OGH 2Ob90/05g

OGH2Ob90/05g21.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eckart Eduard N*****, vertreten durch Simma Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, gegen die beklagten Parteien 1.) Rene W*****, und 2.) D***** AG, *****, vertreten durch Dr. Clement Achammer und andere Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen EUR 14.800,‑- sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Februar 2005, GZ 2 R 8/05a‑21, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. November 2004, GZ 8 Cg 323/03g‑17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:0020OB00090.05G.0421.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EUR 8.800,‑- samt 4 % Zinsen seit 30. 12. 2003 sowie die mit EUR 6.363,96 (darin EUR 743,92 USt und EUR 1.900,44 Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von EUR 6.000,‑- samt 4 % Zinsen seit 16. 6. 2003 sowie von 4 % Zinsen aus EUR 8.800,‑ ‑ von 16. 6. 2003 bis 29. 12. 2003 wird abgewiesen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Bruder des Kläger wurde am 13. 4. 2003 bei einem vom Erstbeklagten, dessen PKW zum Unfallszeitpunkt bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war, verursachten und verschuldeten Verkehrsunfall getötet.

Der Kläger begehrte von den Beklagten den Betrag von EUR 14.800,‑- sA und brachte hiezu im Wesentlichen vor: Der Erstbeklagte habe dadurch, dass er in alkoholisiertem Zustand und auf Grund unaufmerksamer Fahrweise mit seinem PKW den auf dem rechten Radfahrstreifen in dieselbe Fahrtrichtung mit dem Fahrrad fahrenden Bruder des Klägers niedergestoßen habe, den Tod des Bruders grob fahrlässig herbeigeführt. Zwischen dem Verstorbenen und dem Kläger habe eine besondere, sehr intensive Gefühlsbeziehung vorgelegen, welche über ein normales Bruder‑Verhältnis weit hinausgegangen sei, weshalb der Kläger über den bereits vom Strafgericht zuerkannten Betrag von EUR 200,‑- einen Anspruch auf Schmerzengeld von EUR 14.800,‑- habe.

Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, der Kläger habe zu seinem verstorbenen Bruder keineswegs geschwisterliche Beziehungen gepflegt. Es habe keinerlei räumliche Nahebeziehung bestanden und habe es im Wesentlichen keinerlei Kontakte zum Kläger, der selbst eine Familie gehabt habe, gegeben. Es habe auch keine intensive und dauernde Beziehung, die auf regelmäßigen Treffen beruht hätte, bestanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es legte seiner Entscheidung folgende Tatsachenfeststellungen zugrunde:

Der Erstbeklagte hat am 13. 4. 2003 gegen 16.28 Uhr als Lenker eines bei der zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKWs in alkoholisiertem Zustand (mindestens 0,75 mg/l) und auf Grund unaufmerksamer Fahrweise den in dieselbe Fahrtrichtung mit dem Fahrrad fahrenden Bruder des Klägers angefahren. Durch die hohe Wucht des Aufpralles wurde der Bruder des Klägers gegen die Windschutzscheibe des PKWs geschleudert. Anschließend wurde er vom Fahrzeug eine Strecke mitgeführt, bevor er nach ca 40 m vom Fahrzeug auf die Fahrbahn fiel, wo er schwer verletzt liegen blieb. Der Erstbeklagte setzte seine Fahrt ohne anzuhalten fort, ohne sich um den Verletzten zu kümmern. Dieser verstarb am 13. 4. 2003 um 16.55 Uhr während des Transportes von der Unfallstelle zum Krankenhaus. Der Kläger hat am Abend seinen Bruder im Krankenhaus identifiziert. Anschließend fuhr er zur Unfallstelle und fand noch persönliche Sachen seines Bruders. Als er noch eine Blutlache feststellte, war er schockiert und machte er mit dem Blut ein Kreuz. Wenn der Kläger seit dem Unfall an der Unfallstelle vorbeifährt, „macht er noch heute dort ein Kreuz".

Der Kläger ist im Jahr 1955 geboren, sein verstorbener Bruder im Jahr 1957. Dieser litt an einer angeborenen Behinderung mit Schädigung in der Schwangerschaft. Er wohnte bis zum Unfall bei seiner Mutter und war in den letzten 15 Jahren tagsüber in der Werkstätte der Lebenshilfe. Der Vater des Klägers und des Getöteten schämte sich, dass er einen behinderten Sohn hatte. Der Vater hatte Alkoholprobleme. Die Schwester ging wegen des behinderten Bruders nicht ins Elternhaus. Der ältere Bruder des Klägers wollte nichts mit dem behinderten Bruder zu tun haben. Der Vater des Klägers verstarb 1988.

