Spruch:
Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag,
in § 3 Abs 2 Z 2 des OÖ Pflegegeldgesetzes, LGBl Nr 64/1993, in der Fassung des Landesgesetzes, mit dem das OÖ Pflegegeldgesetz geändert wird (OÖ Pflegegeldgesetz-Novelle 2002), LGBl Nr 155/2001, die Wortfolge "oder von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens" als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.
Text
Begründung
Die am 24. 2. 1920 geborene Klägerin ist im Zuge der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges gemeinsam mit ihrem Ehegatten, einem Angehörigen der deutschen Wehrmacht, und ihren vier Kindern aus Siebenbürgen geflüchtet und wohnt jedenfalls seit 1955 in Österreich. Sie ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz und ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Oberösterreich. Sie bezieht seit Oktober 1990 von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern Leistungen für Kindererziehung nach § 294 SGB VI in Höhe von monatlich EUR 103,44. Eine deutsche oder österreichische Pensions- oder Rentenleistung (aufgrund versicherter Erwerbstätigkeit) bezieht die Klägerin nicht. Eine Mitgliedschaft in der deutschen Kranken- und Pflegeversicherung besteht nicht, weil hiefür keine Beiträge für die Klägerin einbezahlt worden sind. Die Klägerin ist in Österreich bei ihrem Ehegatten als Angehörige in der Krankenversicherung mitversichert. Mit Bescheid vom 18. 12. 2001 hat das Land Oberösterreich den Antrag der Klägerin vom 24. 9. 2001 auf Gewährung von Pflegegeld nach dem OÖ Pflegegeldgesetz (OÖ PGG) abgelehnt.
Das Erstgericht sprach der Klägerin - ausgehend von einem Pflegebedarf von 72 Stunden monatlich - Pflegegeld der Stufe 1 in der gesetzlichen Höhe von EUR 145,50 monatlich ab 1. 10. 2001 zu. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Jauch (EuGH 8. 3. 2001, Rs C-215/99 ) das österreichische Bundespflegegeld als Leistung bei Krankheit im Sinne des Art 4 Abs 1 lit a der Verordnung 1408/71 zu qualifizieren sei und daher im Anwendungsbereich dieser Verordnung auch ins Ausland zu exportieren sei. Von diesem EuGH-Urteil seien aber nicht nur die außerhalb Österreichs wohnenden Bezieher einer österreichischen Pension, sondern auch jene EU- bzw EWR-Staatsbürger und schweizerischen Staatsbürger betroffen, die ihren Wohnsitz in Österreich hätten und nur eine Rente aus einem EU-Mitgliedstaat, EWR-Staat oder der Schweiz bezögen. Diese Personen hätten zuvor - ohne dass ein österreichischer Pensionsbezug vorgelegen sei - ein Pflegegeld nach dem BPGG erhalten. Nach dem bis dahin in Österreich herrschenden Verständnis sei das Bundespflegegeld als beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinn des Art 4 Abs 2a der VO 1408/71 beurteilt und unter Bedachtnahme auf die Eintragung des Bundespflegegeldes im Anhang II a dieser Verordnung in Befolgung des Art 10a Abs 1 und Abs 3 der VO 1408/71 auch an Staatsangehörige anderer EWR-Staaten bezahlt worden, soferne diese Ausländer ihren Wohnort in Österreich gehabt und eine einer österreichischen Gegenleistung (etwa einer ASVG-Pension) gleichgestellte Rente aus einem anderen EWR-Staat bezogen hätten. Mit der Qualifizierung des Bundespflegegeldes als "Leistung bei Krankheit" sei aber nunmehr anhand der Kriterien für die Zuständigkeit im Bereich der Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft zu prüfen, ob Pflegegeld zu zahlen sei. Nach Ansicht der zuständigen österreichischen Bundesbehörden würden derartige Fälle in die Zuständigkeit der Länder fallen, die aber diese Auffassung nicht teilen.
