OGH 5Ob50/05x

OGH5Ob50/05x15.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud K*****, vertreten durch Divetschek, Sieder & Partner, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei Herbert H*****, vertreten durch Mag. Johann Kaltenegger, Rechtsanwalt in Frohnleiten, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 2 C 267/02m des Bezirksgerichtes Frohnleiten (EUR 3.924,33 und Räumung), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 5. November 2004, GZ 3 R 117/04d-14, womit - im Ergebnis - der als Urteil bezeichnete Beschluss des Bezirksgerichtes Frohnleiten vom 20. April 2004, GZ 2 Nc 10/04x-7, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuerkennung der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Im Verfahren 2 C 267/02m des Bezirksgerichtes Frohnleiten wurde die Klägerin dort als Beklagte schuldig erkannt, dem Beklagten, dort Kläger, EUR 3.924,33 s.A. zu zahlen und ihm das Bestandobjekt in P***** in ***** geräumt zu übergeben. Das Klagebegehren war auf § 1118 zweiter Fall ABGB gestützt. In diesem Verfahren hat die dort Beklagte zugestanden, dass der dortige Kläger Alleineigentümer der Liegenschaft P***** in ***** ist.

Mit der vorliegenden Wiederaufnahmsklage begehrte die Klägerin die Wiederaufnahme dieses Verfahrens und im Ergebnis die Abweisung der Klage im wieder aufgenommenen Verfahren mit der Behauptung, sie habe nach Bewilligung der zwangsweisen Räumung des Bestandobjektes zwei vom Beklagten im Jahr 1999 ausgestellte Urkunden aufgefunden, aus denen hervorgehe, dass sie zur Hälfte Miteigentümerin der Liegenschaft P***** in ***** sei. „Trotz Suchens" habe sie während des Vorprozesses diese Urkunden nicht gefunden. Sie sei der Ansicht, der Beklagte habe die Urkunden entfernt oder versteckt. Deshalb seien ihr die Beweismittel ohne ihr Verschulden erst zum Zeitpunkt der Einbringung der Wiederaufnahmsklage zugekommen.

Der Beklagte beantragte die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage mit der Begründung, auf Grund der im wiederaufzunehmenden Verfahren getroffenen Außerstreitstellung bestehe für die Klägerin nicht einmal die abstrakte Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung. Überdies habe er die Urkunden nicht unterfertigt. Schließlich habe die Klägerin die beiden Urkunden selbst aufbewahrt, weshalb ihr das Unterlassen der Vorlage dieser Urkunden im Vorprozess als Verschulden anzulasten sei.

Das Erstgericht wies nach Beschränkung des Streitgegenstandes auf das Aufhebungsverfahren gemäß § 541 Abs 1 ZPO die Wiederaufnahmsklage ab. Es stellte ua fest, dass die Klägerin, die zunächst auf die Urkunden vergessen hatte, sich im Zuge des Vorverfahrens daran erinnerte, sie jedoch nicht mehr auffinden konnte. Sie habe sogar mit ihrem Rechtsanwalt darüber gesprochen, der allerdings die Vorlage der Originalurkunden verlangt habe. Erst aus Anlass der Räumung der Wohnung habe sie die Urkunden aufgefunden. Diese Umstände wertete das Erstgericht als der Klägerin vorzuwerfendes Verschulden. Es sei deshalb das Begehren um Wiederaufnahme des Vorverfahrens bereits im Aufhebungsverfahren abzuweisen.

Einer dagegen erhobenen Berufung der klagenden Partei gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes auf und wies die Wiederaufnahmsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück.

Die Klägerin habe sich nicht darauf gestützt, dass sie in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt sei, nämlich ihres Hälfteeigentums an der Liegenschaft, sondern ausschließlich darauf, Urkunden aufgefunden zu haben, also auf Beweismittel im Sinn des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO.

Abgesehen davon, dass ein Mietvertrag auch mit einem Miteigentümer der Bestandräumlichkeiten abgeschlossen werden könne, habe die Klägerin im Vorprozess das Alleineigentum des Beklagten an der Liegenschaft ausdrücklich außer Streit gestellt. Die angeblich neuen Beweismittel beträfen also eine im Vorprozess gar nicht relevante Tatsache. Die Urkunden hätten bloß einen schuldrechtlichen Titel zum Erwerb des Miteigentums, nicht aber das Miteigentum selbst beweisen können.