Der Kläger zog mit 18 Jahren von zu Hause aus und besuchte zwei Jahre die Gendarmerieschule. Dann war er zwei Jahre beim Einsatzkommando in Niederösterreich. Dazwischen war er immer wieder zu Hause. 1983 gründete der Kläger eine eigene Familie und hatte trotzdem wöchentlich mit seinem Bruder zu tun. Dieser war wegen seiner Behinderung im gesamten Dorf verschrien. Er redete kaum und war verschlossen. Der Kläger erledigte für den Verstorbenen sämtliche Behördengänge und kümmerte sich intensiv um ihn. Der Verstorbene wurde bei seiner Arbeitsstätte geschlagen, woraufhin er die Arbeit verweigerte und keine neue Arbeit mehr erhielt. In der Folge bezog er eine Invaliditätspension. Es waren alle zwei Jahre wiederkehrende Begutachtungen erforderlich. Weiters waren viele Sitzungen, Anträge und Schreiben notwendig, die alle vom Kläger erledigt wurden. Er musste auch bei Problemen immer wieder intervenieren und vermitteln. Seit 1987 wohnt der Kläger ca 2 km vom Haus seiner Mutter entfernt, in dem auch sein Bruder gewohnt hat. Für die erforderlichen Interventionen war es notwendig, dass der Kläger zahlreiche Gespräche mit seinem Bruder führte und sich intensiv mit ihm auseinandersetzte. Der Kläger besuchte etwa zwei- bis dreimal wöchentlich seinen Bruder und seine Mutter.

Zwischen dem Kläger und seinem Bruder entwickelte sich über die Jahre eine intensive fürsorgliche Beziehung, die nahezu einer väterlichen Beziehung gleichkam und über ein durchschnittlichen geschwisterliches Verhältnis hinausging. Auf Grund dieser intensiven Beziehung zu seinem verstorbenen Bruder stellte die Todesnachricht beim Kläger eine erhebliche Belastungssituation dar. Eine akute Belastungsreaktion oder länger anhaltende Anpassungsstörung lag nur andeutungsweise vor, sodass eine seelische Beeinträchtigung mit Krankheitswert nicht angenommen werden kann. Die Trauerreaktion beim Kläger war weder abnorm noch krankhaft. Beim Kläger ist von einer „normalen Trauerarbeit" auszugehen. Diese bestand über drei bis vier Monate, wobei kein Trauerschmerz mit der Intensität von psychischen Schmerzen festgestellt werden kann. Symptome einer depressiven Verstimmung, Angstgefühle, psychovegetative Beschwerden zumindest in leichter Form, wie sie üblicherweise den Begriff von „seelischen Schmerzen" begründen, waren beim Kläger nicht festzustellen.

Der Kläger hat nicht nachgewiesen, wann er die beklagten Parteien zur Zahlung des klagsweise geltend gemachten Schmerzengeldes aufgefordert hat.

Der Erstbeklagte wurde mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 26. 6. 2003 wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen zu eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im Wesentlichen folgendermaßen: Das Verursachen eines Unfalles in alkoholisiertem Zustand würde in jedem Fall eine grobe Fahrlässigkeit begründen, weshalb der Kläger grundsätzlich Anspruch auf ein Schmerzengeld für das Erleiden seelischer Schmerzen hätte, soferne er dem Angehörigenkreis im Sinne der herrschenden Rechtsprechung zuzuordnen sei. Voraussetzung für die Zuerkennung eines „Trauerschmerzengeldes" sei jedoch eine intensive Gefühlsgemeinschaft, wie sie zwischen den nächsten Angehörigen typischerweise bestehe. Die intensive Beziehung zwischen dem Kläger und seinem Bruder habe sich erst im Erwachsenenalter entwickelt, sodass sie der innigen Beziehung, die als Voraussetzung für den Zuspruch eines seelischen Schmerzengeldes für erforderlich erachtet werde, nicht nahe genug komme. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Schmerzengeldes für den geltend gemachten Trauerschaden würden sohin nicht vorliegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge im Wesentlichen Folgendes aus:

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung bestehe bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers ein Anspruch auf Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger auch dann, wenn dieser zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinn des § 1325 ABGB geführt habe. Bei der Beurteilung der Frage, wer zum Kreis der nahen Angehörigen, die Anspruch auf ein Trauerschmerzengeld haben, zähle, komme es zwar in erster Linie darauf an, wie eng die Beziehungen zwischen dem Getöteten und dem hinterbliebenen Angehörigen waren. Der Gefahr des Ausuferns von Ansprüchen sei jedoch durch eine enge Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises zu begegnen. So solle etwa nach Grundsatz Nr 19 der Empfehlungen des Europarates zur Vereinheitlichung der Rechtsbegriffe des Schadenersatzes bei Körperverletzung und Tötung Schadenersatz für von einem Dritten zugefügte seelische Leiden infolge des Ablebens des Opfers nur den Eltern, den Ehegatten, den Verlobten und den Kindern des Opfers zugebilligt werden, soferne diese mit dem Opfer zum Zeitpunkt seines Ablebens eine enge Gefühlsverbindung hatten. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sei daher einem Seitenverwandten selbst bei Vorliegen enger Gefühlsbeziehungen kein Anspruch auf ein „Trauerschmerzengeld" zuzubilligen. Dies müsse umso mehr gelten, wenn - wie hier - die Geschwister zum Zeitpunkt des Todes des Opfers schon lange nicht mehr in gemeinsamer Hausgemeinschaft lebten und sich die intensive Beziehung erst im Erwachsenenalter entwickelte. Das Erstgericht habe somit einen Schmerzengeldanspruch des Klägers mit Recht verneint.

Zur Frage, ob und inwieweit auch Geschwister zum Kreis der nahen Angehörigen zählten, die bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Anspruch auf ein „Trauerschmerzengeld" hätten, liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor, weshalb gemäß § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision zuzulassen gewesen sei.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinne abzuändern.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist teilweise auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, zwischen ihm und seinem getötetem Bruder habe eine intensive Gefühlsgemeinschaft bestanden, die nahezu einer väterlichen Beziehung gleichgekommen sei; ihm gebühre daher ein Trauerschmerzengeld.

Hiezu wurde erwogen:

Der erkennende Senat hat in 2 Ob 84/01v = SZ 74/90 = ZVR 2001/73 (Karner) ausgesprochen, dass ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinn des § 1325 ABGB geführt hat, nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht kommt. Bei leichter Fahrlässigkeit oder im Fall bloßer Gefährdungshaftung fehlt es hingegen an der erforderlichen Schwere des Zurechnungsgrundes. An dieser Rechtsprechung (RIS‑Justiz‑RS0115189, RS0115190) wurde zuletzt in 2 Ob 141/04f = ZVR 2004/86 = JBl 2004, 792 festgehalten.

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen besteht im vorliegenden Fall kein Zweifel daran, dass der Erstbeklagte den Unfall - wie schon das Erstgericht richtig erkannt hat - grob fahrlässig herbeigeführt hat. Es ist daher die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage zu prüfen, ob auch Geschwister Anspruch auf Trauerschmerzengeld haben können:

In der zitierten Vorjudikatur wurde bereits klar gestellt, dass der Gefahr des Ausuferns von Ansprüchen durch enge Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises zu begegnen ist. Hinterbliebene Eltern (2 Ob 84/01v) oder Kinder (2 Ob 141/04f) gehören zum engsten, typischerweise schutzwürdigen Angehörigenkreis. Geschwister fallen hingegen - auch im internationalen Vergleich - in den Grenzbereich des anspruchsberechtigten Personenkreises.

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass im Grundsatz Nr 19 der Empfehlungen des Europarates zur Vereinheitlichung der Rechtsbegriffe des Schadenersatzes bei Körperverletzung und Tötung vom 14. 3. 1975 (vgl hiezu 2 Ob 84/01v; Danzl in Danzl/Gutiérrez‑Lobos/Müller, Schmerzengeld8 129; Wiesbauer, RZ 1977, 4, 26) Geschwister nicht genannt werden.

Auch das englische Recht sieht Geschwister nicht im Kreis der Berechtigten (Kadner Graziano, Angehörigenschmerzengeld im europäischen Privatrecht - die Schere schließt sich, ZEuP 2002, 834, 843, mit Hinweisen auf weitere Rechtsordnungen).

Hingegen wird in der Schweiz auch beim Tod von Geschwistern die Zusprechung einer Genugtuungssumme gemäß Art 47 OR für zulässig erachtet. Zurückhaltung wird jedoch dort geübt, wo die Geschwister zur Zeit des Todes bereits getrennte Haushalte führten (Schnyder im Basler Komm, OR I3 Art 47 Rz 9; vgl Oftinger/Stark, Schweizerisches Haftpflichtrecht I5 § 8 Rz 87; Roberto, Schweizerisches Haftpflichtrecht [2002] Rz 916; Danzl aaO 151 mwN).

Auch der romanische Rechtskreis kennt eine Entschädigung von Geschwistern eines Getöteten, wobei häufig nach gemeinsamen oder getrenntem Haushalt differenziert wird (vgl die tabellarischen Übersichten zur italienischen, französischen und spanischen Rechtsordnung in DAR 2001, 585 f, 590, 593; zum belgischen Recht DAR 2003, 354).