Offenkundig in Reaktion auf die durch das erwähnte EuGH-Urteil geschaffene Rechtslage sei mit der Novelle zum OÖ PGG LGBl 2001/155 der Kreis der vom Landespflegegeld ausgeschlossenen Personen auf jene Personen erweitert worden, die Ansprüche auf eine Pension, einen Ruhe-(Versorgungs)genuss oder eine gleichartige Leistung aufgrund von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens hätten oder geltend machen könnten (§ 3 Abs 2 Z 2 OÖ PGG idF LGBl 2001/155). Diese Bestimmung sei am 29. 12. 2001 in Kraft getreten. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, sei der Landesgesetzgeber von der Annahme ausgegangen, dass die Pflegegeldkompetenz für Bezieher von EWR-Renten beim Bund liege. Dabei werde in den Materialien ausdrücklich auf die Problematik dieser Rechtsansicht hingewiesen, dass nämlich der Ausschluss der EWR-Rentner aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem OÖ PGG der grundsätzlichen Verpflichtung der zwischen Bund und Ländern geschlossenen Vereinbarung nach Art 15a B-VG über die Einführung einer umfassenden Pflegevorsorge insofern widersprechen könnte, als sich für diese Personen nunmehr weder der Bund noch das Land Oberösterreich bei Aufenthalten in Oberösterreich als zuständig zur Gewährung einer Pflegeleistung erachten würden. Aufgrund dieser Vereinbarung nach Art 15a B-VG sei es Verpflichtung der Länder, jenen Personen, die keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundespflegegeldgesetz haben, Landespflegegeld zu gewähren. Daraus folge, dass dem Landesgesetzgeber nicht die Absicht unterstellt werden könnte, dass er mit der Pflegegeldgesetz-Novelle 2002 eine Gesetzeslage schaffen habe wollen, die den Ausschluss einer bestimmten Personengruppe von jeglichem Pflegegeldanspruch zur Konsequenz habe. Die novellierte Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 OÖ PGG sei daher so zu verstehen, dass Bezieher von EWR-Renten nur dann vom Landespflegegeldgesetz ausgeschlossen werden sollten, wenn die EWR-Leistung ohnehin einen Anspruch auf Bundespflegegeld begründe. Dies sei aber nicht der Fall. Die strittige Rechtsfrage der Pflegegeldzuständigkeit für EWR-Pensionisten sei in der Zwischenzeit vom Obersten Gerichtshof nämlich dahin gelöst worden, dass diese Personengruppe nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem BPGG gehöre und auch nach § 3 Abs 3 und 4 BPGG nicht in den Kreis der nach dem BPGG anspruchsberechtigten Personen einbezogen werden könne. Die wörtliche Auslegung der novellierten Bestimmung würde daher zu dem vom Landesgesetzgeber ausdrücklich nicht gewünschten Ergebnis führen, dass EWR-Pensionisten weder Anspruch auf Bundes- noch auf Landespflegegeld hätten. Es sei daher zu der am Zweck der Norm ausgerichteten Auslegung zu greifen, die dazu führe, dass der Klägerin mangels Anspruch auf Bundespflegegeld Leistungen nach dem OÖ PGG gebührten.
Tatsache sei, dass die Klägerin keine Grundleistung beziehe, die einen Anspruch auf Bundespflegegeld als Annexleistung rechtfertigen würde, und dass die EWR-Pensionisten nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem BPGG gehörten. Damit komme aber auch der in § 3 Abs 2 Z 2 OÖ PGG vorgesehene Ausschluss im Falle der Klägerin nicht zum Tragen, weil nach dem dargelegten Verständnis dieser Bestimmung Landespflegegeld eben nur dann nicht zustehen solle, wenn die EWR-Leistung einen Anspruch auf Bundespflegegeld begründe. Die Leistung, die die Klägerin aus der Bundesrepublik Deutschland beziehe, löse keine Beitragspflicht in der deutschen Kranken- bzw Pflegeversicherung aus. Daher habe sie auch keinen Anspruch auf Leistungen aus der deutschen Pflegeversicherung. Die Klägerin sei in Österreich als Angehörige bei ihrem Ehegatten in der Krankenversicherung mitversichert. Mangels Zuständigkeit eines deutschen Trägers für Leistungen bei Krankheit bestehe auch kein Anspruch auf Import einer deutschen Pflegegeldleistung. Auch daraus ergebe sich, dass im Falle der Klägerin das Land Oberösterreich für Pflegegeldleistungen leistungszuständig sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge und teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur strittigen Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 OÖ PGG idF LGBl Nr 155/2001 nicht bestehe und die Frage, inwieweit EWR-Leistungsbezieher von dieser Ausschlussbestimmung erfasst seien, von grundsätzlicher Bedeutung für eine erhebliche Anzahl von Personen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der beklagten Partei als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist bereits aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Überdies lassen die Bedenken gegen die Verfassungskonformität der präjudiziellen Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 OÖ PGG ein Normenprüfungsverfahren angezeigt erscheinen.
