OGH 8ObS25/04s

OGH8ObS25/04s17.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Johann Ellersdorfer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ines G*****, vertreten durch Stampfer, Orgler & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei I*****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 8.704,90 netto Insolvenz-Ausfallgeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. September 2004, GZ 9 Rs 91/04z-24, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24. März 2004, GZ 11 Cgs 171/02w-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 624,06 (darin enthalten EUR 104,01 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin war ab 17. 8. 1987 bei einer GmbH angestellt, die in verschiedenen Filialen Bekleidung vertrieb. Die Klägerin war in einer Filiale dieser GmbH in Leoben beschäftigt, in der 20 Mitarbeiter tätig waren. Nicht nur die Buchhaltung und die Lohnverrechnung, sondern auch der Einkauf und die Preisgestaltung sowie die Personalleitung erfolgten jedoch zentral.

Über das Vermögen der GmbH wurde mit Beschluss vom 13. 6. 2000 das Konkursvermögen eröffnet. Im Juli wurden dann in eine andere GmbH 30 Filialen und das gesamte Warenlager sowie die Geschäftsausstattung der Gemeinschuldnerin eingebracht, nicht aber die Filiale in Leoben. Die GmbH mietete aber jene Standorte, die sie nicht übernahm und verpflichtete sich, allen Dienstnehmern der Gemeinschuldnerin ein Dienstverhältnis anzubieten, was jedoch hinsichtlich der Klägerin nicht erfolgte. Am 4. 7. 2000 war die Schließung des Unternehmens der Gemeinschuldnerin bewilligt worden. Hinsichtlich der Filiale Leoben erfolgte dies am 24. 7. 2000. Der Klägerin wurde eine Weiterarbeit nicht angeboten. Sie war bereits am 5. 7. 2000 gemäß § 25 KO ausgetreten. Dass sie zu diesem Zeitpunkt schwanger war und ihr voraussichtliche Geburtstermin der 27. 12. 2000 war, teilte sie der Arbeitgeberin auch mit. Tatsächlich erfolgte die Geburt dann am 9. 1. 2001.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld hinsichtlich der Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 22. 2. bis 30. 9. 2001 und der Urlaubsentschädigung im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass mit der Schließung der Filiale in Leoben am 24. 7. 2000 der besondere Kündigungsschutz der Klägerin entfallen sei.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Insolvenz-Ausfallgeld für die im Konkursverfahren auch anerkannten Konkursforderungen. Hinsichtlich des Urlaubsanspruches für 30 Werktage und die Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom 22. 2. 2001 bis 30. 9. 2001 stützt sie sich dazu auf den Kündigungsschutz nach § 10 Abs 1 MSchG. Da die Klägerin frühestens vier Monate nach der Entbindung habe rechtswirksam gekündigt werden können, hätte entsprechend den Bestimmungen des Angestelltengesetzes und des Kollektivvertrages die Kündigung frühestens per 10. 5. 2001 zum 30. 9. 2001 ausgesprochen werden können. Der Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes sei unternehmensbezogen zu sehen, sodass er allein durch die Stilllegung der Filiale in Leoben nicht wegfalle. Die Klägerin hätte jederzeit auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz in den Filialen in Bruck, Mur oder Graz beschäftigt werden können. Die einzelnen Filialen seien nur unselbständige Arbeitsstätten gewesen, sodass jedenfalls nur eine Betriebseinschränkung vorgelegen sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung und wendete zusammengefasst ein, dass gerade die Filiale in Leoben geschlossen sei und damit der Kündigungsschutz des § 10 MSchG im Hinblick auf die Betriebseinstellung weggefallen sei. Im Rahmen des Konkursverfahrens seien auch die Regelungen des § 3 Abs 1 AVRAG über den Betriebsübergang nicht anzuwenden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte im Wesentlichen ausgehend von dem einleitend dargestellten Sachverhalt, dass jedenfalls von einer Betriebseinschränkung auszugehen sei und eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin nicht bestanden habe, weshalb diese auch den Schutz des § 10 MSchG nicht genieße. Eine allfällige Verpflichtung der Unternehmenserwerberin könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin Folge und änderte die Entscheidung im klagsstattgebenden Sinne ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und folgerte im Wesentlichen rechtlich, dass die einzelnen Filialen der Gemeinschuldnerin kein Betrieb im Sinne des § 34 ArbVG seien, weshalb auch nicht von einer Betriebsstilllegung, sondern von einer Betriebseinschränkung auszugehen sei. Bei Betriebseinschränkungen bedürfe es jedoch vor einer Kündigung der Zustimmung des Gerichtes, die nur dann zu erteilen sei, wenn der Dienstgeber das Dienstverhältnis wegen einer Einschränkung oder Stilllegung des Betriebes oder der Stilllegung einzelner Betriebsabteilungen nicht ohne Schaden für den Betrieb aufrechterhalten könne oder sich die Arbeitnehmerin nach Rechtsbelehrung mit der Kündigung einverstanden erkläre.

