OGH 5Ob152/04w

OGH5Ob152/04w9.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Russische Föderation, vertreten durch den Botschafter der Russischen Föderation in der Republik Österreich, Dr. Alexander G*****, dieser vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 136 Abs 1 GBG über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. März 2004, GZ 47 R 104/04y, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. Jänner 2004, TZ 12277/03 bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die "Ergänzung des Revisionsrekurses" wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaften EZ *****, ***** und ***** jeweils Grundbuch ***** mit den Grundstücksadressen ***** bzw *****, ist die "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken".

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt die Antragstellerin die Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 136 Abs 1 GBG dahin, dass bei den bezeichneten Liegenschaften anstelle der "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" als Liegenschaftseigentümerin die "Russische Föderation" einzutragen sei. Als anspruchsbegründend wurde dazu vorgebracht:

Mit Vereinbarung der Regierung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik und der Österreichischen Bundesregierung zur Regelung der Frage der beiderseitigen Botschaftsgebäude vom 28. 7. 1923 und 16. 7. 1927 sei vereinbart worden, dass die bezeichneten Liegenschaften im Eigentum der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik verblieben. Aufgrund dieses Übereinkommens sei im Grundbuch für die bezeichneten Liegenschaften das Eigentumsrecht für die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken eingetragen worden. Nach Auflösung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken am 8. 12. 1991 sei mit Notenwechsel über die vertragliche Beziehung zwischen Österreich und der Russischen Föderation vereinbart worden, dass die genannten Abkommen vom 28. 7. 1923 und 16. 7. 1927 über die beiderseitigen Botschaftsgebäude, so auch die verfahrensgegenständlichen Liegenschaften weiterhin in Geltung stehen sollten, wobei in den genannten Verträgen die Bezeichnungen "Union der Sozialistischen Sowjetrepublik" und "UdSSR" bzw "sowjetisch" als "Russische Föderation" bzw "russisch" zu lesen seien. Dieser Notenwechsel sei vom Österreichischen Nationalrat ratifiziert worden und am 9. 3. 1994 mit BGBl Nr 257/1994 in Kraft getreten.

Die genannten Liegenschaften seien aufgrund der bezeichneten Verträge und des bezeichneten Gesetzes Eigentum der Russischen Föderation, sodass eine Berichtigung auf den nunmehrigen Eigentümer "Russische Föderation" vorzunehmen sei.

Diesem Berichtigungsantrag, der vom Botschafter der Russischen Föderation in der Republik Österreich ohne Beglaubigung aber mit dem Amtssiegel versehen eingebracht wurde, waren keinerlei Urkunden angeschlossen.

Das Erstgericht wies den Berichtigungsantrag ab. Zwar sei die Eintragung des derzeitigen Eigentümers offenkundig unrichtig im Sinn des § 136 Abs 1 GBG, weil die "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" am 8. 12. 1991 aufgelöst worden sei. Sie sei als Liegenschaftseigentümerin aufgrund eines bilateralen Übereinkommens zwischen der Republik Österreich und der UdSSR vom 28. 7. 1923 und 16. 7. 1927 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen worden. Dennoch könne aufgrund des vom Österreichischen Nationalrat ratifizierten Notenwechsels zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation, in Kraft getreten mit BGBl Nr 257/1994 am 9. 3. 1994, die begehrte Berichtigung nicht vorgenommen werden. Das Grundbuchsgericht hege nämlich Zweifel im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG, ob die Russische Föderation tatsächlich berechtigt sei, über den Gegenstand der Eintragung allein zu verfügen. Unzweifelhaft sei die UdSSR nicht ausschließlich in die Russische Föderation zerfallen. Das Grundbuchsgericht vermisse in diesem Zusammenhang die Zustimmung (Verträge oder Übereinkommen) mit anderen partiellen Sukzessoren der UdSSR, deren Ansprüche nicht wirklich auszuschließen seien.

Das habe zur Abweisung des Grundbuchsgesuches zu führen.

Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Eine Berichtigung gemäß § 136 Abs 1 GBG komme nur dann in Betracht, wenn eine mangelnde Übereinstimmung des Grundbuchs mit der wirklichen Rechtslage bestehe, weil nachträglich außerbücherlich eine Rechtsänderung eingetreten sei, die grundbücherlich noch nicht durchgeführt worden sei. In einem solchen Fall habe die begehrte Eintragung also nur deklarative Bedeutung. Anstelle der sonst geforderten urkundlichen Unterlagen trete im Fall des § 136 GBG der Nachweis der Unrichtigkeit der grundbücherlichen Eintragung. Dieser Nachweis sei dann erbracht, wenn die Unrichtigkeit offenkundig oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen sei. Eine solche offenkundige Unrichtigkeit sei auch dann gegeben, wenn sich der Rechtsübergang unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Nun sei zwar offenkundig, dass die Einverleibung der UdSSR als Eigentümerin der bezeichneten Liegenschaften die Sach- und Rechtslage nicht richtig wiedergebe, weil die UdSSR als Völkerrechtssubjekt und damit als Träger von privaten Rechten und Pflichten nicht mehr bestehe.

Die Antragstellerin stütze sich auf den außerbücherlichen Erwerbstitel durch einen Rechtssetzungsakt, nämlich einen völkerrechtlichen Staatsvertrag im Gesetzesrang, konkret BGBl Nr 257/1994. Zunächst wäre zu prüfen, ob die von der Antragstellerin herangezogene Norm bloß einen (gesetzlichen) Erwerbstitel zugunsten der Russischen Föderation geschaffen habe oder dadurch bereits ein außerbücherlicher, die Eintragung als Modus ersetzender Rechtsübergang stattgefunden habe, der Grundlage für eine anschließende Berichtigung im Sinn des § 136 GBG darstelle. Nach Ansicht des Rekursgerichtes könne jedoch die Klärung dieser Frage unterbleiben, weil die bloße Weitergeltung der Vereinbarungen zwischen der UdSSR und der Republik Österreich auch für die Russische Föderation und die Republik Österreich schon vom Wortlaut her keine Erwerbsgrundlage darstellen könne. Aus dem öffentlichen Grundbuch sei auch nicht zu ersehen, dass seinerzeit das Übereinkommen vom 28. 7. 1923 als Eintragungsgrundlage für das Eigentumsrecht der UdSSR gedient habe. Im B-Blatt der Liegenschaften der EZ ***** und ***** des Grundbuches ***** sei mit Stand 15. 7. 1927 die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als Eigentümerin eingetragen, wobei es sich offenbar um die Rekonstruktion des beim Brand des Justizpalastes zerstörten Grundbuchs handle. Es stehe nicht zweifelsfrei fest, dass das seinerzeitige Übereinkommen, auf dessen Weitergeltung sich die Antragstellerin nun berufe, tatsächlich Grundlage für die Eigentumseinverleibung der UdSSR gewesen sei. Dem bezeichneten Abkommen vom 28. 7. 1923 sei auch nur zu entnehmen, dass die österreichische Regierung der Regierung der RSFSR das hiesige russische Botschaftsgebäude in der *****... "zur Verfügung stellt". Damit werde nach Ansicht des Rekursgerichtes nur die Verpflichtung Österreichs normiert, die bezeichneten Gebäude als Botschaft zur Verfügung zu stellen. Durch den Notenwechsel aus dem Jahr 1993 bestehe diese Pflicht der Republik Österreich offenbar auch der Russischen Föderation gegenüber. Das bedeute aber allenfalls eine völkerrechtliche Verpflichtung der Überlassung des Gebäudes als Botschaft, betreffe aber nach dem Wortlaut nicht Fragen des privatrechtlichen Eigentumsübergangs.

Die genannten Vereinbarungen stellten daher nach Ansicht des Rekursgerichtes weder einen ausreichenden Titel noch Modus für einen außerbücherlichen Eigentumserwerb der Antragstellerin im Jahr 1993 dar.

