OGH 8Ob133/04y

OGH8Ob133/04y17.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, ***** vertreten durch Scherbaum/Seebacher, Rechtsanwälte GmbH in Graz, wider die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Dr. Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 32.112,96 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. September 2004, GZ 5 R 104/04k-55, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.629,18 (darin EUR 271,53 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Seit dem Jahr 1990 betreibt die beklagte Partei in einer von ihr gemieteten Eigentumswohnung eine Dialysestation. Die dafür erforderliche Wasseraufbereitungsanlage, darunter eine Enthärtungs- und eine Reversosmoseanlage, wurde in einem Schrankverbau ohne Bodenablauf in einem der beiden, für die Unterbringung der vier Hämo-Dialysegeräte, verwendeten Räume eingebaut. Die Reversosmoseanlage verfügte über ein integriertes Magnetventil, das bei ausgeschalteter Anlage geschlossen ist und sich während des Betriebs der Anlage öffnet. Von der Beklagten wurden Feuchtigkeitssensoren eingebaut, die mit einem zusätzlich in die Wasserzuleitung eingebauten Magnetventil in Verbindung stehen und bei Erkennen von Feuchtigkeit dieses schließen sollten. Die Wasseraufbereitungsanlage ist grundsätzlich permanent, also auch nachts und am Wochenende im Betrieb.

Im Jänner 1998 kam es zu einem Wasseraustritt bei der Wasseraufbereitungsanlage, weil einer der vorhandenen Wasserschläuche undicht geworden war. Damals schloss sich das in der Wasserzuleitung befindliche Magnetventil, nachdem die Sensoren das ausgetretene Wasser erkannt hatten. Dennoch war es zu einem sichtbaren Wassereintritt in das darunter liegende Lokal gekommen. Am 4. 6. 1998 wurde bei einer Routineinspektion bemerkt, dass das in der Wasserzuleitung installierte Magnetventil defekt war. Da es weder repariert noch ein neues beschafft werden konnte, wurde die Stelle mit einem Rohrteil überbrückt. In der Zeit zwischen Samstag Mittag 13. 6. 1998 und dem Morgen des 14. 6. 1998 löste sich bei der Reversosmoseanlage entweder aufgrund eines Materialfehlers oder eines Montagefehlers ein Hochdruckschlauch aus seiner Verbindung, worauf Wasser in erheblichem Ausmaß austrat. Im darunter liegenden Lokal entstand erheblicher Schaden. Nach dem Schadensfall wurden unterhalb der Enthärtungsanlage und der Reversosmoseanlage zwei miteinander verbundene Wannen aus Edelstahl, die über einen Ablauf im Bereich der Reversosmoseanlage verfügen, sowie ein weiteres Magnetventil, das mit insgesamt vier Feuchtigkeitssensoren verbunden ist, die sich am Boden neben den Dialysegeräten befinden, eingebaut.

Die Klägerin bezahlte aufgrund einer mit dem Wohnungseigentümer abgeschlossenen Gebäudeversicherung mit inkludierter Leitungswasserschadenversicherung für die Schäden am Mietobjekt ATS 68.736,96 sowie aufgrund einer, mit dem Pächter des unter der Dialysestation gelegenen Lokals abgeschlossenen, Betriebsversicherung ATS 373.146,83 (insgesamt daher EUR 32.112,96), deren Ersatz die Klägerin von der beklagten Partei begehrt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Urteil vom 30. 4. 2004 zur Gänze statt. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Berufungsgericht der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Berufungsgericht die Haftung der beklagten Partei nach § 1318 ABGB. Bei der klagsgegenständlichen Anlage sei das Risiko eines Wasseraustritts aufgrund von mehreren Verbindungen, die die einzige Schwachstelle einer solchen Anlage darstellen, jedenfalls höher gewesen, als bei einer bloßen Wasserleitung. Da überdies die in unmittelbarer Nähe zur Anlage befindlichen Geräte einen hohen Wert aufgewiesen hätten, sich die Anlage über einem Gewerbebetrieb befunden habe und ein Bodenablauf nicht vorhanden gewesen sei, müsse bei Überbrückung eines die Wasserzufuhr stoppenden Magnetventils von einem gefährlich verwahrten Wasser und somit der Haftung der beklagten Partei ausgegangen werden. Dies gelte umso mehr, als der beklagten Partei bereits seit dem Wasseraustritt im Jänner 1998 bekannt sein hätte müssen, dass eben keine derart sichere Anlage vorliege, die nicht durch weitere Maßnahmen abgesichert werden müsste.

Zur Anwendbarkeit des Art 12 der Allgemeinen Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschäden „AWB" (in dem eine wesentliche Einschränkung der Regresspflicht eines Wohnungsmieters des versicherten Wohngebäudes geregelt wird) verwies das Berufungsgericht darauf, dass der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt habe, dass das Wort „Wohnungsmieter" eine ausdehnende Interpretation ausschließe und nicht auch den Geschäftsraummieter umfasse.

Die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht begründete das Berufungsgericht im Wesentlichen damit, dass konkrete Feststellungen zur Höhe des zu ersetzenden Schadens erforderlich seien.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass zwar „Rechtsprechung zur Frage, wann gefährlich verwahrtes Wasser vorliegt, bestehe, die entschiedenen Sachverhalte aber mit dem vorliegenden im Hinblick auf die Besonderheiten der klagsgegenständlichen Anlage nicht unmittelbar vergleichbar seien".

