OGH 8ObA88/04f

OGH8ObA88/04f20.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Peter Ammer und Gerhard Prochaska als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz P*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei E***** AG, ***** vertreten durch Dr. Josef Hofer, Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in Wels, wegen 2.665,46 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Juni 2004, GZ 12 Ra 34/04p-11, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. November 2003, GZ 16 Cga 202/03m-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 277,60 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1. 12. 2002 als angestellter Außendienstmitarbeiter bei der beklagten Partei beschäftigt, deren Hauptverwaltung und Sitz in Deutschland liegt. Der Kläger ist mit dem Verkauf von Dachbaustoffen betraut und ausschließlich in Österreich tätig.

Der zwischen den Streitteilen geschlossene Dienstvertrag hält in seinem Punkt 11 unter dem Titel "Reisekostenregelung" fest:

"Die Erstattung von Reisekosten im Falle von Dienstreisen richtet sich nach den in Österreich zulässigen steuerlichen Sätzen, wobei jedoch höchstens die in den aktuellen hausinternen Abrechnungsregelungen des Dienstgebers genannten Sätze bezahlt werden. Der Dienstnehmer erhält ein Exemplar dieser Abrechnungsregelungen."

Der Kläger begehrt 2.665,46 EUR sA als Differenz zwischen den ihm auf dieser Vertragsgrundlage tatsächlich ersetzten Reisekosten und jenen (höheren) Kosten, die ihm in Form eines Taggeldes bei Anwendung der Reisekostenregelung des Kollektivvertrages für die Stein- und keramische Industrie für Inlandsreisen gebühren würden. Der gewöhnliche Arbeitsort des Klägers liege in Österreich. Gemäß § 7 AVRAG habe ein Arbeitnehmer Anspruch zumindest auf jenes gesetzliche oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebühre, soferne ein Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich, der nicht Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft in Österreich sei, einen Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich beschäftige.

Die beklagte Partei wendet ein, dass sie niemals über eine österreichische Zweigniederlassung verfügt habe. Sie sei in Österreich nicht kollektivvertragsangehörig. Das auf § 7 AVRAG gestützte Klagebegehren des Klägers scheitere daran, dass die Aufwandsentschädigung - also der Ersatz eines Aufwandes, den der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber mache - nicht zum Entgelt im Sinne des § 7 AVRAG zähle.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Entgeltbegriff des § 7 AVRAG sei weit zu fassen. Er umfasse auch Aufwandersätze (Reisekosten) wegen des ihnen in der Regel inhärenten Entgeltteils. Nur durch Subsumierung der Reisekosten unter den Entgeltbegriff des § 7 AVRAG könnte dessen Normzweck gewährleistet werden. Andernfalls könne jeder Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern trotz gleichen Aufwandes weniger Reisekosten zahlen als ein österreichischer Arbeitgeber. Eine derartige Bevorzugung ausländischer Unternehmen und ein derartiges Sozialdumping habe der Gesetzgeber mit § 7 AVRAG aber gerade verhindern wollen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der beklagten Partei erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des Entgeltbegriffes des § 7 AVRAG fehle.

Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, dass § 7 AVRAG nur die kollektivvertraglichen Mindestlöhne sowie Sonderzahlungen erfasse. Reisekosten seien hingegen als Aufwandsentschädigungen zu verstehen, die der Abgeltung jener Mehrkosten dienten, die etwa dadurch anfielen, dass Mahlzeiten auswärts eingenommen werden müssten. Diesem Zweck diene ganz offenkundig auch die hier zu Vergleichszwecken heranzuziehende kollektivvertragliche Reisekostenregelung. Der Kläger habe nicht ausdrücklich vorgebracht, dass er mit den verzeichneten Reisekosten in Wirklichkeit nicht den konkret bezeichneten Aufwand abrechnen habe wollen, sondern zusätzlich zu seinem vertraglich vereinbarten Gehalt samt Überstundenpauschale und Provisionsanspruch weiteres Entgelt als Gegenleistung für die von ihm erbrachte Arbeit anstrebe.

