OGH 8ObS7/03t

OGH8ObS7/03t16.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Thomas Keppert und ADir. Reg. Rat. Winfried Kmenta als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1. Gerhard W*****, und 2.) Anton H*****, beide vertreten durch Stampfer Orgler & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen 1.) EUR 2.401,67 netto und 2.) EUR 3.591,35 netto an Insolvenzausfallgeld, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. März 2003, GZ 8 Rs 18/03h-16, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. Oktober 2002, GZ 37 Cgs 96/02x-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagenden Parteien waren seit 1997 bzw 1994 als Kfz-Mechaniker bei der späteren Gemeinschuldnerin beschäftigt. Diese betrieb an diesem Standort seit 1980 ein Autohaus und hatte die Gewerbeberechtigung sowohl für das Handelsgewerbe als auch das Kfz-Mechanikergewerbe. Lebensnerv des Unternehmens war der Händlervertrag hinsichtlich einer bestimmten Automarke. Angeschlossen waren auch eine Reparaturwerkstätte samt Lackiererei und Spenglerei, die sich allerdings überwiegend mit der Reparatur und dem Service von KFZ dieser Marke befasste und auch über das einschlägige Spezialwerkzeug verfügte.

Nachdem am 20. 3. 2001 das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet wurde, kam es Ende März dann zur Auflösung des Vertragshändlervertrages und mit Rechtswirksamkeit vom 31. 8. 2001 wurde das Unternehmen vom Konkursgericht geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt waren auch alle Reparaturaufträge erledigt und der Betrieb in der Werkstatt stillgelegt.

Um Einnahmen für die Masse zu sichern, hatte der Masseverwalter bereits am 14. 8. 2001 das Autohaus einschließlich des Inventars der Werkstätte sowie der Zufahrt vermietet, ohne dass jedoch eine Betriebspflicht bestand.

Die Kläger erklärten am 31. 8. 2001 gemäß § 25 KO ihren berechtigten vorzeitigen Austritt und leisteten dann vom 3. 9. 2001 bis 2. 5. 2002 ihren Präsenzdienst. Auf ihr Dienstverhältnis kam der Kollektivvertrag für Arbeiter im Metallgewerbe zur Anwendung.

Im September 2001 kam es dann zur Übergabe des Autohauses an den neuen Mieter einschließlich der funktionsbereiten Werkstätte. Zusätzlich hatte der neue Mieter auch gewisses Büroinventar gekauft. Das Ersatzteillager wurde im Wesentlichen an den früheren Auslieferer zurückgegeben bzw an andere Händler der Automarke verkauft. Die Spezialwerkzeuge wurden ebenfalls nicht vom neuen Mieter übernommen. Von den 22 Arbeitnehmern beschäftigte der neue Mieter an diesem Betriebsstandort keinen Mitarbeiter, an einem anderen Betriebsstandort nur einen Mitarbeiter weiter. Der neue Mieter begann dann das Betriebsgebäude zu adaptieren. Die Werkstätte stand leer. Erst Ende März 2002 eröffnete der neue Mieter eine neue Werkstätte jedoch mit einer anderen Automarke und einer anderen Kundschaft. Kundendateien wurden nicht übernommen, vielmehr wurde schon vom Masseverwalter und vom früheren Betriebsinhaber ein Rundschreiben versendet, in dem auf die Werkstätte des Sohnes des früheren Inhabers, der die gleiche Automarke betreut, verwiesen wurde. Dorthin bzw zu anderen einschlägigen Werkstätten dieser Automarke wanderten auch die Kunden der Gemeinschuldnerin ab.

Die noch vorhandenen Fahrzeuge wurden bis Ende des Jahres 2001 aus der Konkursmasse abverkauft. Die restlichen PKWs wurden zum Sohn des früheren Betriebsinhabers transferiert, der an einem anderen Ort seinen Kfz-Handel betreibt, an dem nunmehr auch der frühere Betriebsinhaber mitwirkt. Die jeweiligen Kfz-Werkstätten in der Umgebung sind vorwiegend auf ihre Marken spezialisiert.