Zu prüfen sei daher weiters, ob ein anderer Anwendungsfall des § 136 GBG vorliege. Nach der Rechtsprechung werde auch ein außerbücherlicher Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge, etwa auf gesellschaftsrechtlichem Gebiet nach § 136 GBG behandelt. Im vorliegenden Fall müsste daher geprüft werden, ob zweifelsfrei durch den Untergang der UdSSR als Völkerrechts- und damit Privatrechtssubjekt eine Staatennachfolge in Form einer Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge stattgefunden habe.

Die Frage, ob die Rechtsnachfolge nach dem Zerfall der UdSSR zu einer separatio oder aber zu einer dismembratio geführt habe, sei in der Völkerrechtswissenschaft nicht eindeutig geklärt. Die unterschiedlichen Positionen über die Staatensukzession im Fall der UdSSR rechtfertigten jedenfalls nach Ansicht des Rekursgerichtes das Vorliegen begründeter Bedenken des Grundbuchsorgans im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG. Im Grundbuchsverfahren seien aber zeitaufwendige Versuche, fremdes Recht festzustellen, nicht angebracht, weil allein aufgrund der vorgelegten Urkunden zu entscheiden sei. Der Oberste Gerichtshof habe auch bereits anlässlich der Beurteilung der Zulässigkeit einer Antragstellung eines jugoslawischen Konsuls nach Zerfall der Föderativen Republik Jugoslawien ausdrücklich ausgesprochen, dass es fraglich sei, wer bei einer aus völkerrechtlicher Sicht anzunehmenden Auflösung im Weg der Staatennachfolge Eigentümer einer Liegenschaft sei, sodass auch das anzuwendende Recht erst aufgrund diffiziler Nachforschungen ermittelt werden könne (5 Ob 106/92). Auch im vorliegenden Fall erfordere die Lösung der Frage der Rechtsnachfolge der UdSSR umfangreiche Nachforschungen, die im Rahmen des Grundbuchsverfahrens nicht angebracht seien. Letztlich sei auch erwähnt, dass nach Ansicht des österreichischen Außenministeriums - unvorgreiflich der Rechtsprechung - die Russische Föderation nicht als alleiniger Rechtsnachfolger in das Vermögen der ehemaligen UdSSR zu betrachten sei. Das Außenministerium teile die Auffassung der GUS-Staaten, die bei ihrem Gipfeltreffen in Kiew am 20. 3. 1992 den Beschluss gefasst hätten, Rechtsnachfolger in die Rechte und Pflichten der UdSSR zu sein (wobei allerdings die Russische Föderation einen Vorbehalt gegen die gleichberechtigte Nachfolge aller Nachfolgestaaten in das Staatsvermögen erhoben habe). Nach Auffassung des österreichischen Außenministeriums bedürfe es nach völkerrechtlichen Grundsätzen zur Aufteilung des Vermögens der ehemaligen UdSSR jedenfalls einer einvernehmlichen Regelung seitens ihrer Gebietsnachfolger. Eine solche Regelung sei nach wie vor nicht erfolgt (vgl dazu Erlass des BMfJ EZ 20089/8-I.10/2003 vom 3. 7. 2003).

Die Antragstellerin habe nun eine vertragliche Einigung im aufgezeigten Sinn weder behauptet noch nachgewiesen.

Eine Berichtigung des Grundbuchs im Sinn des Antrags der Russischen Föderation sei nicht möglich, weil nicht mit Sicherheit auszuschließen sei, dass die Russische Föderation (nicht) alleiniger Rechtsnachfolger der UdSSR sei.