Diese Auslegung entspreche auch dem Inhalt der - hier allerdings nicht unmittelbar anwendbaren - Richtlinie 96/71/EG (Entsenderichtlinie). Art 3 Abs 1 der Entsenderichtlinie verpflichte die Mitgliedsstaaten, Regelungen zu treffen, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anzuwendenden Recht ein Unternehmen dem Arbeitnehmer nicht die Arbeits- oder Beschäftigungsbedingungen versagen dürfe, die am Beschäftigungsort für diese Tätigkeiten in Geltung stünden, soferne sie durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegt seien. Dabei beziehe sich die Richtlinie in der Frage der zu garantierenden Arbeitsbedingungen ausdrücklich auf Mindestlohnsätze einschließlich Überstundensätzen. Auslagenersätze seien nicht genannt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Gemäß § 7 AVRAG hat der Arbeitnehmer zwingend Anspruch zumindest auf jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt, wenn ein Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich, der nicht Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft in Österreich ist, einen Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich beschäftigt. Nicht strittig ist, dass der "gewöhnliche Arbeitsort" des Klägers im Sinne des § 7 AVRAG in Österreich liegt. Damit ist - da sich das Arbeitsvertragsstatut gemäß Art 6 Abs 2 lit a EVÜ nach dem Recht des Staates bestimmt, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet - auf das Rechtsverhältnis österreichisches Recht anzuwenden. Da jedoch Arbeitgeber, die keine Niederlassung in Österreich haben, nicht Mitglieder der Bundeswirtschaftskammer sind und daher den österreichischen Kollektivverträgen nicht unterworfen sind, wäre ohne Regelung des § 7 AVRAG bei einer ständigen Beschäftigung in Österreich zwar die Anwendung österreichischer Arbeitsbedingungen, die auf Gesetz beruhen, gesichert, nicht jedoch die kollektivvertraglichen Regelungen, denen der Arbeitgeber mangels Kollektivvertragsangehörigkeit nicht unterliegt. Um die Gefahr eines Sozialdumpings hintanzuhalten, wird daher ein zwingender Anspruch des Arbeitnehmers eines ausländischen Arbeitgebers auf jenes gesetzliche oder kollektivvertragliche Entgelt normiert, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt (vgl ErlRV 1077 BlgNR 18. GP 14; Binder, § 7 AVRAG Rz 1; Holzer/Friedrich, Die Auslegung von § 7 AVRAG aus europarechtlicher Sicht, ASoK 2002, 252 ff).

Einer Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht als rechtserheblich bezeichneten Frage, ob Aufwandsentschädigungen unter den Entgeltbegriff des § 7 AVRAG fallen (bejahend Binder aaO § 7 AVRAG Rz 9 wegen des in der Regel vorliegenden inhärenten Entgeltteils; differenzierend Holzer/Friedrich aaO dahin, dass § 7 AVRAG lediglich im Rahmen eines eng verstandenen Synallagmas anfallendes laufendes Entgelt verstehe), bedarf es hier jedoch nicht: Sowohl nach der Zielrichtung des § 7 AVRAG als auch jener des Art 6 EVÜ, den "harten Kern" der Arbeitsbedingungen, die am Arbeitsort gelten, zu gewährleisten, ergibt sich, dass weder über § 7 AVRAG noch über Art 6 EVÜ ein Kollektivvertrag (oder eine kollektivvertragliche Einzelregelung) zur Anwendung kommt, der für vergleichbare inländische Arbeitgeber nicht notwendigerweise zur Anwendung kommen muss (vgl Holzer/Friedrich aaO zum Sonderfall eines Kollektivvertrages, den eine auf freiwilliger Mitgliedschaft bestehende Interessenvertretung geschlossen hat und der nicht gesatzt ist).

Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass - läge der Sitz der beklagten Partei in Österreich - der Kollektivvertrag der Stein- und keramischen Industrie für Angestellte zur Anwendung gelangte.

Der Kläger selbst hat sich auf § 3 des Zusatzkollektivvertrages (Reisekostenregelung für Inlandsreisen) berufen.