Der Senat hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 27. Juli 2004, 10 ObS 63/04v, bereits einen gleichlautenden Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt hat. Der Oberste Gerichtshof hat den Gesetzesprüfungsantrag wie folgt begründet:
Art I des Bundesgesetzes, mit dem ein Pflegegeld eingeführt wird (Bundespflegegeldgesetz - BPGG) enthält folgende Verfassungsbestimmung: "Die Erlassung, Änderung und Aufhebung von Vorschriften, wie sie im Artikel II des Bundespflegegeldgesetzes enthalten sind, sowie die Vollziehung dieser Vorschriften sind auch in jenen Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 etwas anderes vorsieht. Die Angelegenheiten des Artikels II können im Sinne des Artikels 102 Abs 2 B-VG unmittelbar von Bundesbehörden versehen werden."
Mit dieser Kompetenzbestimmung, durch die in erster Linie eine Abgrenzung zwischen dem Kompetenzbereich des Bundes und jenem der Länder bewirkt wird, sollte vor allem vermieden werden, dass zumindest ein Teil des BPGG dem Tatbestand "Sozialversicherungswesen" (Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG) zuzuordnen wäre (Pfeil, BPGG [1996] 30 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien, 32). In Ermangelung einer speziellen Kompetenzgrundlage für die landesgesetzliche Normierung von pflegebezogenen Geldleistungen kommt hiefür Art 15 Abs 1 B-VG in Betracht (zu dieser - hauptsächlichen - Kompetenzgrundlage für die Erlassung der Landespflegegeldgesetze siehe etwa Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich [1994] 309 ff).
Die subsidiäre Regelungsbefugnis, damit aber auch die Verpflichtung der Länder nach Art 1 Abs 2 bzw Art 2 Abs 3 der gemäß Art 15a B-VG abgeschlossenen "Pflege-Vereinbarung" (BGBl 1993/866; OÖLGBl 1993/129) beginnt dort, wo die entsprechende Bundeskompetenz endet, sodass insgesamt ein "geschlossenes Pflegegeldsystem" vorliegt (Gruber/Pallinger, Kommentar zum BPGG [1994] § 3 Rz 14, 20). Nach Art 2 Abs 3 der Pflege-Vereinbarung geht die Gewährung des Pflegegelds nach dem BPGG der Gewährung nach landesgesetzlichen Vorschriften vor; dem wird im OÖ PGG dadurch Rechnung getragen, dass der Anspruch auf Landespflegegeld auf den Fall beschränkt wird, dass keine der in § 3 BPGG angesprochenen Grundleistungen bezogen wird, die gegebenenfalls einen Anspruch auf Bundespflegegeld auslösen (§ 3 Abs 1 Z 4 und § 3 Abs 2 Z 1 OÖ PGG).
Nach Art I BPGG bestimmt sich die Bundeskompetenz in personeller Hinsicht nach dem konkreten Geltungsbereich des BPGG, insbesondere also nach § 3. Obwohl die Verfassungsbestimmung des Art I BPGG eine Erweiterung des Personenkreises erlaubt hätte, sollten durch das BPGG nur jene Personen erfasst werden, die schon zuvor (potenziell) einen bundesgesetzlichen Anspruch auf eine pflegebezogene Geldleistung gehabt hatten, sodass die Verfassungsbestimmung des Art I BPGG keine Erweiterung der Kompetenz des Bundes bewirkt hat.
