OGH 7Ob33/05m

OGH7Ob33/05m16.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brauerei E***** KG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Ganzert, Ganzert & Partner OEG in Wels, gegen den Beklagten Samir C***** , vertreten durch Dr. Fritz Vierthaler, Rechtsanwalt in Gmunden, als Verfahrenshelfer, wegen (restlich) EUR 27.409,14 sA, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 8. November 2004, GZ 6 R 148/04h-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 28. Mai 2004, GZ 28 Cg 64/02h-25, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Rekurse werden zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 1.148,76 (darin enthalten EUR 191,46 USt) bestimmten Kosten ihrer (als „Revisionsrekursbeantwortung" bezeichneten) Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 528a ZPO iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Zum besseren Verständnis sei dennoch vorweg auf die in der vorliegenden Rechtssache bereits ergangene Entscheidung 7 Ob 25/04h verwiesen (der auch der wesentliche Sachverhalt entnommen werden kann) und daran anknüpfend der weitere Verfahrensgang kurz dargestellt:

Das Erstgericht hat das (restliche) Klagebegehren auf Zuspruch von EUR 27.409,14 sA im zweiten Rechtsgang (neuerlich) abgewiesen. Der Beklagte sei hinsichtlich des Getränkebezugsübereinkommens in einem Erklärungsirrtum befangen gewesen, der von der Klägerin veranlasst worden sei. Er hafte auch als vormals persönlich haftender Gesellschafter der C***** KEG nicht, da der von der Klägerin erhobene Anspruch erst mit der nach dem Ausscheiden des Beklagten als persönlich haftender Gesellschafter erfolgten Kündigung des Getränkebezugsübereinkommens durch die Klägerin entstanden sei. Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil auf und wies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes sei der vom Beklagten mit der Klägerin geschlossene Bürgschaftsvertrag wegen eines Irrtums über den Inhalt des durch die Bürgschaftserklärung besicherten Getränkebezugsübereinkommens mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 871 ABGB nicht anfechtbar. Dass die Klägerin einen Irrtum des Beklagten über die Abgabe der Bürgschaftserklärung veranlasst habe, sei vom Beklagten gar nicht behauptet worden.

Zu beachten sei allerdings der vom Beklagten (im zweiten Rechtsgang) erhobene Einwand, das Getränkebezugsübereinkommen verstoße gegen Art 81 EG. Eine allfällige Nichtigkeit gemäß Art 81 EG sei entscheidungserheblich, weil auch die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, der Beklagte hafte der Klägerin auf Grund seiner Stellung als vormals persönlich haftender Gesellschafter der C***** KEG nicht, unrichtig sei. Ausgehend von den unbedenklichen erstgerichtlichen Feststellungen sei nicht auszuschließen, dass das gegenständliche Getränkebezugsübereinkommen die in der Verordnung Nr 1984/83 der Kommission vom 22. 6. 1983 über die Anwendung von Art 85 Abs 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen (GVO) aufgestellten Bedingungen nicht erfülle und daher nicht in den Genuss einer Freistellung vom Kartellverbot gemäß Art 81 Abs 3 EG komme. Dies sei in erster Instanz unerörtert geblieben. Das Erstgericht werde diese Frage mit den Streitteilen zu erörtern und allenfalls das Verfahren entsprechend zu ergänzen haben. Erfülle das Getränkebezugsübereinkommen die Kriterien der GVO nicht, werde es einer umfangreichen Verbreiterung der Tatsachengrundlage bedürfen, um beurteilen zu können, ob es gemäß Art 81 EG nichtig sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur Frage, ob ein Kommanditist und vormals persönlich haftender Gesellschafter einer KEG an ein gegen diese ergangenes rechtskräftiges Urteil gebunden sei, falls die Umwandlung der Gesellschafterstellung bereits vor Zustellung der Klage an die KEG im Firmenbuch eingetragen worden sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Diese Frage sei deshalb hier entscheidungserheblich, weil die dem Erstgericht aufgetragene Verfahrensergänzung nicht erforderlich wäre, sollte dem Beklagten der Einwand der Nichtigkeit des Getränkebezugsübereinkommens nicht zustehen, da die KEG in einem Zeitpunkt, in dem er dieser als Kommanditist angehört habe, ein Versäumungsurteil über diejenige Forderung ergehen habe lassen, die die Klägerin nun auch gegen den Beklagten erhoben habe.

Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 zweiter Satz ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes sind die von beiden Parteien gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurse (die Klägerin bezeichnet ihr Rechtsmittel irrtümlich als „Revisionsrekurs") gemäß § 519 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Auszugehen ist davon, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der gegenständliche Bürgschaftsvertrag sei wegen Irrtums mangels der Voraussetzungen des § 871 ABGB nicht anfechtbar, gesicherter, vom Berufungsgericht ohnehin zitierter oberstgerichtlicher Judikatur folgt. Entgegen der Ansicht des Beklagten bestehen daher gegen die betreffenden Rechtsausführungen keinerlei Bedenken, ohne dass sich in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO stellte. Dies gilt insbesondere auch für die vom Berufungsgericht verneinte, einzelfallbezogene Frage, ob der gegenständliche Vertrag außergewöhnliche, unübliche Klauseln enthält, die durch die „Rahmenvorstellungen" des Beklagten, der den Vertragstext ungelesen unterfertigte, nicht gedeckt gewesen wären (vgl SZ 58/69; SZ 58/183 ua).

Ist aber damit die Anfechtung des Beklagten wegen Irrtums gescheitert, sind die von den Rekurswerbern aufgeworfenen und vom Berufungsgericht erörterten Fragen im Zusammenhang mit der vormaligen Stellung des Beklagten als persönlich haftender Gesellschafter der C***** KEG (der Rekurs der Klägerin beschäftigt sich ausschließlich mit dieser Frage) obsolet. Der erkennende Senat hat bereits in der Entscheidung 7 Ob 25/04h ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur im Falle einer erfolgreichen Irrtumsanfechtung des Bürgschaftsvertrages eine Haftung des Beklagten als persönlich haftender Gesellschafter der C***** KEG zu prüfen wäre.

Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte im zweiten Rechtsgang noch ergänzend den Einwand erhoben hat, das gegenständliche Getränkebezugsübereinkommen sei nichtig, da es gegen Art 81 (ex- Art 85) EG verstoße. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist nämlich auch in diesem Konnex (hinsichtlich der Legitimation des Beklagten, das Getränkebezugsübereinkommen als nichtig anzufechten) die Stellung des Genannten als ehemaliger persönlich haftender Gesellschafter der C***** KEG nicht von Relevanz. Kann doch ein Bürge dem Gläubiger neben seinen eigenen Einwendungen aus dem Bürgschafsverhältnis nach hM grundsätzlich (mit Ausnahme sog. rechtsverfolgender Einreden - s. dazu 7 Ob 25/04h mwN) auch alle (rechtshindernden, rechtshemmenden und rechtsvernichtenden) Einwendungen des Hauptschuldners aus dem gesicherten Schuldverhältnis entgegenhalten (Gamerith in Rummel3, § 1351 ABGB Rz 6 mwN), wobei dies auch für solche Einwendungen gilt, die geltend zu machen der Hauptschuldner unterlassen hat (SZ 15/61; EvBl 1964/382; EvBl 1990/89; Mayrhofer SchR AT 121; Gamerith aaO). Demnach kann der Beklagte, dessen Bürgenstellung nunmehr feststeht, nicht nur (was er hier vergeblich versucht hat) eigene Einwendungen aus dem Bürgschaftsverhältnis erheben, sondern auch eine Nichtigkeit des durch ihn zu sichernden Getränkebezugsvertrages gemäß Art 81 EG geltend machen. Damit stellt sich die vom Berufungsgericht als iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblich angesehene Rechtsfrage aber hier gar nicht. Um den betreffenden Einwand des Beklagten abschließend prüfen und verlässlich beurteilen zu können, erachtet das Berufungsgericht allerdings den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt noch nicht für ausreichend; nach entsprechender Erörterung mit den Parteien werde allenfalls eine Verbreiterung der Sachverhaltsbasis notwendig sein. Ob dies zutrifft, ist einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, entzogen. Zweck des Rekurses ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsansicht richtig - was hier hinsichtlich der grundsätzlichen Möglichkeit der Erhebung des Einwandes nach Art 81 EG zutrifft (RIS-Justiz RS0079237; vgl insbes die dafür in 3 Ob 296/99x aufgestellten Kriterien) -, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die vom Berufungsgericht für erforderlich erachtete Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (Kodek in Rechberger2 Rz 5 zu § 519 ZPO mwN; RIS-Justiz RS0042179; RS0042333 [T 1]; RS0043414 [T 8]; RS0113643 [T 2]; zuletzt etwa 7 Ob 281/04f).

Da demnach auch diesbezüglich und damit insgesamt kein tauglicher Grund für die Zulassung der Rekurse an den Obersten Gerichtshof vorliegt, waren die Rechtsmittel der Parteien, die keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO (iVm § 519 Abs 2 ZPO) aufzuzeigen vermögen, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO: Die Klägerin hat in ihrer (irrtümlich als „Revisionsrekursbeantwortung" bezeichneten) Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Der Beklagte hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

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