OGH 6Ob260/04k (6Ob262/04d)

OGH6Ob260/04k (6Ob262/04d)25.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wr. Neustadt zu FN ***** eingetragenen R***** AG mit dem Sitz in W***** N*****, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 14. September 2004, GZ 4 R 180/04a-55 und 4 R 182/04w-57, womit die Rekurse der Gesellschaft gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 3. Juni 2004, GZ 1 Fr 1544/99f-42, und vom 16. Juni 2004, GZ 1 Fr 1544/99f-48, zurückgewiesen wurden, den Beschluss

gefasst:

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

 

Spruch:

"1. Die Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluss bzw den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs konnte, soweit sich daraus ergibt, dass jeder die Möglichkeit hat, den Jahresabschluss und den Lagebericht der von ihr erfassten Gesellschaftsformen einzusehen, ohne ein schutzbedürftiges Recht oder Interesse belegen zu müssen, wirksam auf der Grundlage des Art 54 Abs 3 Buchstabe g des Vertrages (nach Änderung jetzt Art 44 Abs 2 Buchstabe g EG) erlassen werden.

2. Die Prüfung der ersten beiden Fragen in der Rechtssache C-435/02 sowie der zweiten und der dritten Frage in der Rechtssache C-103/03 am Maßstab der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der freien Berufsausübung und der Freiheit der Meinungsäußerung hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 90/605 beeinträchtigen könnte.

3. Die Prüfung der dritten Frage in der Rechtssache C-435/02 und der vierten Frage in der Rechtssache C-103/03 am Maßstab des Grundsatzes der Gleichbehandlung hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 90/605 beeinträchtigen könnte."

Mit diesem Beschluss des EuGH ist auch die Grundlage der Unterbrechung des beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften aufgrund einer Klage gemäß Art 288 Abs 2 EG anhängigen Verfahrens T-47/02 weggefallen, in dem ebenfalls die Nichtigkeit der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien geltend gemacht wird. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass auf eine solche Klage § 90a GOG schon deshalb nicht anwendbar ist, weil sie nicht zu einer Vorabentscheidung des EuGH über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts führt. Selbst die analoge Heranziehung des § 190 Abs 1 ZPO würde kein Recht einer Partei auf Verfahrensunterbrechung begründen, dessen Missachtung angefochten werden könnte (6 Ob 209/02g ua).

Infolge der absoluten Unzulässigkeit der Revisionsrekurse gegen die Ablehnung der beantragten Unterbrechung des Verfahrens zur Erzwingung der Offenlegung kann die Frage der Rekurslegitimation der Gesellschaft im Verfahren zur Verhängung von Zwangsstrafen gegen ihre Vorstandsmitglieder dahingestellt bleiben.

Die jedenfalls unzulässigen Revisionsrekurse waren zurückzuweisen.

Text

Begründung

Mit den angefochtenen Beschlüssen wies das Gericht zweiter Instanz Rekurse der Gesellschaft mangels deren Rekurslegitimation gegen Beschlüsse des Erstgerichts zurück, mit denen dieses Anträge der Gesellschaft auf Unterbrechung des gegen Vorstandsmitglieder zur Erzwingung der Offenlegung des Jahresabschlusses zum 28. 2. 1998 anhängigen Zwangsstrafenverfahrens abgewiesen hatte. Es sprach jeweils aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Rekurs sei aber auch inhaltlich unbegründet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse der Gesellschaft sind ungeachtet dieses Ausspruchs jedenfalls unzulässig.

Ein Beschluss, mit dem im Firmenbuchverfahren ein Unterbrechungsantrag abgewiesen oder zurückgewiesen wird, ist gemäß § 19 Abs 3 FBG unanfechtbar, wie dies gemäß § 192 Abs 1 ZPO grundsätzlich auch im Zivilprozess gilt (RIS-Justiz RS0106006), es sei denn, es wird eine im Gesetz zwingend vorgeschriebene Unterbrechung verweigert (6 Ob 306/00v). Die Verfahren über die Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Essen und des Landgerichts Hagen vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), derentwegen das Zwangsstrafenverfahren unterbrochen werden soll, sind beendet. In den verbundenen Rechtssachen C-435/02 und C-103/03 betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art 234 EG eingereicht vom Landgericht Essen und vom Landgericht Hagen mit Beschlüssen vom 25. 11. 2002 und 11. 2. 2003 in den Verfahren Axel Springer AG gegen Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co Essen KG (C-435/02 ) und Axel Springer AG gegen Hans-Jürgen Weske (C-103/03 ), hat der EuGH mit Beschluss vom 23. 9. 2004 für Recht erkannt:

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