Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als Kosten des weiteren Verfahrens zu behandeln.
Text
Begründung
Die Streitteile sind rumänische Staatsangehörige. Sie haben am 19. 5. 1998 in Rumänien geheiratet. Am 16. 2. 1999 zog die Klägerin zum Beklagten nach Österreich. Die beiden hatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in *****. Seit 3. 12. 2001 leben die Streitteile getrennt. Ihrer Ehe blieb kinderlos.
Mit der am 30. 1. 2002 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten ab 1. 12. 2001 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von EUR 434,- -. Der Beklagte beantragte die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht gab dem Unterhaltsbegehren statt; das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, wobei es zunächst aussprach, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, dann aber über Antrag des Beklagten (mit Beschluss vom 3. 3. 2004) die Anrufung des OGH zuließ. Letzteres wurde damit begründet, dass die Grenzen der Amtspflicht zur Ermittlung ausländischen Sachrechts (hier des rumänischen Rechts zum Ehegattenunterhalt) auszuloten seien.
Auf die von den Vorinstanzen festgestellten Unterhaltsbemessungsgrundlagen ist hier nicht weiter einzugehen. Für die Behandlung der Revision des Beklagten ist nur von Bedeutung, dass der streitgegenständliche Unterhaltsanspruch nach rumänischem Recht zu beurteilen ist. Die Vorinstanzen unterstellten jedoch, dass das rumänische Recht auch bei eingehendem Bemühen nicht in angemessener Frist ermittelt werden könne, und wendeten deshalb (bei der Lösung von Detailfragen) gemäß § 4 Abs 2 IPRG österreichisches Recht an. Dies, obwohl im Zeitpunkt der Entscheidung der zweiten Instanz der Unterhaltsanspruch der Klägerin in voller Höhe durch eine bis zur Rechtskraft der Entscheidung des gegenständlichen Unterhalts wirksame einstweilige Verfügung gesichert war. Das Erstgericht hatte sich zwar durch eigene Erkundigungen bemüht, das geltende rumänische Recht festzustellen, von einer formellen Anfrage beim rumänischen Justizministerium nach dem Europäischen Rechtsauskunftsübereinkommen BGBl 1971/417 aber Abstand genommen, nachdem ihm von der zuständigen Sachbearbeiterin im BM für Justiz mitgeteilt worden war, dass die Erledigung des Rechtshilfeersuchens mehrere Monate (nicht weniger als vier, möglicher Weise auch zwölf, realistischer Weise sechs Monate) in Anspruch nehmen werde. Diese Vorgangsweise deckte das Berufungsgericht aus folgenden Erwägungen:
Richtig sei, dass dann, wenn ein Rechtsfall nach ausländischem Recht zu beurteilen ist, das Gericht dieses Recht von Amts wegen zu erforschen und anzuwenden hat. Die Parteien hätten jedoch dem Gericht Mithilfe zu leisten. Das ausländische Recht sei dann so anzuwenden, wie es im betreffenden Ausland angewendet wird, also nach dem herrschenden ausländischen Gerichtsgebrauch unter subsidiärer Heranziehung der herrschenden ausländischen Lehre. Es hätten die im betreffenden Ausland geltenden Auslegungsregeln und allgemeinen Rechtsgrundsätze Anwendung zu finden. Der Text des ausländischen Gesetzes allein könne nur dann genügen, wenn er in jeder Hinsicht klar sei (vgl SZ 46/83 ua). Bemühe sich das Erstgericht nicht hinreichend um die Feststellung des ausländischen Rechtes, so liegt darin eine revisible Gesetzesverletzung, auf die schon bei gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge Bedacht zu nehmen wäre (vgl IPRE 1/7).
Zu beachten sei freilich, dass die Ermittlung des maßgeblichen fremden Rechtes nach § 4 Abs 2 IPRG in angemessener Frist zu erfolgen hat. Die Angemessenheit hänge von Dringlichkeit des Falles ab, werde also bei Unterhaltsprozessen verhältnismäßig kurz sein. Könne das fremde Recht "trotz eingehendem Bemühen" in angemessener Frist nicht ermittelt werden, so sei an Stelle des nicht feststellbaren fremden Sachrechtes das österreichische Sachrecht anzuwenden.
Angewendet auf den vorliegenden Sachverhalt bedeute dies, dass dem Erstgericht kein Verstoß gegen die amtswegige Pflicht zur Ermittlung fremden Rechts vorgeworfen werden könne.
Wie sich aus dem im Akt erliegenden Konvolut rumänischer Rechtsquellen ersehen lasse, habe sich das Erstgericht sehr eingehend mit der einschlägigen rumänischen Lehre und Rechtsprechung zu den hier relevanten Normen befasst. Es habe letztlich hinsichtlich der Höhe des Unterhaltsanspruchs auf die sogenannte Prozentwertmethode zurückgegriffen, wie sie sich in der österreichischen Unterhaltsjudikatur als Orientierungshilfe herausgebildet habe, was im Hinblick auf die dargelegte Rechtslage nicht beanstandet werden könne.