Es könne daher dahingestellt bleiben, ob der Begriff der Betriebsstilllegung im Sinne des § 10 Abs 3 MSchG im Hinblick auf die in Umsetzung der Betriebsübergangsrichtlinie geschaffene Regelung des AVRAG für den Betriebsübergang dahin zu verstehen sei, dass eine Betriebsstilllegung nicht vorliege, wenn ein Betriebsübergang anzunehmen sei. Komme die Bestimmung des § 3 Abs 1 AVRAG über den Betriebsübergang doch wegen der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 AVRAG nicht zur Anwendung.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht jedoch insbesondere deshalb als zulässig, da sich die Frage der Richtlinienkonformität des § 3 Abs 2 AVRAG für den Fall, dass eine Liquidierung des Vermögens im Konkurs nicht eintrete, stelle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt primär, die Revision zurückzuweisen, da keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten sei; im Übrigen stellt sie den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig (vgl § 508a Abs 1 ZPO). Nach § 10 Abs 1 MSchG kann eine Dienstnehmerin während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf und vier Monate nach der Entbindung rechtswirksam nicht gekündigt werden, es sei denn, dass dem Dienstgeber die Schwangerschaft bzw die Entbindung nicht bekannt ist. Abs 3 des § 10 MSchG sieht dann abweichend davon vor, dass eine Kündigung rechtswirksam ausgesprochen werden kann, wenn vorher die Zustimmung des Gerichtes eingeholt wurde. Diese ist aber nur dann zu erteilen, wenn der Dienstgeber das Dienstverhältnis wegen einer Einschränkung oder Stilllegung des Betriebes oder der Stilllegung einzelner Betriebsabteilungen nicht ohne Schaden für den Betrieb weiter aufrechterhalten kann oder sich die Dienstnehmerin nach Rechtsbelehrung über den Kündigungsschutz mit der Kündigung einverstanden erklärt. Ferner sieht § 10 Abs 3 MSchG im letzten Satz vor, dass nach Stilllegung des Betriebes eine Zustimmung des Gerichtes zur Kündigung nicht mehr erforderlich ist.

In § 10 Abs 5 MSchG ist dann ferner noch vorgesehen, dass im Falle der Wiederaufnahme des Betriebes innerhalb des Zeitraumes bis zum 4. Monat nach der Entbindung die wegen der Betriebsstilllegung ausgesprochene Kündigung als rechtsunwirksam anzusehen ist, wenn dies die Dienstnehmerin innerhalb von zwei Monaten nach Wiederaufnahme der Tätigkeit des Betriebes beim Dienstgeber beantragt.

Die Frage, ob und wann nun eine dauernde Betriebseinstellung erfolgt ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalles entschieden werden (vgl dazu OGH 30. 4. 1997, 9 ObA 2309/96s = Arb 11.6000; RIS Justiz RS0051131) und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar. Die Beklagte führt auch keine allgemeinen Aspekte an, die in diesem Zusammenhang als erhebliche Rechtsfrage anzusehen wären und bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass hier nicht von einer Betriebsstilllegung, sondern nur von einer Betriebseinschränkung auszugehen sei, nicht weiter. Sie stützt sich vielmehr darauf, dass es dem Schadenersatzcharakter der Kündigungsentschädigung auch entsprechen würde, den fiktiven Verlauf des tatsächlich aufgelösten Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen und damit auch eine allfällige fiktive Zustimmung des Gerichtes zur Kündigung wegen Betriebseinschränkung. Darauf ist jedoch schon deshalb nicht näher einzugehen, da im erstinstanzlichen Verfahren ein Vorbringen dazu, dass hier die Zustimmung zu erteilen gewesen wäre, weil eine Weiterbeschäftigung der Dienstnehmerin ohne Schaden für den Betrieb nicht möglich gewesen wäre, gar nicht erstattet wurde.

Soweit sich die Beklage auf § 3 Abs 2 AVRAG beruft und darauf, dass der „gesamte" gemeinschuldnerische Betrieb per 24. 7. 2000 geschlossen worden sei, entfernt sie sich von den konkreten Feststellungen. Nach den Feststellungen wurde bloß die Filiale Leoben zum 24. 7. 2000 geschlossen, hingegen wurden die anderen Filialen ohne Betriebsstillstand weiter geführt. Ausgehend von den konkreten Feststellungen und dem erstinstanzlichen Vorbringen stellt sich die Frage, inwieweit der Ausschluss der Anwendbarkeit der Betriebsübergangsregeln im Konkurs nach § 3 Abs 2 AVRAG als „richtlinienwidrig" qualifiziert werden könnte (vgl in diesem Zusammenhang etwa Binder, AVRAG § 3 Rz 67 ff; OGH 16. 10. 2003, 8 ObS 7/03t uva), hier gar nicht.

Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und deren Zurückweisung beantragt hat, waren ihr die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen.

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