In Jugoslawien bzw dessen Nachfolgestaaten kann ein Angehörigenschmerzengeld ausnahmsweise auch Geschwistern zugesprochen werden, falls zwischen ihnen und dem Toten eine dauerhafte Wohngemeinschaft bestand; auch die Aufrechterhaltung der Gemeinschaft durch sehr häufige Besuche und Hilfe soll genügen (Vucic, Geldersatz für seelische Schmerzen im Recht der Nachfolgestaaten Jugoslawiens, unter besonderer Berücksichtigung des Angehörigenschmerzengeldes, ZfRV 2003/34, insb Abschnitt D 1 a; vgl auch Sandstedt, Schmerzensgeld für Angehörige? Kommentar zu der neuesten schwedischen Entwicklung, VersRAI 2002, 11, 13 mit teilweise ähnlichen Erwägungen).

Schließlich ist noch aus der österreichischen Rechtsordnung zu erwähnen, dass die Besuchskosten von Geschwistern (nur) unter besonderen Umständen als ersatzfähige Heilungskosten angesehen werden (2 Ob 14/88; 2 Ob 41/89; RIS‑Justiz RS0009696, RS0009665; Reischauer in Rummel3 § 1325 ABGB Rz 16 mwN).

Die dem Obersten Gerichtshof vorgelegte erhebliche Rechtsfrage ist nun im Anschluss an die zitierte Vorjudikatur des erkennenden Senates folgendermaßen zu beantworten:

Wie bereits in 2 Ob 141/04f dargestellt, ist für die Zuerkennung von Trauerschmerzengeld die intensive Gefühlsgemeinschaft maßgeblich, wie sie zwischen den nächsten Angehörigen typischerweise besteht. Auch zwischen Geschwistern, die im gemeinsamen Haushalt leben, besteht typischerweise eine solche Gemeinschaft. Gegenteiliges hätte der Schädiger zu beweisen (vgl wiederum 2 Ob 141/04f). Ohne Haushaltsgemeinschaft - etwa im Falle von erwachsenen Geschwistern, die an verschiedenen Orten mit ihren eigenen Familien leben und nur mehr bei gelegentlichen Familienfeiern zusammentreffen - reicht das familiäre Naheverhältnis zwischen Geschwistern für sich allein nicht aus, um einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld zu begründen. Vielmehr wäre dann vom Geschädigten das Bestehen einer intensiven Gefühlsgemeinschaft, die jener innerhalb der Kernfamilie annähernd entspricht, zu beweisen.

Eben dies ist dem Kläger im vorliegenden Fall gelungen: Zwischen ihm und seinem behinderten Bruder bestand nach den vorinstanzlichen Feststellungen eine intensive fürsorgliche Beziehung, die nahezu einer väterlichen Beziehung gleichkam und über ein durchschnittliches geschwisterliches Verhältnis hinausging. Dass sich die Beziehung erst im Laufe der Jahre entwickelte, ändert an ihrem Bestehen nichts. Der Kläger hat daher Anspruch auf Trauerschmerzengeld.

Was dessen Höhe anlangt, kann wiederum die Entscheidung 2 Ob 141/04f als Orientierungshilfe dienen: Damals wurde im Falle eines Sohnes, der im eigenen Haushalt und mit eigener Familie, aber in unmittelbarer Nachbarschaft zu seiner bei einem Verkehrsunfall getöteten Mutter lebte, die er täglich zweimal sah und zu der ein ausgezeichnetes, besonders enges und intensives Verhältnis bestand, ein Trauerschmerzengeld von EUR 13.000,‑- für angemessen erachtet. Berücksichtigt man im Vergleich damit die hier festgestellten Umstände, insbesondere die geringere Intensität der Beziehung zwischen den Geschwistern, die einem Vater‑Sohn‑Verhältnis nur ähnelte, so ist im vorliegenden Fall ein Trauerschmerzengeld von EUR 9.000,‑- angemessen. Abzüglich des bereits vom Strafgericht zuerkannten Betrages von EUR 200,‑- ergibt dies einen Anspruch auf EUR 8.800,‑ ‑. In diesem Sinne waren die vorinstanzlichen Urteile abzuändern.

Eine außergerichtliche Einmahnung des Schmerzengeldes hat der Kläger nicht nachgewiesen, weshalb Fälligkeit erst mit Klagszustellung eingetreten ist (vgl Reischauer aaO Rz 52 mwN). Auch das entsprechende Zinsenmehrbegehren war somit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 2, § 50 ZPO. Der Kostenzuspruch hat auf der Basis des ersiegten Betrages zu erfolgen. Der erlegte Kostenvorschuss wurde nur teilweise verbraucht. Pauschalgebühren dritter Instanz wurden nicht verzeichnet.

 

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