OGH 3Ob22/05i

OGH3Ob22/05i31.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ernst D***** , vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die verpflichteten Parteien 1.) S***** Gesellschaft mbH & Co, 2.) S***** Handels GmbH, 3.) S***** Gesellschaft mbH, ***** sowie 4.) Mag. Jürgen S*****, alle vertreten durch Dr. Adolf Concin und Dr. Heinrich Concin, Rechtsanwälte in Bludenz, wegen Unterlassung (hier: wegen Aufschiebung), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 9. Dezember 2004, GZ 3 R 361/04t-218, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bezau vom 3. November 2004, GZ 6 E 1831/03x-179, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die beklagten Parteien sind aufgrund eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteils verpflichtet, ab sofort in einem näher bezeichneten Einkaufszentrum im geschäftlichen Verkehr mit Letztverbrauchern den Einzelhandel bzw. die Überlassung von Verkehrsflächen zum Einzelhandel mit Waren des täglichen Bedarfs, insbesondere ..., auf einer größeren Verkehrsfläche als 400 m2 zu unterlassen. Mit rechtskräftigem Beschluss bewilligte das Erstgericht am 27. Dezember 2003 die Exekution zur Erwirkung dieser Unterlassung und verhängte erstmals eine Geldstrafe von 10.000 j. Über 100 weitere Strafanträge folgten. In ihren Impugnationsklagen vom 10. März und 17. Oktober 2004 brachten die verpflichteten Parteien zusammengefasst vor, das sie einen dem Gesetz entsprechenden Zustand in ihrem Einkaufszentrum hergestellt hätten und nicht gegen das Unterlassungsgebot verstoßen würden.

Das Rekursgericht wies die Anträge der verpflichteten Parteien auf Aufschiebung I. der Unterlassungsexekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von ihnen eingebrachte Impugnationsklage, II. des Vollzugs einer bereits verhängten näher bezeichneten Geldstrafe bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Impugnationsklage und III. der Unterlassungsexekution in Ansehung künftiger Vollzugsakte bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Impugnationsklage ab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Frage, ob eine ausreichende Gefahrenbescheinigung erfolgt sei, grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Die Verpflichteten führen im außerordentlichen Revisionsrekurs Rechtsfragen an, die ihrer Ansicht erheblich sind und die Zulässigkeit ihres Revisionsrekurses begründen:

1.) Die Ansicht des Rekursgerichts, bei der Aufschiebung einer Unterlassungsexekution gemäß § 355 EO sei zwischen bereits vollzogenen und den in Zukunft zu vollziehenden Exekutionsakten zu unterscheiden, entspreche nach dem Rechtsmittelvortrag zwar der stRsp (für viele 3 Ob 207/99h = ecolex 2000, 650 = RpflE 2000/80 mwN; RIS-Justiz RS0001590); dagegen seien aber gewichtige Gegenstimmen in der Lehre erhoben worden (Jakusch in Angst, EO, § 43 Rz 6; Deixler-Hübner in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 43 Rz 2). Nach der genannten Entscheidung muss die bei Aufschiebung einer noch nicht vollzogenen Exekution aufzuerlegende Sicherheitsleistung die volle Befriedigung des vollstreckbaren Anspruchs gewährleisten, weil sie einer Aufschiebung der Exekution unter Aufhebung der vollzogenen Exekutionsakte nach § 43 Abs 2 EO gleichzuhalten sei. An dieser Auffassung wurde in der genannten Entscheidung ungeachtet dessen festzuhalten, dass diese Auffassung von Deixler-Hübner (in Burgstaller/Deixler-Hübner aaO § 43 Rz 5 und § 44 Rz 21) im Anschluss an Holzhammer (Zwangsvollstreckungsrecht4, 114) als gesetzwidrig bzw. als unzutreffend kritisiert worden sei. Bei der Aufschiebung einer noch nicht vollzogenen Exekution sei eben die wirtschaftliche Stellung des betreibenden Gläubigers nicht anders, als wenn bereits vollzogene Exekutionsansprüche wieder aufgehoben werden. In beiden Fällen führe die Exekution nicht nur (vorläufig) nicht zu seiner Befriedigung, vielmehr werde ihm auch die Sicherheit durch ein Pfändungspfandrecht verweigert. Die Analogie sei daher gerechtfertigt.

