OGH 1Ob196/04m

OGH1Ob196/04m12.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am ***** 1979 geborenen Nora M*****, vertreten durch Dr. Mag. Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses der Nora M***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Februar 2004, GZ 43 R 584/02d-159, womit der von ihr erhobene Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 13. Juli 2002, GZ 3 P 151/97y-133, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den Antrag der mittlerweile volljährig gewordenen Pflegebefohlenen, deren Mutter für die Zeit vom 1. Mai bis 30. November 1994 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 290,69 EUR und ab 1. 12. 1994 zu einer solchen von 319,76 EUR zu verpflichten, ab und sprach aus, dass mit Rechtskraft der Entscheidung die einstweilige Verfügung des Erstgerichts vom 8. September 1997 außer Kraft trete.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung mit Beschluss vom 26. 6. 2003 (ON 151) auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf, wobei es den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärte.

Mit Beschluss vom 14. Oktober 2003, AZ 1 Ob 219/03t, hob der erkennende Senat diese Entscheidung des Rekursgerichts auf und trug ihm die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Wenngleich der Beschluss des Gerichts zweiter Instanz, was die aufgezeigten Mängel des Verfahrens erster Instanz betreffe, keinen Anlass böte, die aufgetragene Verfahrensergänzung zu beseitigen, sei zu prüfen, ob der von der Antragstellerin erhobene "leere Rekurs" rechtsmissbräuchlich eingebracht worden sei, um einen Verbesserungsauftrag zu provozieren und so eine Verlängerung der Rekursfrist zu erreichen.

Mit der nunmehr von der Antragstellerin angefochtenen Entscheidung wies das Rekursgericht den Rekurs der Unterhaltswerberin gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 13. 7. 2002 (ON 133) zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Sie habe gegen die erstinstanzliche Entscheidung einen als Rekurs bezeichneten Schriftsatz eingebracht, dem es an jeglicher Begründung und auch an einer Anfechtungserklärung gemangelt habe. Die Rekursfrist habe am 6. August 2002, einige Tage vor der Rückkehr ihres gewählten Rechtsvertreters aus dem Urlaub, geendet. Die offenkundige Rechtsmissbräuchlichkeit der Rekurserhebung sei dadurch indiziert, dass die Antragstellerin persönlich einen Tag vor Ablauf der Rekursfrist ein formell und inhaltlich mangelhaftes Rechtsmittel gefaxt habe, und dass offensichtlich sowohl zwischen der Zustellung der angefochtenen Entscheidung an ihren Vertreter als auch zwischen der Zustellung des Beschlusses, mit dem die Verbesserung ihres Rechtsmittels aufgetragen wurde, und der Rekurserhebung durch ihren Rechtsvertreter (ON 138) Informationsflüsse zwischen ihr und ihrem Vertreter stattgefunden hätten. Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass zwischen der Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Rechtsvertreter der ehemals Pflegebefohlenen und ihrer fehlerhaften Rekurserhebung (ON 134) ein Informationsfluss zwischen ihr und ihrer Rechtsvertretung stattgefunden haben müsse.

Der Revisionsrekurs der ehemals Pflegebefohlenen ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist klarzustellen, dass die im Revisionsrekurs aufgezeigten offensichtlichen Schreibfehler bzw Verwechslungen durch die vom Rekursgericht am 2. Juni 2004 vorgenommene Berichtigung beseitigt wurden; darauf ist somit nicht weiter einzugehen.

Der erkennende Senat hat bereits in seinem Aufhebungsbeschluss vom 14. Oktober 2003, 1 Ob 219/03t, ausgeführt, für den Fall, dass die Antragstellerin den "leeren Rekurs" rechtsmissbräuchlich eingebracht haben sollte, sei dieses Rechtsmittel zurückzuweisen. Es sei nämlich von der Einleitung eines Verfahrens zur Verbesserung fehlerhafter Schriftsätze abzusehen, wenn die Verbesserungsvorschriften der ZPO, die nach stRsp auch im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden seien, ausschließlich dazu benützt würden, das Verfahren zu verzögern. Das Rekursgericht habe den sich aus dem Akt ergebenden und von der Mutter der Antragstellerin aufgezeigten Hinweisen auf einen Rechtsmissbrauch durch geeignete Erhebungen nachzugehen und mit gebotener Deutlichkeit auszusprechen, ob sich ein solcher Missbrauch mit der nötigen Sicherheit feststellen lasse. Ein Rechtsmissbrauch dürfe nur angenommen werden, wenn er notorisch sei oder sich zwingend aus aktenkundigen Umständen ergebe.

Im Sinne dieser Ausführungen ist dem Rekursgericht bei seiner Entscheidung kein Rechtsirrtum anzulasten. Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, ist grundsätzlich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (bbl 2003, 34; 9 Ob 274/01m; 3 Ob 68/98s uva). Im vorliegenden Fall brachte die Antragstellerin am vorletzten Tag der Rekursfrist eine "leere Rechtsmittelschrift" ein; dem Schriftsatz mangelte es an jeglicher Begründung und auch an einer Anfechtungserklärung (ON 134). Zu dieser Zeit war - wie das Rekursgericht erhob - der Rechtsvertreter der Unterhaltswerberin im Ausland, sein Auslandsaufenthalt endete aber wenige Tage danach. Er hatte eine Rechtsanwältin mit seiner Stellvertretung betraut. Nach dem eigenen Vorbringen der Revisionsrekurswerberin nahm sie mit dieser Stellvertreterin ihres Anwalts Kontakt auf, und wurde ihr mitgeteilt, dass sie entweder einen anderen Rechtsanwalt mit der Rekurserhebung beauftragen müsse - die Stellvertreterin selbst habe sich auf Grund von Arbeitsüberlastung nicht in der Lage gesehen, den Rekurs zu verfassen - oder aber auch selbst einen Rekurs einbringen könne. Sie sei auch darauf hingewiesen worden, dass mangels Anwaltspflicht und auf Grund der (weitgehenden) Amtswegigkeit im außerstreitigen Unterhaltsfestsetzungsverfahren umfangreiches Rekursvorbringen sei nicht erforderlich. Schon aus diesem eigenen Vorbringen der Rechtsmittelwerberin ergibt sich, dass ihr bewusst gemacht wurde, Rekursvorbringen sei auch in einem von ihr selbst erhobenen Rechtsmittel erforderlich, wenngleich dies nicht umfangreich sein müsse. Entschloss sich die Revisionsrekurswerberin dazu, überhaupt kein Rekursvorbringen in ihren Rechtsmittelschriftsatz aufzunehmen, dann ist der Schluss der zweiten Instanz, sie habe die Inhaltserfordernisse eines Rekurses bewusst missachtet und unzulässigerweise eine Verlängerung der Rekursfrist provozieren wollen, nach den Denkgesetzen nicht angreifbar. Dies ist auch im Außerstreitverfahren selbst einer anwaltlich nicht vertretenen Partei nicht gestattet (vgl ÖA 1996, 92; RZ 1995/80; AnwBl 1993, 189; 5 Ob 502, 503, 1512/92; Kodek in Fasching II/22 Rz 173 ff zu §§ 84, 85 ZPO). Die rechtsmissbräuchliche Rekurserhebung durch die Antragstellerin ergibt sich somit entgegen ihrer Ansicht aus - zum Teil von ihr selbst geschaffenen - aktenkundigen Umständen, weshalb das Rekursgericht den Rekurs zu Recht zurückgewiesen hat. Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

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