Über Antrag der Kläger auf Insolvenz-Ausfallgeld wurde ihnen für ihre der Höhe nach unstrittige Kündigungsentschädigung zwar Insolvenz- Ausfallgeld für die Kündigungsentschädigung inklusive Sonderzahlungen für den Zeitraum vom 1. 9. bis 2. 9. 2001 zuerkannt, jedoch mit Bescheid der Beklagten vom 8. 4. 2002 der darüber hinausgehende Antrag auf Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom 3. 5. 2002 bis 30. 6. 2002 abgewiesen.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger nunmehr auch für diesen Zeitraum Kündigungsentschädigung zuzuerkennen, und zwar der Erstkläger in Höhe von EUR 2.401,67 und der Zweitkläger in Höhe von EUR 3.591,35. Sie stützen sich zusammengefasst darauf, dass sie ja nach dem Arbeitsplatzsicherungsgesetz einen Kündigungsschutz gehabt hätten und daher von Seiten des Masseverwalters frühestens die Kündigung nach Ablauf des Kündigungsschutzes nach dem Arbeitsplatzsicherungsgesetz ausgesprochen und zum 30. 6. 2002 hätte wirksam werden können. Ihnen gebühre daher für die Zeit nach Beendigung des Präsenzdienstes bis zu diesem Zeitpunkt Kündigungsentschädigung im geltend gemachten Ausmaß. Der Kündigungsschutz der Kläger bestehe deshalb weiter, da der Betrieb, in dem die Kläger beschäftigt gewesen seien, nicht eingestellt gewesen sei. Vielmehr sei das Unternehmen fortgeführt worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung und wendete zusammengefasst ein, dass den Klägern kein besonderer Kündigungsschutz zustehe und daher auch die Kündigungsentschädigung nicht mehr den Zeitraum nach Ablauf des Präsenzdienstes umfassen könne. Bis dahin ruhten aber ohnehin ihre Ansprüche nach § 4 APSG. Der Kündigungsschutz sei deshalb erloschen, da der Betrieb stillgelegt worden sei. Eine Übernahme des Betriebes habe nicht stattgefunden. Die Bestimmungen über die Betriebsübernahme gemäß § 3 Abs 1 AVRAG seien schon im Hinblick auf das anhängige Konkursverfahren nach § 3 Abs 2 AVRAG nicht anzuwenden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass den Klägern grundsätzlich der Schutz nach dem Arbeitsplatzsicherungsgesetz zukomme. Davon bestehe jedoch insoweit eine Ausnahme, als eine Kündigung dann wirksam sei, wenn der Betrieb bereits stillgelegt wurde und eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers in einem anderen Betriebsteil nicht möglich sei. Liege allerdings ein bloßer Betriebsinhaberwechsel vor, so sei seit dem Inkrafttreten des AVRAG nicht mehr von einer Betriebsstilllegung auszugehen, da ja der Betriebserwerber in das Arbeitsverhältnis eintrete. Der Autohandel sei jedoch zur Gänze zerschlagen worden, weshalb insoweit jedenfalls eine Betriebsstilllegung vorliege. Dies sei auch der "Lebensnerv" des Unternehmens gewesen. Da auch keine Arbeitskräfte übernommen worden seien und der Betrieb fast sieben Monate eingestellt gewesen sei und die Kunden auf andere Unternehmen hingewiesen worden seien, sei insgesamt das Vorliegen eines Betriebsüberganges zu verneinen. Die Weiterführung des Gebrauchtwagenhandels sei irrelevant, da der Kläger ja in der Reparaturwerkstatt beschäftigt gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es ging dabei im Wesentlichen rechtlich davon aus, dass die wesentlichen Kriterien einer Betriebsstilllegung erfüllt seien. Die Betriebseinstellung sei faktisch durchgeführt worden. Daran ändere auch nichts, dass noch bis Ende 2001 die vorhandenen Fahrzeuge abverkauft worden seien. Im Übrigen wäre auch bei einer Kündigung danach dem Kläger bis zur Beendigung des Präsenzdienstes kein Entgelt zugestanden. Die Behauptung des Klägers, dass die Möglichkeit bestanden hätte, ihn noch beim Autoverkauf zu beschäftigen, stehe auch mit seinem vorzeitigen Austritt in Widerspruch.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht unter Bezugnahme darauf, dass der Lösung "hier relevanten Rechtsfragen" eine weit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, als zulässig. Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der klagenden Parteien ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die klagende Partei releviert im Wesentlichen, dass es nicht zu einer Betriebseinstellung, sondern zu einem Betriebsübergang im Sinne des § 3 Abs 1 AVRAG gekommen sei, da der Mieter nicht nur die Betriebsräumlichkeiten gemietet, sondern ab März 2002 auch wieder das Autohaus eröffnet habe. Eine vorübergehende Stilllegung des Betriebes stehe der Annahme eines Betriebsüberganges nicht entgegen und der Oberste Gerichtshof habe bereits in seiner Entscheidung zu 8 ObA 2100/96 ausgesprochen, dass der Begriff der Betriebsstilllegung ua im Sinne des § 12 Abs 3 APSG durch die Bestimmungen des AVRAG eine Ergänzung dahingehend erfahren habe, dass eine Betriebsstilllegung nur dann vorliege, wenn auch kein Betriebsübergang gegeben sei. Dem stehe auch § 3 Abs 2 AVRAG nicht entgegen, da es zu keiner Auflösung des Vermögens gekommen sei. Entsprechend § 13 Abs 1 Z 3 APSG ende daher der Kündigungs- und Entlassungsschutz erst nach Beendigung des Präsenzdienstes. Unter Berücksichtigung der nach dem Kollektivvertrag vorgesehenen Kündigungsfrist von 9 Wochen zum Ende der Arbeitswoche sei der geltend gemachte Anspruch auf Kündigungsentschädigung berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 12 Abs 1 APSG dürfen Arbeitnehmer ua nach Zustellung des Einberufungsbefehles bis zum Ende des Präsenzdienstes nur nach den in folgenden vorgesehenen Voraussetzungen gekündigt oder entlassen werden. Dazu ordnet dann § 12 Abs 3 APSG an, dass grundsätzlich Kündigungen oder Entlassungen rechtswirksam sind, wenn vor ihrem Ausspruch die Zustimmung des Gerichtes eingeholt wurde - die näheren Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmungen enthalten dann die §§ 14 und 15 APSG - jedoch die Zustimmung nicht erforderlich ist, wenn der Betrieb stillgelegt wurde und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich ist.