Letztlich führte das Rekursgericht noch aus, dass auch die Einschreitervollmacht des Vertreters der Antragstellerin, des Botschafters, nicht zweifelsfrei geklärt sei. Zwar sei ein Missionschef Organ des Entsendestaats, somit einer juristischen Person. An sich bedürfe er daher einer Vollmacht nicht (vgl Dittrich/Angst/Auer GBG4 E 21 zu § 77 GBG). Wenn auch Art 3 der Wiener Diplomatenkonvention (WOK) regle, dass die Mission den Entsendestaat "vertrete", so sei damit doch lediglich die völkerrechtliche Vertretung des Entsendestaats gemeint, nicht aber auch eine umfassende privatrechtliche Ermächtigung, etwa zur Abgabe von Grundbuchsgesuchen. Nach österreichischem Recht sei die privatrechtliche Vertretungsbefugnis auch in organisationsrechtlichen Vorschriften enthalten und nicht mit der völkerrechtlichen Vertretungsbefugnis ident. Auch die Erforschung der organisationsrechtlichen Bedürfnisse (richtig: Befugnisse) des russischen Botschafters erfordere einen im Grundbuchsverfahren ebenfalls nicht angebrachten erheblichen Aufwand durch Feststellung fremden Rechts.

Zu Recht habe daher das Erstgericht den Berichtigungsantrag abgewiesen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung zulässig sei, weil noch keine gefestigte höchstgerichtliche Judikatur zu Fragen der Rechtsnachfolge von Staaten und deren privatrechtliche, insbesondere grundbuchsrechtliche Folgen vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, der aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig ist.

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin, mit dem eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung iS einer Berichtigung des verfahrenseinleitenden Berichtigungsantrags begehrt wird, releviert, dass aus drei Gründen unrichtige rechtliche Beurteilung der rekursgerichtlichen Entscheidung vorliege:

Zunächst sei die Vertretungsmacht des Botschafters der Antragstellerin unrichtig beurteilt worden. Einschlägig sei das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. 4. 1961 (BGBl 66/1966), in dessen Art 3 es heiße: "Aufgabe einer diplomatischen Mission ist es unter anderem a) den Entsendestaat im Empfangsstaat zu vertreten, b) die Interessen des Entsendestaates innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen zu schützen". Die Interessen des Entsendestaates, also der Antragstellerin, umfassten auch Grundbuchsanträge auf bloße Berichtigung der Bezeichnung des Eigentümers. Selbst Anträge auf Übertragung des grundbücherlichen Eigentums zugunsten der Antragstellerin wären von den Aufgaben einer diplomatischen Mission erfasst. Ein solcher Vorgang läge zweifellos innerhalb er völkerrechtlich zulässigen Grenzen. Einer weiteren Bevollmächtigung des Botschafters der Antragstellerin bedürfe es nicht.

Unstrittig sei nach dem Grundbuchsstand die UdSSR als Eigentümerin mit 15. 7. 1927 ausgewiesen. Es bestehe keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Objekte nicht im Eigentum der UdSSR gestanden seien. Dass das Eigentum (offensichtlich rückwirkend) nach dem Brand des Justizpalastes wieder einverleibt worden sei, ändere daran nichts. Die grundbuchsrelevanten Tatbestände vor dem 15. 7. 1927 seien nicht mehr zu eruieren.

Es sei daher nicht zu prüfen, ob seinerzeit, also in den Jahren 1923 und 1927 die im Übereinkommen betreffend die Durchführung des zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik gebrauchte Wendung "...stellt ... zur Verfügung" als Einverleibungsgrundlage ausgereicht hätte oder nicht, weil der letzte Grundbuchsstand unmissverständlich das Eigentum der UdSSR ausweise.

Die vom Rekursgericht hervorgehobenen Zweifel, ob der Wortlaut dieses Übereinkommens Fragen privatrechtlichen Eigentumsübergangs betroffen habe, seien daher unangebracht.

Der Eigentumsübergang auf die Antragstellerin sei Gegenstand des Notenwechsels und damit des BGBl 257/1994. Er stehe im Gesetzesrang.

Für den Übergang der Verfügungsgewalt dieser Liegenschaften nach dem Untergang der UdSSR auf die Republik Österreich existiere keinerlei Hinweis. Die Vorinstanzen hätten die begehrte Richtigstellung des Grundbuchs nur verweigern dürfen, wenn es Urkunden gäbe, die gegen den Grundbuchsstand sprächen.