Eine neuerliche Auseinandersetzung - auch angesichts der Kritik von Jakusch (aaO) - bedarf es hier indessen nicht, weil diese Frage im vorliegenden Fall nicht entscheidungswesentlich ist. Denn den in Frage kommenden Aufschiebungsgründen des § 43 Abs 2 EO und des § 44 EO ist gemeinsam, dass die Weiterführung der Exekution trotz der Möglichkeit der Rückzahlung der Strafe mit der Gefahr eines unersetzlichen oder nur schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden ist. Dies hat bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt (S 8 seiner Beschlussausfertigung).

2.) Nach Ansicht des Rekursgerichts muss der Aufschiebungswerber die ihm drohende Gefahr konkret behaupten und bescheinigen, sofern diese nach der Aktenlage nicht offenkundig ist. Dies entspricht der stRsp (zuletzt 3 Ob 237/04f; RIS-Justiz RS0001619). Der Mangel schlüssigen Vorbringens zum Aufschiebungsinteresse verbietet auch ein Bescheinigungsverfahren, weil letzteres nicht den Zweck hat, konkrete Tatumstände zur allfälligen späteren schlüssigen Begründung eines ursprünglich ungenügend behaupteten Aufschiebungsinteresses erst zu erkunden. Unzureichende Tatsachenbehauptungen zum Aufschiebungsinteresse lassen sich auch nicht durch die Auferlegung einer Sicherheitsleistung ersetzen (3 Ob 180/98m). Bei der Bekämpfung der Höhe einer Geldstrafe nach § 355 Abs 1 EO ist nach stRsp (zuletzt 3 Ob 191/04s, 192/04p) vom Verpflichteten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anhand konkreter Angaben der Wirtschaftsdaten wie Vermögen, Umsatz und Gewinn zu behaupten und zu bescheinigen. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber kann für einen Antrag auf Aufschiebung der Exekution nichts anderes gelten, kann doch sonst nicht geprüft werden, ob an Hand dieser konkreten Tatumstände die Gefahr eines unersetzlichen oder nur schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils für den antragstellenden Verpflichteten besteht oder nicht. Wie sonst könnte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Verpflichteten oder wie hier der geltend gemachte Umstand, dass der Lebensmittelmarkt der verpflichteten Parteien durch die plötzliche Strafenlast „förmlich erdrückt" werde, beurteilt werden. Allgemeine Angaben über die wirtschaftliche Situation am Lebensmittelmarkt und Verdrängungstendenzen in diesem Wirtschaftszweig oder Unterhaltspflichten (in casu: des Viertverpflichteten) reichen demnach für einen erfolgreichen Aufschiebungsantrag - außer bei gegebener Offenkundigkeit - nicht aus.

Soweit die Verpflichteten mit Hinweis auf die E 3 Ob 342/99m meinen, hier liege keine einhellige Rsp vor, kann ihnen nicht gefolgt werden. Vielmehr hat diese Entscheidung die Ansicht des Rekursgerichts im konkreten Einzelfall, dass die zur Begründung des Aufschiebungsantrags vorgebrachten Tatsachen notorisch seien, gebilligt. Keineswegs ist dieser Entscheidung zu entnehmen, dass eine Aufschiebung auch ohne die im vorliegenden Fall vom Rekursgericht geforderten Angaben der Wirtschaftsdaten wie Vermögen, Umsatz und Gewinn sowie deren Bescheinigung zulässig sei. Ausgesprochen wurde vielmehr, Voraussetzung für die Aufschiebung einer Unterlassungsexekution sei, dass die Weiterführung der Exekution trotz Möglichkeit der Rückzahlung der Strafen mit Nachteilen verbunden wäre, deren Ersatz die verpflichtete Partei von der betreibenden Partei nicht erlangen könnte, falls die Exekutionsführung zu Unrecht erfolgt. Solche Umstände könnten etwa darin gelegen sein, dass die verpflichtete Partei geschäftliche Nachteile erleiden würde, deren Ersatz sie von der betreibenden Partei nicht erlangen kann. Über einen solchen Fall ist hier nicht abzusprechen. Eine erhebliche Rechtsfrage wird damit jedenfalls nicht aufgezeigt.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs hängt somit nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO ab. Eine auffallende Fehlbeurteilung der zweiten Insatnz, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, ist jedenfalls nicht zu erkennen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 78 EO iVm §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO).

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