OGH 7Ob2/05b

OGH7Ob2/05b26.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Meiqin Q*****, und 2. Kexin W*****, ebendort, beide als Wahleltern, sowie 3. Xiaonan Q*****, Volksrepublik China, als Wahlkind sämtliche vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, über deren außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. September 2004, GZ 45 R 508/04w-6, womit infolge Rekurses sämtlicher Antragsteller der Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 5. August 2004, GZ 42 P 132/04s-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Mit dem am 9. 7. 2004 beim Erstgericht eingebrachten Antrag begehrten die am 29. 3. 1966 geborene österreichische Staatsbürgerin Meiqin Q***** als Erstantragstellerin, deren am 26. 2. 1961 geborener Ehemann und chinesischer Staatsbürger Kexin W***** als Zweitantragsteller, beide in Österreich wohnhaft und als Wahleltern, sowie die am 19. 10. 1983 geborene chinesische Staatsbürgerin Xiaonan Q***** als Drittantragstellerin und Wahlkind, wohnhaft in China, die Bewilligung eines am 6. 7. 2004 abgeschlossenen Adoptionsvertrages. Das Wahlkind sei die leibliche Tochter eines Bruders der Wahlmutter, also deren Nichte. Zwischen sämtlichen Beteiligten habe seit der Geburt des Wahlkindes ein sehr inniges Verhältnis bestanden, weil es nach chinesischer Rechtslage im Zuge der Geburtenbegrenzungen verboten gewesen sei, mehr als ein Kind zu gebären und aufzuziehen, sodass das Wahlkind (als zweites und damit gleichsam ungesetzlich geborenes Kind ihrer Eltern) „offiziell" seitens der Schwester der leiblichen Mutter unterstützt und erzogen worden sei. Durch die gegenständliche Adoption solle diese innige Beziehung durch eine gesetzliche familienrechtliche Bande verstärkt werden. Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil nach Art II des Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetzes (FamErbRÄG) 2004 die Voraussetzungen für Adoptionssachen, die nach dem 30. 6. 2004 anhängig gemacht würden, nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und des Wahlkindes zu beurteilen seien. Da nach dem maßgeblichen Adoptionsgesetz der Volksrepublik (VR) China vom 29. 12. 1991 eine Adoption von eigenberechtigten Wahlkindern nicht vorgesehen sei, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs sämtlicher Antragsteller keine Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auch das Rekursgericht kam - unter Hinweis auf das in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil VR China - zum Ergebnis, dass seit 1990 (anders als vorher) lediglich Adoptionen minderjähriger Kinder (unter 14 Jahren) zulässig seien; eine Ausnahme bestehe nur (in ungewöhnlichen Härtefällen) für uU auch über 14-jährige, jedoch noch nicht 18-jährige (und damit volljährige) Kinder, weshalb das Erstgericht bereits aus diesen rechtlichen Gründen dem gegenständlichen Adoptionsvertrag die Bewilligung zutreffend versagt habe.

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses wurde damit begründet, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs sämtlicher Antragsteller mit dem Antrag, den bekämpften Beschluss im Sinne einer Stattgebung des Adoptionsvertrages abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Vorinstanzen das maßgebliche chinesische Adoptionsrecht nicht ausreichend verlässlich und vollständig erhoben haben, sodass die gegenständliche Adoptionssache derzeit weder im Sinne einer Abweisung noch einer Bewilligung entscheidungsreif ist. Der Rekurs ist daher im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt. Dies aus folgenden Überlegungen:

Gemäß dem mit 1. 7. 2004 in Kraft getretenen (Art IV § 2 Abs 1 FamErbRÄG 2004 BGBl I 2004/58) § 26 Abs 1 IPRG idF Art II leg cit sind "die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt ... nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen ...". Seither ist eine Erwachsenenadoption in Österreich dann nicht mehr möglich, wenn das anzuwendende fremde Recht eine solche nicht oder nur unter restriktiven Bedingungen vorsieht (zu den Erwägungen des Gesetzgebers s ausführlich RV 471 BlgNR 22. GP [zu § 26 IPRG]); wer also nach dem anzuwendenden fremden Recht nicht adoptiert werden kann, soll auch in Österreich nicht (mehr) adoptiert werden können; für Erwachsenenadoptionen ist nämlich nunmehr vorgesehen, dass neben dem Personalstatut der Wahleltern oder des annehmenden Wahlelternteiles kumulativ das Personalstatut des Wahlkindes maßgeblich ist (Verschraegen in Rummel, ABGB³ Rz 3 und 4 zu § 26 IPRG). Entscheidend ist daher - wie die Gerichte erster und zweiter Instanz grundsätzlich zutreffend erkannt haben -, ob das als Personalstatut des Wahlkindes maßgebliche Familienrecht der Volksrepublik China eine Erwachsenenadoption zulässt (so der Standpunkt der Rechtsmittelwerber) oder nicht (so beide Vorinstanzen).