Die einzig zu prüfende Frage sei daher, ob die Antragstellerin die Rechtsposition der UdSSR inne habe oder in diese eingetreten sei.

Die derzeit herrschende Ansicht gehe davon aus, dass eine undurchbrochene Kette von Staaten im völkerrechtlichen Sinn vom Russischen Zarenreich über die RFSR, die UdSSR auf die Russische Föderation gegeben sei und damit Rechtsidentität vorliege. Mit dem Zerfall Jugoslawiens sei der Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken nicht zu vergleichen. In der Erklärung von Alma-Ata vom 21. 12. 1991 hätten alle GUS-Staaten die Übernahme des Sitzes der UdSSR im Sicherheitsrat der UNO und in anderen internationalen Organisationen durch die Russische Föderation unterstützt. Das Völkerrechtssubjekt "Russische Föderation" sei mit dem Völkerrechtssubjekt UdSSR ident (zum Nachweis dieser Rechtsansicht stützt sich der Revisionsrekurs auf Reinisch-Hafner, Staatensukzession und Schuldenübernahme beim Zerfall der Sowjetunion, Servicefachverlag, Wien 1995 und Michael Bothe, Revue Generale de Droit international Public, Tome XCVI-1992, Paris Seite 812 ff).

Es habe somit kein Eigentumsübergang und keine Rechtsnachfolge stattgefunden. Der Grundbuchsstand sei nur hinsichtlich der Bezeichnung des Eigentümers zu berichtigen. Die maßgeblichen einschlägigen Fragen der Rechtsnachfolge seien nicht nach österreichischem Recht zu lösen, sondern nach völkerrechtlichen Grundsätzen.

Die zitierten Erlässe des BMJ und des Außenministeriums seien für den OGH nicht bindend und überdies gesetzwidrig.

Im Weiteren verweist der Revisionsrekurs zum Nachweis der behaupteten Rechtsidentität der Antragstellerin mit der UdSSR auf Claudia Willershausen, Staatennachfolge oder Identität der Russischen Föderation, Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2002, Seite 277 ff ua.

Nicht nur habe die Russische Föderation die unmittelbare Rechtsnachfolge in Anspruch genommen, sondern sei diese auch von mehreren Staaten unbestritten. Österreich habe in der Vergangenheit außenpolitisch dem gegenüber eine Einzelmeinung vertreten. Allerdings habe die österreichische Regierung am 15. Jänner 1992 die Bereitschaft erklärt, die diplomatischen Beziehungen, die bisher zwischen der Republik Österreich und der UdSSR bestanden haben, nunmehr im Verhältnis zur "Russländischen Föderation" fortzuführen. Damit habe auch die Republik Österreich die Fortsetzung der UdSSR durch die Russische Föderation anerkannt.

Dem angeführten Notenwechsel vom 15. 6. 1993 sei zu entnehmen, dass es mit Gruppe I Verträge gäbe, die zwischen den Staaten "weiter angewendet" werden sollten. Darin würden ausdrücklich die Übereinkommen vom 28. Juli 1923 über die beiderseitigen Botschaftsgebäude und die Regelung bestimmter damit zusammenhängender Fragen samt Schlussprotokoll vom 16. Juli 1927 genannt. Unter "Weiteranwendung" könne damit nach den Gesetzesmaterialien nur die Anerkennung der Antragstellerin als alleinige Rechtsnachfolgerin der UdSSR verstanden werden.

Sollten Bedenken gegen die Anwendbarkeit dieser Bestimmung des BGBl Nr 257/1994 in der österreichischen Rechtsprechung bestehen, wäre allenfalls nach Art 89 Abs 1 B-VG vorzugehen, nicht aber mit Abweisung des Grundbuchsgesuchs.