Unter den in § 3 BPGG genannten Personenkreis fällt die Klägerin nicht, weil sie insbesondere keine in § 3 Abs 1 BPGG erwähnte Grundleistung bezieht, die einen Anspruch auf Bundespflegegeld als Annexleistung rechtfertigen würde. "EWR-Pensionisten" wurden bisher vom Bundesgesetzgeber nicht in den anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem BPGG einbezogen und sie gehören auch nicht zu der im § 3 Abs 3 und 4 BPGG umschriebenen Personengruppe, die in den Kreis der nach dem BPGG anspruchsberechtigten Personen einbezogen werden kann (vgl auch 10 ObS 321/00d und 10 ObS 286/02k). Nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung (und unter Bedachtnahme auf ihren Hauptwohnsitz und rechtmäßigen Aufenthalt in Oberösterreich) würde die Klägerin damit in die Anspruchsberechtigung nach dem oö Landespflegegeldgesetz fallen. Dieses Ergebnis wird dadurch erhärtet, dass dann, wenn man sich die von der Klägerin bezogene Leistung wegdenkt, ihr Anspruch auf Pflegegeld unzweifelhaft nach Landesrecht zu beurteilen wäre. Ansatzpunkt für einen Anspruch nach dem BPGG könnte demnach nur die bezogene "EWR-Leistung" bilden, die jedoch - wie schon erwähnt - in § 3 BPGG nicht genannt ist. In der Revision wiederholt das Land Oberösterreich den nach der dargelegten Ansicht des Obersten Gerichtshofes unrichtigen Einwand, aufgrund der innerösterreichischen Kompetenzvorschriften bestehe keine Verpflichtung zur Leistung eines Landespflegegeldes an die Klägerin. Zu dieser Thematik hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung vom 8. 4. 2003, 10 ObS 1/03z (RIS-Justiz RS0117519) eingehend Stellung genommen. Das Berufungsgericht hat die darin enthaltenen Argumente (dass in dem dem hier zu entscheidenden durchaus ähnlichen Fall kein Anspruch auf Pflegegeld nach dem BPGG bestehe) wiedergegeben. Das Argument, im Hinblick auf den Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG, wonach "Sozial- und Vertragsversicherungswesen" in Gesetzgebung und Vollziehung zum Bund ressortiere, sei das Land nicht zu Leistungen an die Klägerin verpflichtet (obwohl diese unstrittig ihren Wohnsitz und rechtmäßigen Aufenthalt in Oberösterreich hat und nicht dem Personenkreis des § 3 BPGG angehört), würde in letzter Konsequenz darauf hinauslaufen, dass Art 15 B-VG überhaupt keine Kompetenzgrundlage für das Landespflegegeld bilden könnte.
Der oberösterreichische Landesgesetzgeber ist bei Schaffung des in § 3 Abs 2 Z 2 letzter Fall OÖ PGG enthaltenen Ausschlusstatbestandes von einer anderen Prämisse ausgegangen. In den Gesetzesmaterialien (Blg 1175/2001 zum kurzschriftlichen Bericht des OÖ Landtags, XXV. GP) wird die Ansicht vertreten, für "EWR-Pensionisten" bestehe nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung eine Zuständigkeit des Bundes. Dabei wird vor allem auf die nicht näher belegte Tatsache hingewiesen, dass sich der Bund bislang "auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung im BPGG innerstaatlich für die Bezieher von EWR-Renten für zuständig erachtet" habe (vgl auch Talir, SozSi 2003, 252 [255]), und auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 5. 11. 1996, 10 ObS 2189/96a, verwiesen. Nach dieser Entscheidung haben Hinterbliebene von Selbständigen, die weder in die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung noch in den Geltungsbereich des BPGG (nach dessen § 3 Abs 2) einbezogen waren, weder einen Anspruch auf Bundes- noch auf Landespflegegeld. Der Entscheidung liegt jedoch zugrunde, dass für eine gesetzliche Regelung des Pflegegeldanspruchs für pflegebedürftige Freiberufler bzw deren Hinterbliebene der Bund zuständig wäre, was auch in der Möglichkeit der Einbeziehung von Freiberuflern in § 3 Abs 3 BPGG zum Ausdruck kommt (Pfeil, Neuregelung 315).