Nach dem von den Vorinstanzen als maßgeblich erachteten Text in der von Bergmann/Ferid besorgten Loseblattsammlung zum Internationalen Ehe- und Kindschaftsrecht wird im Länderteil "China" dessen Adoptionsrecht in den Seiten 73 (allgemeine Abhandlung), 101 ff (Darstellung der normativen Grundlagen) und 129 ff (deutsche Übersetzung des Adoptionsgesetzes der VR China von 29. 12. 1991) dargestellt. Danach ließen lediglich die bis 1990 geltenden "Politnormen" ausnahmsweise auch die Adoption von Volljährigen zu (S 104 aaO). Demgemäß spricht das genannte, am 1. 4. 1992 in Kraft getretene (Senger, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht der VR China, 1. Teil [1994] 315) Adoptionsgesetz von 1991 an mehreren Stellen ausdrücklich nur (mehr) von der Adoption minderjähriger Kinder (zB Art 2, 4, 8 Abs 1, 25 Abs 1; ausführlich dargestellt auch in Senger, aaO 318 ff).

Nach einer von der Universität Göttingen in Deutschland herausgegebenen Sammlung kommentierter Übersetzungen aus dem Recht der Volksrepublik China, abrufbar unter deren ebenfalls von der genannten Universität betreuten Homepage www.jura-uni.goettingen.de/chinarecht , wurde dieses Adoptionsgesetz allerdings zwischenzeitlich vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses am 4. 11. 1998 neu verabschiedet. Danach wurde zwar grundsätzlich am Erfordernis der Adoption unter 14-jähriger Minderjähriger festgehalten (§ 4), jedoch in § 7 Abs 1 normiert, dass "wer das Kind eines blutmäßig bis zum 3. Grade Seitenverwandten gleicher Generation adoptiert, [ua] ... nicht der Beschränkung unterliegt, dass der Adoptierte noch nicht 14 Jahre alt sein darf."

Demnach können (zufolge Lockerung des vormaligen Adoptionsgesetzes 1991 sohin ohne die dort genannten Beschränkungen) seither auch über 14-jährige Personen adoptiert werden, wenn sie Stiefkind, Neffe oder Nichte des/der Adoptierenden sind (Anm 1 zum Adoptionsgesetz in der genannten Internet-Homepage). Darauf ist auch das Rechtsmittel gestützt und argumentiert, dass bei richtiger Auslegung der bezeichneten Bestimmung das Rekursgericht zum rechtlichen Ergebnis gelangen hätte müssen, dass vorliegendenfalls aufgrund der Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 7 leg cit das Alter des Wahlkindes keine Rolle spiele und daher die gegenständlichenfalls zur gerichtlichen Genehmigung anstehende Annahme an Kindesstatt der chinesischen Rechtslage nicht widerspreche.

Gemäß § 3 IPRG ist, soweit fremdes Recht maßgebend ist, dieses von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden; gemäß § 4 Abs 1 IPRG ist es von Amts wegen zu ermitteln, wobei zulässige Hilfsmittel hiefür auch die Mitwirkung der Beteiligten, Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Sachverständigengutachten sind. Die entsprechenden Kenntnisse muss sich der österreichische Richter sohin von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens selbst verschaffen (Verschraegen, aaO Rz 1 zu § 4 IPRG; Schwimann, Internationales Privatrecht³ 50; RIS-Justiz RS0045163, RS0040189); wie es sich diese notwendige Kenntnis des fremden Rechtes verschafft, liegt im Ermessen des Gerichtes (Verschraegen, aaO Rz 1 und 2).

Für den vorliegenden Fall ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:

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