Dazu hat der erkennende Senat erwogen:

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum BGBl Nr 257/1994, 1193 der BlgNr XVIII. GP heißt es:

"Im Hinblick auf die im Dezember 1991 erfolgte Auflösung der Sowjetunion haben am 18. Mai 1992 in Wien und am 9./10. Dezember 1992 in Moskau bilaterale Expertengespräche über die vertraglichen Beziehungen zwischen Österreich und der Russischen Föderation stattgefunden, bei denen die zwischen Österreich und der ehemaligen Sowjetunion abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge im Hinblick auf ihre Weiteranwendung zwischen Österreich und der Russischen Föderation erörtert wurden. Hiebei wurden diese Verträge, je nach der in Aussicht genommenen rechtlichen Behandlung, in vier Gruppen eingeteilt und gleichzeitig vereinbart, diese Einteilung in Form eines Notenwechsels über die vertraglichen Beziehungen zwischen Österreich und der Russischen Föderation festzulegen. Einer Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art 50 Abs 1 B-VG bedurfte der Notenwechsel über die vertraglichen Beziehungen nur hinsichtlich der in Gruppe I unter den Ziffern 2, 6, 7 und 9 angeführten Verträge, weil diese gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter haben. Der drittletzte Satz des Notenwechsels ist als verfassungsändernd anzusehen." Die in diesem Notenwechsel angeführte Gruppe I umfasst jene Verträge, die weiter angewendet werden sollen. Dazu heißt es in den Erläuternden Bemerkungen: "Das Völkerrecht geht beim Entstehen neuer Staaten im Bereich der vertraglichen Beziehungen grundsätzlich vom sogenannten "clean slate"-Prinzip aus. Dieses Prinzip besagt, dass für einen neu entstandenen Staat die vertraglichen Verpflichtungen seines Gebietsvorgängers in der Regel nicht automatisch weiter gelten. ... Die Russische Föderation geht dem gegenüber davon aus, dass sie nunmehr die völkerrechtlichen Rechte und Verpflichtungen der früheren Sowjetunion wahrnimmt. Bei den Expertengesprächen über die vertraglichen Beziehungen ... konnte ... ein für beide Seiten akzeptables Ergebnis erzielt werden, das die angeführten grundsätzlichen Rechtsstandpunkte unberührt lässt."

Die hier in Frage stehende Regelung des Notenwechsels, BGBl Nr 257/1994 betrifft Gruppe I, "Verträge, die weiter angewendet werden sollen:

Punkt 1. Übereinkommen betreffend die Durchführung des zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik abgeschlossenen Übereinkommens vom 28. Juli 1923 über die beiderseitigen Botschaftsgebäude und die Regelung gewisser besonderer, damit zusammenhängender Fragen samt Schlussprotokoll, beide vom 16. Juli 1927."

Die innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten des Notenwechsels wurden mit 9. März 1994 erfüllt, an welchem Tag der Notenwechsel in Kraft getreten ist.

Nach dem Stufenbau der österreichischen Rechtsordnung ist der Antragstellerin darin Recht zu geben, dass das BGBl Nr 257/1994 im innerstaatlichen Rechtsbereich einer unmittelbaren Anwendung zugänglich ist. Insofern ist die völkerrechtliche Regelung zwischen der Republik Österreich und der Antragstellerin in staatliches Recht transformiert (vgl Walter/Mayer Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts Rz 215).

Voraussetzung für eine Grundbuchsberichtigung nach § 136 GBG ist die mangelnde Übereinstimmung des Grundbuchs mit der wirklichen Rechtslage. Sie kommt dann zur Anwendung, wenn nachträglich eine Rechtsänderung außerbücherlich eingetreten ist, grundbücherlich aber noch nicht durchgeführt wurde, die begehrte Eintragung also nur deklarative Bedeutung hat. Als Grundlage der Eintragung genügt im Fall des § 136 GBG der "Nachweis der Unrichtigkeit". Er tritt an Stelle der sonst (§§ 31 ff GBG) geforderten urkundlichen Unterlagen. Dieser Nachweis ist dann erbracht, wenn die Unrichtigkeit offenkundig oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen ist. Offenkundige Unrichtigkeit ist etwa dann gegeben, wenn sich der vom Antragsteller behauptete Rechtsübergang und die damit verbundene Gesamtrechtsnachfolge in das Vermögen des Rechtsvorgängers unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (RIS-Justiz RS0061010).