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsabweisung, dessen Zurückweisung die klagende Partei in ihrer Rekursbeantwortung beantragt.

Zur Zulässigkeit ihres Rechtsmittels vertritt die beklagte Partei lediglich die Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung nicht der Judikatur entspreche, da nur für gefährlich verwahrtes Wasser gehaftet werde. Die Undichtheit der gegenständlichen Anlage sei ein außergewöhnliches Ereignis, mit dem man üblicherweise nicht habe rechnen müssen. Zutreffend habe das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, dass Entscheidungen zu einem vergleichbaren Fall fehlen. Da - soweit ersichtlich - erst eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der analogen Anwendung des § 12 AWB vorliege, seien auch insoweit die Voraussetzungen „für eine ordentliche Revision" gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 2 ZPO unzulässig, da keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 zu entscheiden ist.

Gemäß § 1318 ABGB haftet der Wohnungsinhaber für jeden Schaden, der dadurch entsteht, dass aus der Wohnung etwas hinausgeworfen oder hinausgegossen wird; unter diesem Begriff wird im Weg der erweiternden Auslegung auch das Ausfließen von Leitungswasser etwa aus einem nicht abgedrehten Ventil verstanden. Der Grund dieser Haftung liegt darin, dass der Wohnungsinhaber für die Ordnung im Haushalt verantwortlich ist und ihm auch faktisch die Möglichkeit entsprechender Einflussnahme offen steht. Haftbar ist demnach derjenige, dem die tatsächliche Verfügungsgewalt über den betreffenden Wohnraum zusteht (10 Ob 374/98t mwH). Nach herrschender Auffassung ist § 1318 ABGB unabhängig davon anzuwenden, ob die Wohnung privat oder geschäftlich genützt wird (Harrer in Schwimann ABGB² § 1318 Rz 4) und umfasst daher auch Geschäftsräume (Reischauer in Rummel³ § 1318 Rz 5; JBl 1989, 40). § 1318 ABGB setzt kein Verschulden des Wohnungsinhabers am eingetretenen Schaden voraus, es kommt lediglich darauf an, ob die Gefahr, aus der der Schaden später entstand, objektiv erkennbar war; das Fehlen subjektiver Vorwerfbarkeit auf Seiten des Rauminhabers ist nicht zu berücksichtigen (Reischauer in Rummel ABGB³ § 1318 Rz 9a und Rz 16; RIS-Justiz RS0029761; 10 Ob 374/98t; 10 Ob 360/99k = MietSlg 52.205). Bei einem Wasserschaden kommt es darauf an, ob Umstände vorliegen, als deren Folge der Eintritt eines Wasserschadens ohne weiteres verständlich erscheint, also Umstände, die eine Gefahr in diese Richtung bilden (10 Ob 374/98t; MietSlg 52.205). Da der Rauminhaber für fremdes Verschulden haftet, hat er unabhängig davon, ob auf seiner Seite auch ein Verschulden oder auch nur eine objektive Sorgfaltsverletzung vorliegt, für das Verschulden der mit seiner Zustimmung handelnden (unterlassenden) Personen einzustehen (Reischauer aaO Rz 15 mwH; 4 Ob 179/98x ua). Der Wohnungsinhaber ist nur dann nicht für den durch das aus seiner Wohnung fließende Wasser verursachten Schaden ersatzpflichtig, wenn er beweist, dass er alle objektiv erforderlichen Maßnahmen getroffen und die nach der Lebenserfahrung mit einer, dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entsprechenden Wahrscheinlichkeit berechenbaren Risken in zumutbarer Weise ausgeschaltet hat (JBl 1989, 40 mwN, MietSlg 47.148; MietSlg 52.205). Das Fehlen subjektiver Vorwerfbarkeit (= Verschulden im engeren Sinn) ist nicht zu berücksichtigen (Reischauer aaO Rz 16 mwH).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der von der Lehre gebilligten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Haftung für „gefährlich aufbewahrtes Wasser". Nach den Feststellungen befand sich die Wasseraufbereitungsanlage permanent in Betrieb; es kam im Jänner 1998 zu einem Wasseraustritt, der infolge der mit dem Magnetventil verbundenen Sensoren nicht erheblich war; in der Folge wurde das Magnetventil mit einem Rohrteil überbrückt, ohne weitere zumutbare Maßnahmen wie etwa das - nach dem Schadensfall tatsächlich erfolgte - Aufstellen von Wannen mit einem Ablauf vorzunehmen. In der Auffassung des Berufungsgerichts, dass die beklagte Partei vorliegend nicht alle objektiv erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Ausschaltung eines berechenbaren Risikos getroffen hat, kann daher entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin eine krasse Fehlbeurteilung, die ein Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erforderlich machen würde, nicht erblickt werden.

Dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0107773).

Ebensowenig begründet der Umstand, dass erst eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der analogen Anwendung des § 12 AWB vorliegt (7 Ob 34/99x), eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung. Eine ausführlich begründete, grundlegende und veröffentlichte Entscheidung, der keine gegenteilige Entscheidungen entgegenstehen, insbesondere dann, wenn sie auch im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist, reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung aus (Kodek in Rechberger ZPO² § 502 Rz 3 mwH). Die vorliegend vom Berufungsgericht herangezogene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 34/99x wurde mehrfach (VersR 2001, 1011; VR 2002/595; VersE 1834) veröffentlicht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

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