Die Klage wäre daher von vornherein gemäß § 538 Abs 1 ZPO zurückzuweisen gewesen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Wiederaufnahmsklagsbegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist nicht zufolge § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig, er ist aber auch nicht gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Aus § 543 ZPO ergibt sich, dass eine unschlüssige Wiederaufnahmsklage in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen ist. Sofern sich das Gericht dabei in der Entscheidungsform vergreift und mit Urteil erkennt, liegt in Wahrheit dennoch ein Beschluss vor, der mit Rekurs anzufechten ist. Das Gericht zweiter Instanz hatte somit als Rekursgericht die „Berufung" als Rekurs zu behandeln, was im Ergebnis auch geschehen ist.

Das Rekursgericht hat mit seiner Entscheidung inhaltlich den vom Erstgericht wahrgenommenen Zurückweisungsgrund bestätigt. Es liegt damit ein nach § 528 ZPO anzufechtender Beschluss des Rekursgerichtes, nicht aber ein Beschluss des Berufungsgerichtes, der nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO anfechtbar wäre, vor.

Ein bestätigender Beschluss des Rekursgerichtes ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht absolut unanfechtbar, wenn die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (vgl RIS-Justiz RS0023346 insb 2 Ob 214/99f; 7 Ob 268/98g; RS0116279; insb 8 Ob 232/04x).

Das Rekursgericht hat zwar zu Recht eine Bewertung des Entscheidungsgegenstandes unterlassen, weil der Entscheidungsgegenstand im früheren Verfahren und im Wiederaufnahmeverfahren identisch ist und daher auch die Rechtsmittelzulässigkeit in beiden Verfahren nach den gleichen Grundsätzen beurteilt werden muss (vgl 7 Ob 210/01k mwN). Dennoch wäre zufolge § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein Ausspruch darüber, ob der ordentliche Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO zulässig ist, angebracht gewesen. Weil aber hier ein Fall des § 505 Abs 4 iVm § 502 Abs 5 Z 2 ZPO vorliegt, wäre gemäß § 528 Abs 3 ZPO jedenfalls ein außerordentlicher Revisionsrekurs zulässig. Deshalb konnte eine Zurückstellung an das Rekursgericht zur Fassung eines neuen Zulässigkeitsausspruches unterbleiben. Der Oberste Gerichtshof wäre an einen solchen Ausspruch ohnedies nicht gebunden.

Es liegt aber kein Fall des § 528 Abs 1 ZPO vor. Eine Wiederaufnahme wegen neu aufgefundene Beweismittel kommt nämlich nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur dort in Frage, wo im Vorprozess eine bestimmte Tatsache zwar behauptet wurde, aber nicht bewiesen werden konnte. Nur in einem Fall, in dem es dem im Vorprozess Beklagten offenbar sinnlos erscheinen musste, sich in den Prozess einzulassen, weil er sich aus Mangel an verfügbaren Beweismitteln zu einer wirksamen Rechtsverteidigung nicht in der Lage sah, könnte es ihm gestattet sein, im Falle der späteren Auffindung von Beweismitteln diese als Wiederaufnahmsgrund geltend zu machen, auch wenn ihm die damit zu beweisenden Tatsachen schon zur Zeit des Vorprozesses bekannt waren (vgl RIS-Justiz RS0040999). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Dies vor allem deshalb nicht, weil die Wiederaufnahmsklägerin im Vorprozess ein Tatsachengeständnis abgelegt hat. In solchen Fällen sieht die ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung eine Wiederaufnahmsklage generell als unzulässig an. Sinn und Zweck eines solchen Rechtsbehelfes ist es, eine unrichtige Tatsachengrundlage des angefochtenen Urteiles zu beseitigen, nicht aber Fehler der Partei bei Führung des Vorprozesses zu korrigieren. Eine Wiederaufnahmsklage, die auf einen Wiederaufnahmsgrund gestützt wird, dessen Verwertung den vorherigen Widerruf eines vom Wiederaufnahmskläger selbst im Vorprozess abgelegten Tatsachengeständnisses voraussetzen würde, ist daher unzulässig (RIS-Justiz RS0039991).

In Übereinstimmung mit dazu vorliegender Rechtsprechung hat demnach das Rekursgericht die Klage mangels Vorliegens einer der gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe der §§ 529 bis 531 ZPO im Vorprüfungsverfahren nach § 538 Abs 1 ZPO zurückgewiesen; eine Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO stellt sich nicht.

Der Revisionsrekurs der Wiederaufnahmsklägerin erweist sich als unzulässig.

Ein Kostenzuspruch an die Beklagte scheitert daran, dass sie auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin nicht hingewiesen hat.

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