§ 3 Abs 1 dieses Zusatzkollektivvertrages lautet wörtlich:

"Wenn der Angestellte eine Dienstreise zu unternehmen hat, so sind ihm die durch die Dienstreise verursachten Auslagen und Mehraufwendungen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erstatten. Die Bestimmungen der Absätze 5 bis 11 (Abs 6 regelt die hier vom Kläger geltend gemachten anteiligen Taggelder) finden auf jene Angestellten keine Anwendung, die aufgrund ihres Dienstvertrages oder ihrer dienstlichen Verwendung regelmäßig zu reisen haben und mit denen entweder einvernehmlich ein Pauschalsatz für Reiseaufwandsentschädigungen vereinbart ist oder mit denen einvernehmlich ein Entgelt vereinbart ist, in dem die Reiseaufwandsentschädigung bereits abgegolten sind. Enthält das vereinbarte Pauschale oder Entgelt auch eine Abgeltung der Fahrtauslagen, so entfällt für diese Angestellten auch die Anwendung des Abs 4 über die Fahrtvergütung"

§ 3 Abs 1 des Kollektivvertrages klammert somit aus seinem Geltungsbereich ausdrücklich den Fall aus, dass ein "regelmäßig reisender" Angestellter einvernehmlich einen Pauschalsatz für Reiseaufwandsentschädigungen vereinbarte. Genau dieser Fall liegt hier vor, ist doch nicht strittig, dass der Kläger als Außendienstmitarbeiter regelmäßig Dienstreisen zu absolvieren hat. Im Ergebnis kommt diese Regelung der Normierung der Zulässigkeit einer abweichenden Einzelvereinbarung gleich.

Nach der ständigen, allerdings von der überwiegenden Lehre kritisierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht es den Kollektivvertragsparteien frei, Inhaltsnormen lediglich dispositive Wirkung zu verleihen (WBl 1989, 191 [Grillberger] bezüglich Reisekosten und Reiseaufwandsentschädigungen in Art XV Handelsangestellten-KollV; DRdA 1991/50 [Jabornegg] = ZAS 1991/10 [Resch] ebenfalls betreffend Reisekosten und Reiseaufwandsentschädigungen; DRdA 1996/49 [Firlei]).

Diese Auffassung des Obersten Gerichtshofes geht auf Tomandl (Dispositive Kollektivvertragsbestimmungen in Österreich, FS Floretta, 639 ff) zurück. Tomandl interpretiert zunächst den Wortlaut des § 3 Abs 1 Satz 2 ArbVG ("Sondervereinbarungen sind.... nur gültig ...") dahin, dass das "nur" im Kontext mit Satz 1 zu lesen sei. Daraus schließt er, dass eine logisch-grammatikalischen Auslegung kein Verbot der Ausstattung kollektivvertraglicher Bestimmungen mit dispositiver Wirkung ergebe (aaO 644). In den Vordergrund stellt Tomandl allerdings teleologische Aspekte: Unter dem Gesichtspunkt des KollV als Instrument des Arbeitnehmerschutzes hebt Tomandl zunächst hervor, dass es dem Schutzcharakter des KollV entspreche, dass seine normativen Bestimmungen grundsätzlich unabdingbar seien, wodurch ein minimaler Standard gesichert werde. Allerdings biete das KollV-Konzept keine rechtliche Gewähr dafür, dass bestimmte wichtige Fragen auch tatsächlich geregelt würden. Wenn es den KollV-Parteien freistehe, bestimmte Materien ungeregelt zu lassen und damit der Betriebsvereinbarung und dem Arbeitsvertrag die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen völlig freizugeben, wäre nicht einzusehen, warum sie Inhaltsnormen nicht nachgiebig gestalten können sollten (aaO 645 f; 650).

Unter dem Gesichtspunkt der Kartellfunktion des KollV bestünden gegen dispositive Normen dann keine Bedenken, wenn sie lediglich in untergeordnetem Umfang als Beiwerk zu zwingenden KollV-Bestimmungen aufträten.

Unter dem Gesichtspunkt der Friedensfunktion des KollV schienen ohnedies zweiseitig zwingende KollV-Bestimmungen am günstigsten. Ein Verhandlungsspielraum bestünde auch bei einseitig zwingenden KollV-Bestimmungen (aaO 647).

Letztlich ergebe sich die Zulässigkeit dispositiver KollV-Normen daraus, dass der mit ihnen verbundene rechtliche Effekt bedenkenfrei durch eine abweichende Konstruktion des KollV erreicht werden könne. Es sei unbestritten, dass die KollV-Parteien selbst den fachlichen, örtlichen und persönlichen Geltungsbereich ihrer Regelungen festsetzten. Stehe den KollV-Parteien aber diese Möglichkeit offen, so verbiete sich die Annahme, die in ihren Ergebnissen völlig gleichartige Ausstattung einer KollV-Norm mit nachgiebiger Wirkung sei gesetzwidrig (aaO 649). Bereits Tomandl hebt im Übrigen hervor, dass es in Wirklichkeit nicht um den Fall des ausschließlich oder überwiegend dispositiven KollV gehe, sondern um einen überwiegend zwingend ausgestalteten KollV, der zudem auch noch einige dispositive Normen enthalte (aaO 645 f). Dass die Arbeitgeberseite mittels eines massiven Einsatzes dispositiver Normen den vom KollV angestrebten Mindeststandard unterlaufen könne, sei eine völlig unrealistische Erwartung, die auch mit der langjährigen Erfahrung in Deutschland nicht in Einklang zu bringen sei, obwohl dort die Zulässigkeit dispositiver KollV-Normen ausdrücklich geregelt sei (aaO 650).

Die überwiegende Lehre hingegen steht auf dem gegenteiligen Standpunkt, dass kollektivvertragliche Regelungen, die ihren Bestimmungen nur dispositive Wirkung beimessen, wegen Verstoßes gegen absolut zwingendes Recht (teil)nichtig sind: Jabornegg (Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, FS Strasser 372, 384 f) hebt das Schutzprinzip hervor, das in der Vorschrift des § 3 Abs 1 ArbVG klar und eindeutig zum Ausdruck komme. In seiner Glosse zu DRdA 1991/50 kritisiert Jabornegg das zentrale Argument Tomandls, dass aus der Möglichkeit der KollV-Parteien, bestimmte Materien ungeregelt zu lassen, folge, dass sie diese auch nachgiebig gestalten könnten. Dabei werde in unzutreffender Weise von der Abschluss- auf die Gestaltungsfreiheit geschlossen. Das dem gesetzlichen KollV-Recht zugrunde liegende allgemeine Schutzprinzip werde durch die Schaffung bloß dispositiver KollV-Normen nicht ausreichend gewährleistet, weil sich dann die rechtliche und faktische Überlegenheit des Arbeitgebers trotz Vorhandenseins kollektivvertraglicher Regelungen durchsetzen könnte. Schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Schutzfunktion habe zur Beurteilung zu führen, dass die Zulassung bloß dispositiver KollV-Regelungen zumindest potentiell geeignet sei, den Normzweck zu beeinträchtigen (siehe auch Marhold, Aktuelle Probleme des österreichischen Kollektivvertragsrechts, FS Kissel 747 ff; Jabornegg, Grenzen kollektivvertraglicher Rechtsetzung und richterlicher Kontrolle, JBl 1990, 205 [211 f]; Cerny in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller ArbVG II3 70 ff). Auch Firlei weist in seiner Glosse zu DRdA 1996/49 auf die Schutzfunktion und überdies auf die damit in engem Zusammenhang stehende Funktion, Entgelte und Arbeitsbedingungen zu kartellieren, hin. Resch (Glosse zu ZAS 1991/10) hebt ebenfalls den Schutzzweck des § 3 ArbVG hervor, der letztlich darüber entscheide, welche Wirkungen einem KollV vom Gesetzgeber zugewiesen worden seien. Selbst wenn man von der Zulässigkeit dispositiver Regelungen im KollV ausgehe, könne es nicht zulässig sein, dass die KollV-Parteien beispielsweise dem gesamten KollV für eine bestimmte Branche bloß dispositive Wirkung verliehen. Regelfall müsse nach der gesetzlichen Konzeption jedenfalls die einseitig zwingende Wirkung des KollV bleiben. Als Kriterium dafür, wann ausnahmsweise die KollV-Parteien dem KollV zweiseitig zwingende oder auch bloß dispositive Wirkung zuerkennen dürften, könne mit einem Rekurs auf das allgemeine Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes gearbeitet werden. Grillberger (Glosse zu WBl 1989, 191) gesteht dem Argument Tomandls, es stehe den KollV-Parteien frei, eine Angelegenheit absolut oder relativ zwingend oder gar nicht zu regeln, es sei deshalb nicht einzusehen, warum keine Möglichkeit bestünde, bloß dispositive Regelungen zu vereinbaren, gewisse Tragfähigkeit zu. Er verweist aber auf mögliche Folgen (zB Befugnis der KollV-Parteien, den in § 3 Abs 2 ArbVG festgelegten Günstigkeitsvergleich zu modifizieren), die bei der Fragestellung zu bedenken seien.

In letzter Zeit haben sich Runggaldier, (Pensionsansprüche und -anwartschaften, DRdA 1999, 35 ff) und Binder (Die Kartellwirkung des Kollektivvertrages, FS Koppensteiner 549 ff) mit der Zulässigkeit von dispositivem Kollektivvertragsrecht beschäftigt. Runggaldier (aaO 37 bis 39) geht davon aus, dass weder eine historische Analyse noch eine am Wortlaut ausgerichtete Interpretation des § 3 Abs 1 ArbVG das Ergebnis zwingend nahelege, dass die KollV-Parteien nur die Wahl haben, entweder einseitig bzw zweiseitig zwingende Klauseln zu normieren oder eine Angelegenheit überhaupt nicht zu regeln. Wenngleich der Wortlaut des § 3 Abs 1 ArbVG eher für diese Auslegung spreche, ergebe eine logische und systematische Interpretation das Gegenteil. Gebe es unzweifelhaft die Möglichkeit, dass die KollV-Parteien durch Nichtregelung einer Materie den Parteien des Individualarbeitsvertrages oder der BV bezüglich dieser Materie ein unbeschränktes Regelungspouvoir einräumen, sei zu folgern, dass in jenen Fällen, in denen es die KollV-Parteien für opportun hielten, auch dispositives Recht zu setzen, dies zulässig sein müsse. Die Ablehnung jeglicher Flexibilität gefährde den Schutz der Arbeitnehmer im Endeffekt mehr.

Binder (aaO 558 ff) geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit dispositiven Kollektivvertragsrechts aus: Dem kollektiven Rechtsetzer müsse es erlaubt sein, zumindest für einen Teilbereich der Arbeits- und/oder Entgeltbedingungen eine nachgiebige Ordnung vorzugeben. Das könne sich vor allem dann als nützlich erweisen, wenn ein Sachproblem noch zu wenig erforscht sei, um sogleich eine verbindliche Regelung zu treffen oder wenn zufolge der unterschiedlichen Ertragskraft der Unternehmen ein gemeinsamer Nenner nicht gefunden werden könne. Abdingbare KollV-Normen entfalteten jedenfalls von Anfang an zugunsten der normunterworfenen Arbeitnehmer mehr Schutz als die - in § 3 Abs 1 ArbVG vorgesehene - Möglichkeit der Nichtregelung, weil die vorgegebene Ordnung nur im Einvernehmen der einzelnen Vertragspartner verändert oder beseitigt werden könne. Hinzu kämen die Anfechtungs- und Korrekturmöglichkeiten wegen inhaltlicher Unbestimmtheit, Verstößen gegen die gute Sittenklausel einschließlich des Wuchertatbestandes, Verkürzung über die Hälfte oder wegen Auftretens von Willensmängeln zufolge bestehender Zwangslage oder veranlassten Irrtums. Die dispositiven KollV-Normen bildeten überdies einen inhaltlichen Maßstab, von dem sich die Einzelvertragsparteien nicht zu weit entfernen dürften. Sei das vom nachgiebigen Recht vorgezeichnete Leistungs/Gegenleistungsverhältnis durch einzelvertragliche Klauseln zum Nachteil einer Partei krass verschoben worden, sei eine solche Abrede als ungültig zu qualifizieren. Dem § 3 Abs 1 ArbVG sei daher die Möglichkeit zu partieller, nicht aber zu gänzlicher dispositiver Regelung zu entnehmen. Man werde jeweils einen Sachgrund für das Abweichen von der herkömmlichen Regelungsstruktur zu fordern haben. Solange gewährleistet sei, dass die durch den dispositiv gestalteten Teil des KollV mögliche einzelvertragliche Gestaltung keine Wettbewerbsnachteile nach sich zöge, sondern lediglich die Entwicklung von betriebsangepassten und/oder attraktiven Anspruchsmodellen gefördert werde, werde auch die Kartellwirkung des KollV in ihrer Gesamtheit durch die partielle Zulassung nachgiebiger KollV-Normen nicht tangiert.

Bei der infolge der Kritik der Lehre notwendig werdenden erneuten Befassung mit der Frage der Zulässigkeit dispositiver Kollektivvertragsnormen ist zunächst zu betonen, dass es bei den bisherigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu diesem Thema niemals um den Fall des ausschließlich oder überwiegend dispositiv gestalteten KollV ging (oder hier geht): Immer war die Gültigkeit partieller Einzelregelungen zu beurteilen, insbesondere die auch hier in Frage stehende Regelung von Reisekosten und Reiseaufwandsentschädigungen. Mit der Lehre ist davon auszugehen, dass die Frage der Gültigkeit solcher partieller Einzelregelungen maßgeblich nach teleologischen Aspekten zu beurteilen ist. Wesentliche Bedeutung kommt der Frage zu, ob die Schutzfunktion des KollV durch die Möglichkeit dispositiver Regelungen beeinträchtigt ist.

Es ist nun der herrschenden Lehre zuzugestehen, dass es in der Tat unter dem Gesichtspunkt der Schutzfunktion des KollV fragwürdig wäre, würde man die Zulässigkeit gänzlich dispositiver Regelungen in einem KollV bejahen. Damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet, ob punktuelle Einzelregelungen in KollV disponibel gestaltet werden können: Mit Binder (aaO 559) ist davon auszugehen, dass abdingbare KollV-Normen zugunsten der normunterworfenen Arbeitnehmer mehr Schutz als die in § 3 Abs 1 ArbVG vorgesehene Möglichkeit der Nichtregelung entfalten. Der Vorwurf, mit dem Argument der Möglichkeit der Nichtregelung werde ein unzulässiger Schluss von der Abschlussfreiheit auf die Gestaltungsfreiheit geschlossen (Jabornegg in Glosse zu DRdA 1991/50), lässt außer Acht, dass es hier gerade nicht um die generelle Abschlussfreiheit der KollV-Parteien geht: Die Zulässigkeit dispositiver Kollektivvertragsregelungen setzt gerade den Abschluss eines KollV voraus. Die Frage ist vielmehr, ob aus der Tatsache, dass die Parteien einen KollV schließen können, der nicht alle möglichen Regelungsinhalte aufweist, sondern einzelne Arbeitsbedingungen ungeregelt lässt, der Schluss gezogen werden kann, dass in Einzelfragen dispositive Regelungen getroffen werden können. Gerade bei Einzelregelungen wie der hier in Frage stehenden Aufwandersatzregelung über Dienstreisen kann nicht ernsthaft mit der Schutzfunktion des KollV argumentiert werden: Bliebe die Materie ungeregelt, stünde dem Arbeitnehmer in diesem Umfang jedenfalls kein über die tatsächlichen Kosten hinausgehender Entgeltanspruch zu. Der Arbeitnehmer könnte die Vergütung von Auslagen und Aufwendungen des Arbeitnehmers im Interesse des Arbeitgebers ohne Regelung im Kollektivvertrag nur in analoger Anwendung des § 1014 ABGB vom Arbeitgeber fordern (SZ 60/112). Eine dispositive kollektivvertragliche Regelung über die Abgeltung von Auslagen und Aufwendungen des Arbeitnehmers wird diesen in der Regel durch den Pauschalcharakter der Abgeltung günstiger stellen als der analog § 1014 ABGB gewährte Anspruch. Jene Dienstnehmer aber, die eine von der dispositiven Regelung des KollV über die Aufwendungen und Auslagen abweichende Einzelvereinbarung getroffen haben, sind insofern nicht beeinträchtigt, als eine einzelvertragliche Regelung, die einen Aufwand- und Auslagenersatz vorsieht, der dem tatsächlich gemachten Aufwand nicht entspricht, unter dem Gesichtspunkt einer krassen Verschiebung des vom nachgiebigen Recht (dispositive