OGH 2Ob207/04m

OGH2Ob207/04m4.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssche der mj. Nadine G*****, geboren am 19. November 1990, und mj. Daniel G*****, geboren am 2. November 1994, beide in Obsorge der Mutter Hannelore G*****, über den Revisionsrekurs des Vaters, Gernold G*****, vertreten durch Dr. Anton Waltl und andere, Rechtsanwälte in Zell am See, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 2. Juli 2004, GZ 54 R 64/04i-173, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 27. Mai 2004, GZ 5 P 113/00t-169, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Pflegschaftssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die beiden minderjährigen, aus dem Kopf der Entscheidung hervorgehenden Kinder entstammen der gemäß § 55a EheG geschiedenen Ehe ihrer Eltern und leben im Haushalt der Mutter, der auch die Obsorge zukommt.

Nach mehreren wechselseitigen Unterhaltsherabsetzungs- und -erhöhungsanträgen war der Vater zuletzt mit vom Rekursgericht bestätigtem Beschluss des Erstgerichtes vom 22. 10. 2002 - unter rechtskräftiger Abweisung eines Mehrbegehrens - verpflichtet worden, vom 1. 7. 2002 bis inklusive November 2002, aber zumindest für die Dauer des Bezuges von Krankengeld, für die Tochter monatlich EUR 290 und für den Sohn monatlich EUR 245 zu bezahlen (ON 115 und 123). Zuvor hatte er sich im Vergleichswege zur Zahlung von EUR 374,27 (S 5.150) für die Tochter und EUR 316,13 (S 4.350) für den Sohn ab 1. 10. 2001 verpflichtet gehabt (ON 84 und 85).

Am 12. 11. 2003 beantragte der Unterhaltssachwalter zunächst die (erneute) Verpflichtung des Vaters zur Zahlung dieser Beträge laut Unterhaltsvergleich rückwirkend ab 1. 3. 2003, für den Fall, dass sich aufgrund seiner derzeitigen finanziellen Lage ein höherer Betrag ergeben sollte, mit "entsprechender Anpassung" (ON 149). In der Folge wurde dieser Antrag mit Schreiben des Unterhaltssachwalters von "20. 2. 2003" (beim Erstgericht eingelangt am 5. 2. 2004) auf Anhebung "entsprechend seinem Einkommen bzw seiner Leistungsfähigkeit", rückwirkend ab Erlangen seiner vollen Arbeitskraft (zumindest ab 1. 3. 2003) wiederholt (ON 160). Ein hierin ebenfalls geltend gemachter Sonderbedarf für den Sohn für kieferorthopädische Behandlungen ist (zufolge rechtskräftiger Abweisung) nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens.

Der zur Äußerung aufgeforderte Vater erklärte sich zur Zahlung von EUR 690 für beide Kinder ab 1. 3. 2003 bereit, worauf er sich mit der Mutter geeinigt habe. Weitere Argumente gegen seine Zahlungspflicht darüber hinaus enthielt dieses Schreiben an das Erstgericht nicht (ON 163).

Das Erstgericht verpflichtete hierauf den Vater beschlussmäßig zur Zahlung erhöhter Unterhaltsbeträge von monatlich EUR 457 für Nadine und EUR 385 für Daniel rückwirkend ab 1. 3. 2003 und wies das Sonderbedarfsbegehren für den Buben (rechtskräftig) ab. Es stellte die monatliche Unterhaltsbemessungsgrundlage mit EUR 2.404,34 fest und errechnete die Unterhaltsbeträge entsprechend der anzuwendenden Prozentsatzmethode mit 19 % bzw 16 % hievon.