Es trifft auch zu, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 13. 6. 1996 zu 8 ObA 2100/96y (= Arb 11.529 = SZ 69/141) ausgesprochen hat, dass der in § 12 Abs 3 APSG, aber auch in § 10 Abs 3 MSchG und § 121 Z 1 ArbVG verwendete Begriff der Betriebsstilllegung nunmehr durch das Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz und die darin vorgenommene Umsetzung der sogenannten Betriebsübergangsrichtlinie 77/187/EWG in der damaligen Fassung dahin zu verstehen ist, dass eine Betriebsstilllegung dann nicht vorliegt, wenn ein Betriebsübergang anzunehmen ist. Dazu ist hier auch darauf zu verweisen, dass nach Art 4 Abs 1 der Betriebsübergangsrichtlinie (nunmehr 2001/23/EG) der Übergang eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteiles als solcher gerade keinen Grund zur Kündigung durch den Veräußerer oder Erwerber darstellen darf (vgl RIS-Justiz RS0102122 und RIS-Justiz RS0108456 jeweils mwN insb SZ 70/171 und SZ 71/216). Dies kann aber nur dort gelten, wo die Regelungen über den Betriebsübergang im Sinne des § 3 ff AVRAG überhaupt zur Anwendung gelangen. Hier erfolgte die Vermietung und Veräußerung einiger Bürogegenstände jedoch im Rahmen des Konkursverfahrens. Dazu hält jedoch § 3 Abs 2 AVRAG fest, dass die Regelungen des § 3 Abs 1 AVRAG über den Betriebsübergang nicht im Falle des Konkurses des Veräußerers gelten. Bedenken hinsichtlich der Richtlinienkonformität dieser Bestimmung besteht jedenfalls vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles, in dem es um die Liquidierung des Vermögens des Gemeinschuldners ging, nicht. Ordnet doch Art 5 Abs 1 der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG nunmehr ausdrücklich an, dass die Regelungen über den Betriebsübergang nicht für Übergänge unter der Aufsicht einer zuständigen Stelle im Rahmen eines Konkursverfahrens mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers anzuwenden sind (vgl dazu auch allgemein Grillberger, Insolvenzrechtliche Probleme des Betriebsüberganges in Tomandl Betriebs-[Teil-]übergang im Arbeitsrecht, 58 f, allerdings zur vorangehenden Fassung der Richtlinie 77/187/EWG ; ebenso EuGH Rechtssachen Abels, RS135/83 Slg 1985, 469 und Dethier Rs C-319/94 Slg 1988 I-01061; grundlegend Rebhahn, Arbeitsrecht bei Betriebsübergang Eintrittspflicht bei Insolvenz und Haftungsfragen, JBl 1999, 621 ff uva). Kommen aber die Regelungen über den Betriebsübergang gar nicht zur Anwendung, so können sich die Kläger auch nicht darauf berufen, dass wegen eines Betriebsüberganges im Sinne des § 3 Abs 1 AVRAG bzw der Richtlinie keine Betriebseinstellung vorliegen würde.