Mit der Gruppe der Freiberufler ist aber aus der Sicht der innerstaatlichen Kompetenzverteilung die Gruppe von Pflegebedürftigen mit EWR-Bezug nicht vergleichbar. Es wurde schon erwähnt, dass in vergleichbaren Fällen Pflegebedürftigen mit österreichischer Staatsbürgerschaft und österreichischem Wohnsitz, die weder eine Grundleistung nach § 3 BPGG noch eine Leistung aus einem anderen EWR-Staat beziehen, Landespflegegeld gebührt. Eine Bundeskompetenz für die inkonsistente Gruppe von Pflegebedürftigen mit EWR-Bezug müsste also allein darauf beruhen, dass eine den in § 3 Abs 1 BPGG aufgezählten Grundleistungen vergleichbare Leistung aus dem EWR-Ausland bezogen wird. Dass dieser Umstand die kompetenzmäßige Zuordnung vom Land zum Bund verändern würde, ist dem Kompetenzkatalog der Verfassung (B-VG, Art I BPGG) aber nicht zu entnehmen. Auch das Urteil des EuGH in der Rs C-215/99 , Jauch hat an der innerstaatlichen Kompetenzverteilung nichts geändert, aber offensichtlich auf Seiten des Bundes ein anderes Verständnis ausgelöst (vgl Talir, SozSi 2003, 252 [255]).
Der Pflegegeldanspruch der Klägerin kann sich daher nur gegen das Land richten und ist nach dem OÖ PGG zu beurteilen, das jedoch in § 3 Abs 2 Z 2 für den Fall des Anspruchs auf eine Pension, einen Ruhe- (Versorgungs-)genuss oder eine gleichartige Leistung unter anderem aufgrund von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens einen Ausschluss vom Kreis der nach § 3 Abs 1 OÖ PGG anspruchsberechtigten Personen vorsieht. Wie der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Auslegung der vergleichbaren Bestimmung des § 3 Abs 3 (nunmehr Abs 4) BPGG (...."sofern der Anspruch auf eine Pension, einen Ruhe(versorgungs)genuss oder eine gleichartige Leistung auf einer privatrechtlichen Vereinbarung beruht.") bereits ausgeführt hat, sind unter den Begriffen "Pension" bzw "Ruhe(versorgungs)genuss" monatliche Geldleistungen zu verstehen, die
der Versorgung des Betreffenden dienen (SSV-NF 10/105 = DRdA 1997/42
[Kalb] = JBl 1998, 524 [Primetshofer]). Daraus kann geschlossen
werden, dass auch der Anspruch auf eine "gleichartige Leistung" ein solcher auf eine regelmäßige Zuwendung sein muss, die ebenso wie die Pension oder der Ruhe(versorgungs)genuss der Versorgung des Bezugsberechtigten dient. Die Frage, ob als "gleichartige Leistungen" ausschließlich Geldleistungen in Betracht kommen, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da die Klägerin jedenfalls eine Geldleistung bezieht. Nach Ansicht des erkennenden Senates handelt es sich bei den von der Klägerin nach § 294 SGB VI bezogenen Leistungen für Kindererziehung entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht um eine einer Pension bzw einem Ruhe(versorgungs)genuss funktional durchaus vergleichbare Leistung (vgl SSV-NF 14/98), die ebenfalls der Versorgung der anspruchsberechtigten Person dient. Die Leistung für Kindererziehung ist zwar keine Rente, sondern eine von der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu erbringende Geldleistung besonderer Art (§ 23 Abs 1 Z 1 lit f SGB I). Ziel dieser Regelung ist es, für Geburtsjahrgänge vor 1921 die Zeit der Kindererziehung rentenrechtlich ähnlich wie eine Erwerbstätigkeit zu behandeln, damit kindererziehungsbedingte Altersversorgungsdefizite nicht eintreten. Da jedoch bei den begünstigten Müttern die Versicherungskarriere bereits als abgeschlossen gilt und ein möglichst einfaches Verwaltungsverfahren das Ziel war, wurde statt einer Anrechnung von Versicherungszeiten eine Pauschalleistung vorgesehen. Die monatliche Höhe der Kindererziehungsleistung ist der jeweils für die Berechnung von Renten maßgebende aktuelle Rentenwert (§ 295 SGB VI). Die Anknüpfung an den aktuellen Rentenwert gewährleistet eine dynamische, an der Veränderung des Bruttodurchschnittsentgelts aller Versicherten orientierte Entwicklung der Kindererziehungsleistung entsprechend der Dynamik der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und eine einheitliche Leistungshöhe. Bezieht die Mutter bereits eine Rente, wird die Kindererziehungsleistung aus Praktikabilitätsgründen als Zuschlag zur Rente gezahlt. Eine Kindererziehungsleistung steht nach § 294a SGB VI nicht zu, wenn die Mutter unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente hatte, bei der die Kindererziehung bereits als leistungsbegründend und/oder -erhöhend berücksichtigt wurde. Diese Ausschlussregelung dient der Vermeidung von Doppelbegünstigungen durch gleichartige Leistungen. Bei der Leistung für Kindererziehung handelt es sich schließlich auch um eine Leistung wegen Alters, weil der Anspruch auf diese Leistung von der Vollendung eines bestimmten Lebensalters abhängig ist (vgl Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB VI K § 294 Rz 18, § 294a Rz 7, § 295 Rz 4 ua).