Das Rekursgericht gab dem hiegegen vom Vater erhobenen Rekurs, in welchem dieser - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Wichtigkeit - gerügt hatte, das Erstgericht habe "unverständlicherweise die Familienbeihilfe nicht angerechnet, obwohl diese im vorliegenden Fall aufgrund des Einkommens des Rekurswerbers jedenfalls anzurechnen gewesen wäre, da damit eine erhebliche Reduktion der Unterhaltsbeiträge einhergegangen wäre" (ohne diese jedoch ziffernmäßig näher auszuführen), keine Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht schloss sich hiebei jener Rechtsprechungslinie an, wonach ein Unterhaltspflichtiger, da ihm hinsichtlich der Anrechenbarkeit der Transferleistungen "völlige Dispositionsfähigkeit" zukomme, in erster Instanz entsprechendes Vorbringen zu erstatten habe, das nicht im Rechtsmittelverfahren erstmals (im Sinne eines neuen Sachantrages zur steuerlichen Entlastung) nachgeholt werden könne. Dies gelte auch vorliegendenfalls, obwohl die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe bereits Gegenstand eines früheren Beschlusses des Rekursgerichtes (ON 123) gewesen sei, weil sich eine "einmal erhobene Sacheinwendung nicht zwingend auf alle weiteren Folgeanträge beziehen muss".

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil zur Frage der amtswegigen Berücksichtigung von Transferleistungen bei der Bemessung des Unterhalts unterschiedliche höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den bekämpften zweitinstanzlichen Beschluss dahin abzuändern, dass sein Unterhalt für Nadine mit nur EUR 390 und jener für Daniel mit nur EUR 300 bestimmt werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Dem Unterhaltssachwalter wurde die Erstattung eines Äußerungsschriftsatzes zum Rechtsmittel eingeräumt, wovon jedoch nicht Gebrauch gemacht wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Zur im Rechtsmittel als einzige Rechtsfrage relevierten Thematik der amtswegigen oder antragsgebundenen Berücksichtigung von Transferleistungen hat der erkennende Senat erst jüngst (5. 8. 2004, 2 Ob 153/04w) wie folgt - zusammenfassend - ausgeführt:

"Die Rechtsprechung zur amtswegigen Berücksichtigung von Transferleistungen (RIS-Justiz RS0117764) hat sich zuletzt in Richtung einer Differenzierung entwickelt, je nachdem ob der Geldunterhaltspflichtige Antragsteller (der eine Herabsetzung anstrebt) oder Antragsgegner (der eine Erhöhung abwehren will) ist (10 Ob 4/04t, 4 Ob 254/03m, 1 Ob 208/03z). Während es im ersten Fall nach dieser Rechtsprechung wohl dabei bleiben soll, dass der Unterhaltspflichtige einen unterhaltsmindernden Sachverhalt wie die steuerliche Entlastung im Sinne einer Anrechung von Transferleistungen selbst ins Treffen zu führen hat (missverständlich aber RIS-Justiz RS0117800 T 2, weil zu 10 Ob 4/04t sowohl ein Herabsetzungsantrag des Vaters als auch ein Erhöhungsantrag der Kinder vorlag), bedarf es im zweiten Fall keines gesonderten Vorbringens des Unterhaltspflichtigen, wenn die für die Anrechnung maßgeblichen Umstände unstrittig oder aktenkundig sind."

Daran ist festzuhalten.

Im vorliegenden Fall haben - nach der eingangs wiedergegebenen Verfahrenschronologie - die Kinder einen Unterhaltsfestsetzungs(erhöhungs)antrag gestellt, dem der Vater mit dem Antrag, die Unterhaltsbeträge niedriger festzusetzen, entgegen getreten ist. Damit bedurfte es - im Sinne der zitierten Entscheidung des erkennenden Senates - keines gesonderten (zusätzlichen) Vorbringens des Unterhaltspflichtigen, dies umso mehr, als er sich schon früher (aktenkundig: ON 106) auf eine solche "Anrechnung der Familienbeihilfe zur Hälfte" berufen hatte.

Da das Rekursgericht - ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht - diese für das Ausmaß der ihn treffenden Unterhaltspflicht(en) maßgebliche Thematik der Anrechung der Transferleistungen somit bei Überprüfung der bekämpften Unterhaltsentscheidung des Erstgerichtes unberücksichtigt ließ, wird es dies nachzuholen haben.

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