KollV-Klausel) vorgezeichneten Leistungs/Gegenleistungsverhältnisses in der Regel einer Korrektur zugänglich ist (Binder aaO 559). Auch unter Zugrundelegung, dass für die Zulässigkeit dispositiver KollV-Klauseln ein Sachgrund für das Abweichen von der herkömmlichen (einseitig zwingenden) Regelungsstruktur zu fordern sei (Binder aaO 559; siehe auch Resch in Glosse zu ZAS 1991/10), bestehen keine Bedenken gegen die hier in Frage stehende Bestimmung des § 3 Abs 1 des KollV: Es ist durchaus einleuchtend, dass die KollV-Parteien den Ersatz unregelmäßig zu leistender Dienstreisen zwar einer grundsätzlich zwingenden Regelung unterwerfen wollten, Ausnahmen aber für "regelmäßig reisende" Angestellte zulassen wollten, weil die Gewährung der in § 3 Abs 5 des KollV festgelegten Reiseaufwandsentschädigung für regelmäßig reisende Angestellte (derzeitiges Taggeld in jener Verwendungsgruppe, der der Kläger nach seinen Behauptungen angehört, 39 EUR) für den Arbeitgeber unter Umständen nicht vertretbar wäre. Eine unsachliche Ausklammerung jener regelmäßig reisender Angestellter von der zwingenden Wirkung der im KollV festgelegten Aufwandsentschädigungen ist nicht zu erkennen.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass der herrschenden Lehre zuzugestehen ist, dass gewichtige Argumente dafür sprechen, dass es im Regelfall nach der gesetzlichen Konzeption bei der einseitig zwingenden Wirkung des KollV zu bleiben hat (siehe insbesondere Resch in Glosse zu ZAS 1991/10; ferner Binder aaO 559), dass aber bei Bestehen eines sachlichen Grundes für eine dispositive Einzelregelung in einem KollV keine Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser dispositiven Regelung bestehen, soferne sie auch inhaltlich nicht nach allgemeinen Kriterien korrekturbedürftig erscheint. Anhaltspunkte für Letzteres haben sich hier nicht ergeben, behauptete doch der Kläger nicht, dass die dienstvertragliche Einzelregelung über den Ersatz seiner Reiseaufwendungen hinter seinem tatsächlich gemachten Aufwand zurück bleibt.

Aus diesem Grund war der Revision ein Erfolg zu versagen, ohne dass es auf die Auslegung des Entgeltbegriffes des § 7 AVRAG ankäme: Da die in Frage stehende kollektivvertragliche Regelung zulässigerweise dispositiv gestaltet ist, also auch österreichische Arbeitgeber eine davon abweichende einzelvertragliche Regelung treffen können, kommt § 7 AVRAG nicht zur Anwendung.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei betreibt ihr Unternehmen in Deutschland. Die Leistungen ihres Rechtsfreundes gelten daher als in Deutschland erbracht und unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Ob und allenfalls in welcher Höhe die beklagte Partei (oder ihr inländischer Vertreter selbst) für die erbrachten anwaltlichen Leistungen in Deutschland Umsatzsteuer abzuführen hat, bedarf keiner näheren Prüfung, weil mit der kommentarlosen Verzeichnung von 20 % Umsatzsteuer in der Revisionsbeantwortung ohne Zweifel nur die inländische Umsatzsteuer angesprochen worden ist. Dass die beklagte Partei für die angesprochenen Leistungen in Deutschland umsatzsteuerpflichtig ist, wäre auch dem Grunde nach zu behaupten und zu bescheinigen gewesen (4 Ob 199/01w; siehe auch Thiele, Prozesskostenersatz und ausländische Umsatzsteuer, AnwBl 2001, 630 ff).

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