Aufgrund dieser Umstände besteht für den erkennenden Senat keine Veranlassung für eine unterschiedliche Betrachtungsweise der Ansprüche der Klägerin auf Leistungen für Kindererziehung im gegenständlichen Verfahren und der ebenfalls ausschließlich auf Kindererziehungszeiten gestützten Rentenansprüche der Klägerin im Verfahren 10 ObS 63/04v. Da somit die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 OÖ PGG auf die Klägerin anzuwenden ist, liegt die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Präjudizialität vor. Im Rechtsmittelverfahren ist nicht strittig, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen aus der deutschen Kranken- und Pflegeversicherung hat. Die Klägerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich. Da sie keinen Anspruch auf Bundespflegegeld hat (vgl § 3 BPGG), wird sie durch den genannten Ausschlusstatbestand in § 3 Abs 2 Z 2 OÖ PGG
- gegenüber anderen österreichischen Staatsbürgern, die pflegebedürftig sind und weder eine der in § 3 Abs 1 aufgezählten Leistungen noch eine "EWR-Leistung" beziehen, sowie
- gegenüber anderen österreichischen Staatsbürgern, die aus dem EWR-Ausland eine dem Pflegegeld vergleichbare Leistung beziehen, in unsachlicher Weise ungleich behandelt, sodass eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorliegt.
Weiters liegt in § 3 Abs 2 Z 2 OÖ PGG ein Verstoß gegen die in § 1 Abs 2 der gemäß Art 15a B-VG abgeschlossenen Pflege-Vereinbarung (BGBl 1993/866; OÖ LGBl 1993/129) vom Bund und den Ländern übernommene Verpflichtung zur Schaffung des mehrmals erwähnten "geschlossenen Pflegegeldsystems" vor, die ihren Ausdruck in der Primärkompetenz des Bundes (Art I BPGG) und in der Subsidiärkompetenz der Länder (Art 15 Abs 1 B-VG) findet.
Aus diesem Grund wird auch im vorliegenden Verfahren beantragt, in § 3 Abs 2 Z 2 des OÖ Pflegegeldgesetzes, LGBl Nr 64/1993, idF des Landesgesetzes, mit dem das OÖ PGG geändert wird (OÖ Pflegegeldgesetz-Novelle 2002), LGBl Nr 155/2001, die Wortfolge "oder von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens" als verfassungswidrig aufzuheben.
Eine verfassungskonforme Interpretation durch teleologische Reduktion des § 3 Abs 2 Z 2 OÖ PGG, wie sie von den Vorinstanzen vorgenommen wurde, scheidet nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut und den Umstand aus, dass der oberösterreichische Landesgesetzgeber nach den Gesetzesmaterialien ausdrücklich einen entsprechenden Ausschlusstatbestand schaffen wollte, um die seines Erachtens gegebene Bundeskompetenz zu untermauern.
Die Anordnung der Innehaltung des Verfahrens beruht auf der im Spruch zitierten Gesetzesstelle.
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