Nach ständiger Rechtsprechung des OGH habe das österreichische Gericht bei Widersprüchlichkeit, bei Fehlen einer in der ausländischen Rechtsprechung herrschenden Auffassung oder überhaupt bei Fehlen einer ausländischen Rechtsprechung selbstständig an die Auslegung des ausländischen Gesetzes zu schreiten (vgl IPRE 1/16, 91). Weitergehende Ermittlungen, insbesondere in Richtung eines Vorgehens nach dem Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht (BGBl 1971/417) hätten vom Erstgericht schon deshalb nicht gefordert werden können, weil sie nicht in angemessener Frist hätte erfolgen können (§ 4 Abs 2 IPRG). Gestatte aber das IPRG, an Stelle nicht in angemessener Frist feststellbarem fremden Sachrecht das österreichische Sachrecht anzuwenden (§ 4 Abs 2 IPRG), so müsse kraft Größenschlusses um so mehr gestattet sein, an Stelle der nicht in angemessener Frist feststellbaren rumänischen Rechtsprechung zur Höhe des Unterhaltsanspruchs subsidiär auf einschlägige österreichische Judikatur zurückzugreifen, zumal das Erstgericht zutreffend darauf verwiesen habe, dass die Lebensverhältnisse der in Österreich aufhältigen Parteien durch die hiesigen Wirtschafts- und Sozialverhältnisse geprägt würden.
Insgesamt liege daher weder ein Verfahrensmangel (eigener Art) noch eine sekundärer, auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhender Feststellungsmangel vor.
Nach Artikel 86 des rumänischen Familiengesetzbuchs bestehe zwischen Mann und Frau eine Unterhaltspflicht, wobei nur diejenigen Anspruch auf Unterhalt haben, die bedürftig sind und infolge von Arbeitsunfähigkeit keine Möglichkeit eines Erwerbes durch Arbeit haben. Die Bedürftigkeit der Antragstellerin liege vor, weil ihre Pension lediglich EUR 50,-- betrage und sie seit 3. 12. 2001 nicht mehr ihren unangemeldeten Beschäftigungen nachgegangen sei. Die Antragstellerin sei 55 Jahre alt und habe das Pensionsalter erreicht, wobei sie unbeschadet des Umstandes, dass sie eine Alterspension bezieht, schon deshalb nicht mehr auf ein aktives Erwerbseinkommen angespannt werden könnte, weil sie sich jedenfalls "an der Grenze zum Pensionsalter" befinde, sodass nach einhelliger Judikatur eine Anspannung auf ein fiktives Erwerbseinkommen nicht mehr in Betracht komme (vgl EFSlg 67.980 ua). Außerdem stehe fest, dass die Klägerin vor ihrer Pension eine Invaliditätsrente wegen Verlustes der Arbeitsfähigkeit bezogen habe. Auch wenn man sie 1997 noch im eingeschränkten Umfang als arbeitsfähig angesehen habe, sei ihr unter Berücksichtigung der Verhältnisse am Arbeitsmarkt bei ihrem Alter eine Arbeitsaufnahme nicht mehr zumutbar. Es liege daher insgesamt Arbeitsunfähigkeit vor, zumal sie über keine Arbeitsbewilligung für eine Erwerbstätigkeit in Österreich verfüge.
Wenn ein Ehegatte berechtigterweise aus der ehelichen Wohnung auszieht, behalte er (auch nach rumänischem Recht) seinen Unterhaltsanspruch (vgl Jayme/Munteanu, Rumänisches Familienrecht, 51). Die Klägerin sei nach heftigen Auseinandersetzungen und einer ihr vom Beklagten zugefügten Körperverletzung, sohin berechtigterweise, aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Damit stehe ihr dem Grunde nach ein Unterhaltsanspruch zu.
Der Umfang der Unterhaltspflicht während aufrechter Ehe richte sich gemäß Artikel 94 des rumänischen FGB nach den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten und nach den Mitteln des Unterhaltspflichtigen. Da die Klägerin in Österreich lebe und der Beklagte sein Einkommen in Österreich erziele, sei es durchaus sachgerecht und im Hinblick auf die Grenzen der amtswegigen Ermittlungspflicht (§§ 3, 4 IPRG) auch durchaus zulässig, die in der österreichischen Judikatur entwickelte sogenannte Prozentwertmethode als Orientierungshilfe heranzuziehen. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterhaltsanspruch finde in diesen Bemessungsgrundsätzen Deckung, auch wenn man auf Grund ihres vernachlässigbar geringen Einkommens den Unterhalt ausgehend von 33 % des Einkommens des Beklagten und nicht von 40 % des Familieneinkommens bemessen würde (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht, Rz 643/9).
Soweit der Beklagte das Fehlen "möglicher" Feststellungen zum Eigeneinkommen der Klägerin rügte, liege kein "sekundärer" Feststellungsmangel vor, weil ohnehin feststehe, dass die Klägerin mangels Arbeitsbewilligung unangemeldet Arbeiten im Bereich des Haushalts und der Kinderbetreuung verrichtet habe, solange sie mit dem Beklagten noch im gemeinsamen Haushalt lebte, und daraus ein Einkommen bezog. Mit Auszug aus der Ehewohnung (3. 12. 2001) seien diese Tätigkeiten aber beendet worden; seither lebe die Klägerin im Frauenhaus und werde allein von der Sozialhilfe unterstützt (vgl zur Frage der Anrechnung von Sozialhilfeleistungen Schwimann in Schwimann2, Rz 54 zu § 94 mwN). Hinzuzufügen sei, dass allfällige Änderungen des Sachverhaltes, die sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz in den Lebens- und Einkommensverhältnissen der Klägerin ergeben haben mögen, keine Berücksichtigung finden konnten; dem Beklagten bleibe es unbenommen, die Abänderung des Unterhaltstitels im Hinblick auf ein allfälliges relevantes Eigeneinkommen der Klägerin zu begehren.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes hat der Beklagte Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben. Er beantragt primär die Abänderung der angefochtenen Entscheidung in eine vollinhaltliche Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise hat er einen Aufhebungsantrag gestellt.
Von der Klägerin liegt dazu eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag vor, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angegebenen Grund zulässig; sie ist im Sinn ihres Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.
Der Kläger bekämpft vor allem die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Ermittlung des anzuwendenden rumänischen Unterhaltsrechts wäre nicht in angemessener Frist möglich gewesen. Da der Unterhaltsanspruch der Klägerin ohnehin durch eine rechtskräftige einstweilige Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO in voller Höhe gesichert sei, stehe ausreichend Zeit zur Verfügung, um mit den im Europäischen Rechtsauskunftsübereinkommen vorgesehenen Mitteln das rumänische Recht zu erforschen und eine diesem Recht entsprechende Entscheidung zu treffen. In der Sache selbst führte der Kläger (unter Bezugnahme auf die dem Erstgericht zur Verfügung gestellte Literatur zum rumänischen Familienrecht) im Wesentlichen aus, dass nach Art 86 des rumänischen FGB nur derjenige Ehegatte Anspruch auf Unterhalt habe, der sich wegen einer physischen, von einem Arzt zu attestierenden Arbeitsunfähigkeit in einer Notlage befinde. Außerdem sehe das rumänische Unterhaltsrecht bestimmte (von der österreichischen Rechtspraxis abweichende) Belastbarkeitsgrenzen für den Unterhaltspflichtigen vor. Eine Prozentsatzmethode für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs sei dem rumänischen Recht fremd.
Dazu wurde erwogen:
Schon das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass ein dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellender Verfahrensmangel besonderer Art vorliegt, wenn unzureichende Bemühungen zur Ermittlung des fremden Rechts gesetzt wurden (vgl RIS-Justiz RS0116580). Die fehlerhafte Einschätzung, die Ermittlung werde unangemessen viel Zeit in Anspruch nehmen, kann daher auch noch in dritter Instanz mit Rechtsrüge geltend gemacht werden.
Die Angemessenheit der Frist, die für die Ermittlung des anzuwendenden fremden Rechts zur Verfügung steht, hängt vom jeweils zu gewährenden Rechtsschutz ab. Sie richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; in nicht dringlichen Fällen darf jedoch die Frist nicht zu knapp bemessen werden, weil jede Gerichtsentscheidung größtmögliche Richtigkeitsgewähr bieten soll (vgl 7 Ob 14/98d; 1 Ob 16/01m = ÖBA 2002/1022). Darum wird von der durch § 4 Abs 2 IPRG eröffneten Möglichkeit, an Stelle des schwer zu ermittelnden fremden Rechts österreichisches Recht anzuwenden, vor allem im Provisorialverfahren Gebrauch gemacht (vgl 2 Ob 11/98a; 1 Ob 16/01m; 4 Ob 67/03m = WBl 2003/338). Nur eine diesen Fällen vergleichbare Dringlichkeit erlaubt es, nicht alle Möglichkeiten zur Ermittlung des fremden Rechts auszuschöpfen, auch wenn dies - wie bei Auskünften nach dem Europäischen Übereinkommen vom 7. 6. 1968 BGBl 1971/417 idF BGBl 1973/142 durchaus üblich - mehrere Monate in Anspruch nimmt.
Nun trifft es wohl zu, dass die Entscheidung über Unterhaltsansprüche besonders dringlich ist. Im konkreten Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsanspruch der Klägerin für die Dauer des gegenständlichen Verfahrens ohnehin in voller Höhe gesichert ist. Um das anzuwendende Recht und demnach die richtige Entscheidung zu finden, können daher ohne Weiteres mehrmonatige Ermittlungen in Kauf genommen werden. Dass der Rechtsverkehr mit rumänischen Behörden besondere Schwierigkeiten und außergewöhnliche Verzögerungen befürchten lässt, ist keineswegs indiziert (vgl 7 Ob 14/98d). In Wahrnehmung des den Vorinstanzen unterlaufenen Verfahrensmangels war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.
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