Es ist daher zu untersuchen, ob sich aus dem BGBl Nr 257/1994 im Zusammenhang mit den darin zitierten Übereinkommen vom 28. Juli 1923 und 16. Juli 1927 ein außerbücherlicher Rechtsübergang und damit eine Gesamtrechtsnachfolge der Antragstellerin in das verfahrensgegenständliche Vermögen der UdSSR unmittelbar ergibt.

Das haben die Vorinstanzen mit Recht verneint.

Der Revisionsrekurswerberin ist darin Recht zu geben, dass aus Anlass des Berichtigungsantrags die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit des seinerzeit einverleibten bücherlichen Eigentums der UdSSR nicht zu prüfen ist. Es ist im Übrigen auch wenig wahrscheinlich, dass die völkerrechtlichen Verträge von 1923 und 1927 den Titel zum Erwerb des Eigentumsrechts bildeten, handeln doch die Übereinkommen von Fragen "der beiderseitigen Botschaftsgebäude". Wie den Verträgen zu entnehmen ist, stellte jeweils ein Land dem anderen Botschaftsgebäude zurück oder übergab ein anderes zur "unentgeltlichen dauernden Nutzung in den Besitz". So heißt es etwa im Vertrag vom 28. Juli 1923: "Die österreichische Bundesregierung übergibt der russischen Regierung das hiesige russische Botschaftsgebäude ***** und das Generalkonsulatsgebäude ***** samt allem Zubehör gegen Räumung der bisher von der Vertretung der RSFSR in der ***** und ***** innegehabten Lokalitäten. Dieser Umstand macht bereits deutlich, dass das Übereinkommen nicht als Titel für eine Eigentumsübertragung diente, sondern Objekte bloß aus der Verwaltung der Republik (Bundesgebäudeverwaltung) an die RSFSR zurückgestellt wurden. Dasselbe gilt für die in ***** befindliche Kirche "der früheren russischen Botschaft" samt Grundstück, wie im Vertrag vom 16. Juli 1927 festgehalten.

Die Übereinkommen von 1923 und 1927 über die beiderseitigen Botschaftsgebäude stellten und stellen keinen Titel für Eigentumserwerb dar. Das behauptet im Übrigen die Antragstellerin auch nicht. Die völkerrechtliche Vereinbarung in BGBl Nr 257/1994 besagt vielmehr, dass die seinerzeitigen völkerrechtlichen Verträge zwischen Österreich und der UdSSR zwischen Österreich und der Antragstellerin in bestimmtem Umfang weiter angewendet werden sollen.

Aus österreichischer Sicht sollen diese Verträge im Verhältnis zwischen Österreich und der Russischen Föderation "formell in Kraft gesetzt werden" wie es im Bericht des außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage 1193 der BlgNr XVIII. GP heißt. Dies "unbeschadet der unterschiedlichen Rechtsstandpunkte" über die Übernahme der völkerrechtlichen Rechte und Verpflichtungen der früheren Sowjetunion durch die Antragstellerin (vgl die Wiedergabe der Erläuterungen oben). Gerade wegen dieses Rechtsstandpunktes Österreichs, dargestellt in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl Nr 257/1994, kann der in Gesetzesform gegossenen völkerrechtlichen Vereinbarung nicht die vorbehaltlose Anerkennung der Rechtsnachfolge der Antragstellerin nach dem Völkerrechtssubjekt UdSSR entnommen werden. Damit lässt sich auch eine zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge in Eigentumsrechte aus dieser völkervertragsrechtlichen Vereinbarung nicht mit der im Grundbuchsverfahren erforderlichen Eindeutigkeit ableiten.

