erbringen habe, sodass die Ausmittlung des gesetzlichen Unterhaltes bei aufrechter Ehe dahingestellt bleiben könne, sei dieser Berufung ein Erfolg zu versagen.

Bezüglich des abändernden Teiles der Berufungsentscheidung sei die Klärung einer Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht notwendig, sodass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen Punkt II. der Berufungsentscheidung in ihrem das Ersturteil abändernden Teil (Zahlung der monatlichen Bruttomiete von derzeit EUR 516,47) richtet sich die auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte außerordentliche Revision des Beklagten.

Der Revisionswerber beruft sich zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels ausschließlich darauf, dass die getroffenen Feststellungen rechtlich nicht „als Vereinbarung zur Bezahlung des Mietzinses" qualifiziert werden könnten; die Bezahlung des Mietzinses über einen längeren Zeitraum durch den Beklagten könnte auf Grund der konkret vorliegenden Unterhaltsvereinbarung hinsichtlich des Haushaltsgeldes nicht dahingehend verstanden werden, dass eine Vereinbarung durch langjährige Übung zustandegekommen sei. Dabei wird jedoch Folgendes übersehen:

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nach stRsp nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd zitierten Gesetzesstelle dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0044298; RS0044358; RS0112106 ua; zuletzt: 1 Ob 287/04v und 1 Ob 3/05f). Davon kann hier aber keine Rede sein. Eine derartige Abweichung von der Rsp des Obersten Gerichtshofes wird nämlich - zu Recht - gar nicht behauptet. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist hingegen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0112106 ua; 7 Ob 39/04t und 7 Ob 57/04i; zuletzt: 7 Ob 206/04a und 6 Ob 212/04a mwN).

Mangels erheblicher, für die Entscheidung des Verfahrens relevanter Rechtsfragen iSd § 502 Abs U1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

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