Alleine die Voraussetzungen des § 12 Abs 3 APSG hinsichtlich der Betriebseinstellung sind aber als erfüllt anzusehen. Wurde doch spätestens mit am 30. 12. 2001 jeglicher Betrieb eingestellt und erfolgte nach dem 31. 8. 2001 überhaupt nur noch ein Abverkauf von einigen Gebrauchtwagen durch den Masseverwalter. Auch vor einem Betriebsinhaberwechsel, der sowohl nach § 10 MSchG als auch nach § 121 Z 1 ArbVG nicht als Betriebsstilllegung im Sinne dieser Bestimmungen gewertet wurde und damit auch vor der Übernahme der Bestimmungen der Betriebsübergangsrichtlinie keinen Kündigungsgrund darstellte, kann hier nicht gesprochen werden (vgl RIS-Justiz RS0050993 mwN). Der Betrieb wurde im Wesentlichen doch zur Gänze zerschlagen und nur die Betriebsräumlichkeiten samt dem nicht einschlägigen Werkstätteninventar vermietet. Nicht nur, dass der Betrieb über etwa 6 Monate zur Gänze stillgelegt wurde, kam es auch zu keiner Übernahme der Kunden, wesentlicher Arbeitnehmer oder der als wirtschaftlich wesentlich angesehenen Vertragshändlerbeziehung.

Insgesamt ist also die Ansicht der Vorinstanzen zutreffend, dass spätestens mit 31. 12. 2001 von einer Stilllegung des gesamten Betriebes und damit von einem Erlöschen des Kündigungsschutzes auszugehen war und daher kein weiterer Anspruch auf Kündigungsentschädigung zusteht (vgl dazu auch Liebeg, Insolvenzentsicherungsgesetz2, 124 insb FN 290 und 291 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Es war daher der Revision der Kläger nicht Folge zu geben.

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