Zu Recht haben daher die Vorinstanzen die begehrte Berichtigung der Bezeichnung der Eigentümerin der in Frage stehenden Liegenschaften abgelehnt.

Erstmals im Rekursverfahren und damit als Neuerung unbeachtlich hat sich die Antragstellerin hinsichtlich ihrer Rechtsnachfolge bzw Rechtsidentität mit der UdSSR auf Völkerrecht gestützt und dazu verschiedene Tatsachen vorgetragen, aus denen nach Völkergewohnheitsrecht eine Staatensukzession abgeleitet werden könnte.

Dazu ist aus verfahrensökonomischen Gründen Folgendes anzumerken:

Allgemein anerkannte Normen des Völkerrechts sind zufolge Art 9 Abs 1 B-VG Bestandteil des Bundesrechts (vgl Adamovich/Funk Österreichisches Verfassungsrecht³, 150; Walter/Mayer Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts9 Rz 217 S 102).

Auf die Frage der Art und des Umfangs der Transformation von allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts und ob aus Art 9 Abs 1 B-VG unmittelbar ein subjektives Recht abgeleitet werden könne (verneinend VfSlg 1375, 3950, 7448) muss hier nicht weiter eingegangen werden.

Mangels anwendbaren völkerrechtlichen Vertragsrechts bei der Lösung rechtlicher Fragen, die sich aus Fällen der Staatennachfolge ergeben (weder die Wiener Konvention über Staatennachfolge in Verträge 1978 noch die Wiener Konvention über Staatennachfolge in Staatsvermögen -archive und -schulden 1993 erhielt die für ihr Inkrafttreten benötigte Zahl von Ratifikationen), geht es um Eruierung des ungeschriebenen Völkerrechts, in erster Linie also um Fragen des Völkergewohnheitsrechts, wohl aber auch allgemeiner Rechtsgrundsätze. Da Staatensukzessionsfälle in den internationalen Beziehungen ein relativ seltenes Phänomen sind, lässt sich der Nachweis der klassischen, Völkergewohnheitsrecht konstituierenden Elemente, nämlich der entsprechenden Staatenpraxis und der sie stützenden opinio iuris schwer führen. Deshalb genießt die völkerrechtliche Doktrin hier einen besonderen Stellenwert (vgl Reinisch/Hafner Staatensukzession und Schuldübernahme, 35).

Die Frage der juristisch korrekten Qualifikation des Zerfallsprozesses der UdSSR ist in der völkerrechtlichen Literatur umstritten (vgl ders, S. 91 FN 490 bis 493).

Zusammenfassend ist daher zu sagen, dass selbst wenn man die unmittelbare Anwendung völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts durch staatliche Organe zur Beurteilung von Vorfragen betreffend privatrechtliche Ansprüche bejahte, für ein einseitiges Berichtigungsverfahren nach § 136 GBG, in dem es um "offenkundige" Unrichtigkeit und damit auch "offenkundige Rechtsnachfolge" geht, kein Raum ist. Ähnlich wie zeitaufwendige Versuche, fremdes Recht festzustellen, in dem auf Urkunden beschränkten Grundbuchsverfahren ausscheiden (vgl NZ 1993, 133 [mit Zustimmung Hofmeister]), scheidet auch die Feststellung und Bewertung von zweifelhaftem Völkergewohnheitsrecht als Voraussetzung für die Bejahung einer Staatenrechtsnachfolge im Grundbuchsverfahren aus.

Auf die Frage der Vertretungsmacht des Botschafters der Antragstellerin im Grundbuchsverfahren (vgl NZ 1993, 133) muss daher nicht mehr eingegangen werden.

Frei von Rechtsirrtum haben die Vorinstanzen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 136 Abs 1 GBG im Zusammenhang mit § 94 GBG verweigert.

Dem unberechtigten Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Die Zulässigkeit der Revisionsrekursergänzung scheitert an der Einmaligkeit des Rechtsmittels. Sie erfolgte auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte